Wenige Teilnehmer bei Salafisten-Kundgebung
10. Juni 2012Am Wetter kann es nicht gelegen haben. Sonne und Wolken im Wechsel bei 22 Grad und ab und an ein angenehmes Lüftchen. Trotzdem kamen zum "1. Islamischen Friedenskongress" am Samstag (09.06.2012) auf dem Barmer Platz in Köln-Deutz nach Polizeiangaben nur rund 300 Zuhörer. Die Veranstalter hatten mehr als 1000 Teilnehmer erwartet.
Aufgerufen zu der Kundgebung hatte der ehemalige Profiboxer Pierre Vogel. Der 33-jährige Konvertit wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als einer der wichtigsten Identifikationsfiguren der Salafisten in Deutschland. "Wir wollen zeigen, wie der Islam den wahren Frieden bringt - Frieden im diesseits und Frieden im Jenseits", so hatte der islamische Prediger die Veranstaltung in einer Audio-Botschaft im Internet angekündigt. Explizit hatte er auch Nicht-Muslime eingeladen. Von ihnen nahmen allerdings nur wenige die Einladung an. Die meisten Besucher waren Anhänger Pierre Vogels, darunter Männer mit langen Bärten und gehäkelten Kappen, viele Frauen waren verschleiert, einige trugen auch einen Gesichtsschleier.
Kongress abseits von Passanten
Der "1. Islamische Friedenskongress" fand auf dem Barmer Platz in Köln-Deutz statt - einem Schotterplatz zwischen der Lanxess Arena, einer rund 20.000 Menschen fassenden Mehrzweckhalle, und den großen Messehallen auf der rechtsrheinischen Seite der Stadt. Zwar befindet sich der Platz unmittelbar am Deutzer Bahnhof, aber eben am rückwärtigen Ausgang.
Kaum verwunderlich also, dass es nur sehr wenige Passanten gab, die zufällig an der Kundgebung vorbeikamen. Einige hatten sich gezielt diesen Ort ausgesucht, um sich zu versammeln: Mitglieder der rechtsextremen Partei Pro NRW.
Zaun trennt Salafisten und Rechte
Pro NRW hatte eine Veranstaltung mit 30 Teilnehmern angekündigt, um gegen die Veranstaltung der Salafisten zu protestieren. Bei einer Demonstration von ebenso vielen Pro-NRW-Mitgliedern in Bonn Anfang Mai kam es zu schweren Ausschreitungen. Nachdem die Rechtsextremen mit Mohammed-Karrikaturen Muslime provoziert hatten, versuchten einige der 500 Gegendemonstranten, viele von ihnen Salafisten, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Dabei waren 29 Polizisten verletzt worden, zwei von ihnen durch Messerstiche schwer. Mehr als 100 Gewalttätige wurden damals festgenommen, 29 Polizisten wurden verletzt.
Vor diesem Hintergrund hatten Sicherheitsbehörden die Befürchtung, es könne auch diesmal wieder zu Ausschreitungen kommen. Darum war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Der größte Teil des Barmer Platzes wurde umzäunt und durfte nicht betreten werden. Er diente als Pufferzone zwischen den Salafisten und den Rechtsextremen. Rund 100 Meter breit war dieser Sicherheitsbereich - drumherum Dutzende Mannschaftswagen der Polizei, zwei Wasserwerfer und ein Panzerwagen.
Wie viele Polizisten im Einsatz waren, wollte Christoph Gilles, Pressesprecher der Polizei Köln, aus taktischen Gründen nicht sagen. Nur so viel: "Wir sind mit ausreichend starken Kräften vor Ort, um hier einen weitestgehend störungsfreien Ablauf zu gewährleisten."
Eine Christin unter Dutzenden Salafisten
Kurz vor Beginn der Veranstaltung wurde es auf dem Veranstaltungsgelände der Salafisten etwas lauter, als eine Christin vor der Bühne für ihren Glauben eintrat. Sie lieferte sich ein Wortgefecht mit einem Salafisten und wurde dabei umringt von weiteren Glaubensanhängern. Der Kreis wurde immer enger. Die Umstehenden filmten und fotografierten das Wortgefecht. Die Polizei musste nicht einschreiten.
Nacheinander stiegen verschiedene Redner der Salafisten auf die Ladefläche des weißen Lastwagens, der als Bühne diente. Darunter war auch Ibrahim Abou Nagie, der mit Koranverteilungen in verschiedenen deutschen Städten Aufsehen erregt hatte. Die Salafisten propagieren den Ur-Islam und lehnen eine theologische Modernisierung ab. Sie treten für eine Gesellschaft nach den Regeln der islamischen Rechtsordnung Scharia ein. Kaum verwunderlich, dass die Redner sich gegen Sex vor der Ehe aussprachen. Des weiteren kritisierten sie die deutschen Medien. Diese würden ein zu schlechtes Bild von ihnen zeichnen. Außerdem sprachen sie sich gegen das Assad-Regime in Syrien aus und kritisierten die Haltung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der nicht wisse, was ein Salafist sei.
Innenminister will härter gegen Gewaltprediger vorgehen
Friedrich hatte einen Tag zuvor in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" erklärt, entschieden gegen salafistische Gewaltprediger vorgehen zu wollen, denn: "Salafisten bekämpfen die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung und wollen stattdessen ihre radikale Ideologie in Deutschland einführen."
Eine Maßnahme gegen Gewaltprediger könne auch sein, dass, sofern sie staatliche Zuschüsse wie Hartz IV bekämen, ihnen diese gekürzt werden könnten. Doch besser sei, so Friedrich: "Es muss verhindert werden, dass solche Leute überhaupt die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Das ist nach der aktuellen Gesetzeslage möglich." Der Innenminister lässt derzeit eine Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes prüfen, um Gewaltprediger leichter abschieben zu können.
Schauspieler überraschend auf der Bühne
Veranstalter Pierre Vogel verglich in seiner Rede die angebliche Islamfeindlichkeit in Deutschland, speziell in den Medien, mit der Judenfeindlichkeit während des Nationalsozialismus. Plötzlich bittet er einen Zuhörer auf die Bühne. Es handelt sich um Willi Herren, einen deutschen Schauspieler, der vor allem durch die Fernsehserie "Lindenstraße" bekannt geworden ist. Pierre Vogel bittet ihn auf die Bühne. Die beiden umarmen sich. Willi Herren gibt seiner Bewunderung für Vogel Ausdruck.
Pierre Vogel "handzahm"
"Ich dachte, das Ganze ist größer, ein Stückchen pompöser", fasst einer der wenigen Passanten die Veranstaltung zusammen. Es klingt fasst enttäuscht. Der 19-Jährige ist eigentlich angereist, um das EM-Fußball-Spiel Deutschland gegen Portugal zu schauen.
Einen anderen Zuhörer, einen schlanken Mann Anfang 30, interessierte der Prediger Pierre Vogel. "Ich wollte den Spinner mal sehen. Der war ja ganz handzahm". Auf die Frage, ob ihn die Redner überzeugt hätten: "Nein, Gott bewahre."
Eine Muslima, die mit ihrem Mann und ihrem kleinen Kind da war, fühlte sich dagegen in ihrem Glauben bestätigt. Sie sei froh, dabei gewesen zu sein. Erst einen Tag vorher hatte sie von der Veranstaltung erfahren. In einigen Medien hätte sie gelesen, die Veranstaltung fände nicht statt. Vielleicht seien deshalb so wenig Leute da gewesen, resümiert sie. "Vielleicht aber auch wegen Fußball", räumt die Frau mit schwarzem Kopftuch und Brille ein.
Keiner der interviewten Teilnehmer wollte seinen Namen nennen. Anhänger der Salafisten filmten mit Videokameras und Handys unentwegt sowohl Journalisten als auch Zuhörer. Den einen oder anderen verunsicherte dies. Ansonsten blieb die Veranstaltung friedlich.