Wenig Zuspruch für Merkel-Kritiker
12. Januar 2010Bei einem aktuellen politischen Thema wartet Bundeskanzlerin Angela Merkel meist ab, wie sich die öffentliche Diskussion entwickelt, bevor sie sich selbst entscheidet. Parteiinterne Kritiker der Kanzlerin nennen das einen "präsidialen Stil", mit dem sie ihrer Rolle als Parteivorsitzende der CDU nicht gerecht werde. Der Wahlerfolg der Union im Herbst sei nicht Ergebnis einer "überzeugenden" Strategie, sondern "schlichtweg Glück" gewesen, schrieben die Landtagsfraktionsvorsitzenden der CDU in Hessen, Sachsen und Thüringen sowie die Vize-Fraktionschefin der CDU in Brandenburg, Saskia Ludwig, in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Ludwig: Merkel muss Balance finden
Zurückhaltung in der Diskussion habe Merkel zwar hohe Popularitätswerte gebracht, jedoch "wenig parteipolitische Identifikation", lauteten die Vorwürfe weiter. Ludwig verschärfte ihre Kritik am Montag (11.01.2010). Die Kanzlerin müsse "als Chefin einer großen Volkspartei die Balance zwischen konservativen Kernthemen und Multi-kulti-Wohlfühlthemen halten", sagte Ludwig den "Potsdamer Neuesten Nachrichten". Diese Ausgewogenheit sei im Moment nicht erkennbar.
Seehofer: "Kritik aus der zweiten und dritten Reihe"
Viel Unterstützung haben die vier Merkel-Kritiker bislang nicht erfahren. Als "Kritik aus der zweiten und dritten Reihe" wies Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Vorstoß zurück. Im ARD-Fernsehen sagte der Vorsitzende der Schwesterpartei CSU, er habe kein Verständnis für die ständigen Zwischenrufe. Seehofers Lob für die Kanzlerin fiel allerdings bescheiden aus. Immerhin habe es Merkel erreicht, dass Schwarz-Gelb wieder eine Mehrheit habe.
Koch fordert "neue Diskussionskultur"
Auch Seehofers hessischer Kollege Roland Koch verteidigte die Parteivorsitzende. Man müsse dafür sorgen, dass die Vielstimmigkeit innerhalb der CDU abnehme, sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Seine Forderung nach einer "neuen Diskussionskultur" lässt sich indes auch als indirekte Kritik an Merkels Führungsstil auffassen. Eine Partei könne es auf Dauer nicht ertragen, dass man jedes Thema endlos diskutierte, betonte Koch. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) wies die Kritik zurück. "Es wäre besser, wenn mehr miteinander als übereinander gesprochen würde", ließ er über seine Staatskanzlei erklären.
Kritik bleibt ohne große Folgen
Praktische Folgen dürfte die Diskussion über den Führungsstil der CDU-Vorsitzenden kaum haben. Außer für die vier Merkel-Kritiker. Die Äußerungen würden ihnen nicht gut bekommen, zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) Stimmen aus dem größten CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen. Merkel werde sich ihrer "im Vorbeigehen" entledigen. Bei der am Wochenende beginnenden CDU-Vorstandsklausur werde die Kritik an der Kanzlerin keine große Rolle spielen, hieß es in CDU-Kreisen.
Autor: Christian Fähndrich (mit dpa, ap, afp)
Redaktion: Dirk Eckert