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Ein wenig Öffnung

Sabine Kinkartz, Berlin17. Juli 2008

Das Bundeskabinett hat eine Erleichterung der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zum deutschen Arbeitsmarkt beschlossen. Doch die Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, meint Sabine Kinkartz in ihrem Kommentar.

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Bild: DW

Stellen Sie sich vor, Sie sind hoch qualifiziert. Sie haben ihr Studium mit Bestnoten absolviert, arbeiten bereits ein paar Jahre als Ingenieur, Verfahrenstechniker oder Informatiker in einem Unternehmen, haben sich weitergebildet und spezialisiert und verdienen gutes Geld. Sie haben inzwischen vielleicht eine Familie gegründet, Freunde gefunden - kurzum: Sie fühlen sich wohl und haben ihren Platz im Leben, wo auch immer er auf dieser Welt sein mag, gefunden. Was könnte Sie bewegen, ihr bisheriges Leben aufzugeben, nach Deutschland einzuwandern und hier zu arbeiten? Da fällt ihnen jetzt nichts ein? Das kann ich verstehen.

Kaum überwindliche Hürde

Die Bundesregierung allerdings nicht. Sie hofft weiterhin darauf, akademische Fachkräfte, die Erfahrung, Wissen und eine hohe Qualifikation haben, in großer Zahl nach Deutschland locken zu können. Eine Hoffnung, die nicht neu ist, bislang aber enttäuscht wurde: 2006 erhielten 456 Hochqualifizierte ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, im Jahr darauf waren es 466.

Die größte Hürde ist das Mindesteinkommen. Wer ohne weitere Hürden einwandern will, muss ein sattes Gehalt vorweisen können - in Zukunft immer noch das Doppelte eines deutschen Durchschnittseinkommens. Doch wer verdient so viel und noch mehr? Nur erfahrene Spezialisten und nicht junge, hoch qualifizierte Akademiker, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Doch gerade die werden von der hiesigen Industrie gesucht, weil sie noch flexibel und auf der Suche sind.

Schutz statt Öffnung

Daher löst das neue Aktionsprogramm zur Sicherung der Fachkräftebasis, das am Mittwoch (16.7.2008) vom Kabinett beschlossen wurde, bei den Unternehmen vorzugsweise verständnisloses Kopfschütteln aus. Ein System, das sich nicht nach den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes und der Integrationsfähigkeit der Bewerber richtet, kann nicht funktionieren. In der IT-Branche gibt mittlerweile jedes zweite Unternehmen an, dass seine Geschäfte beeinträchtigt werden, weil Stellen nicht besetzt werden können. Der Verein Deutscher Ingenieure gibt 96.000 offene Stellen an, das sind doppelt so viele wie vor vier Jahren.

Die Bundesregierung hört zwar die Signale der Wirtschaft - so richtig wahrhaben will sie sie aber nicht. Der Fachkräftemangel sei sicherlich nicht so schlimm, wie die Industrie angibt, meint der Arbeitsminister. Dabei gibt er zu, gar nicht so genau zu wissen, wie es tatsächlich um den Fachkräftebedarf bestellt ist. Warum auch? Letztendlich geht es ihm gar nicht so sehr um die Öffnung des Arbeitsmarktes, als viel mehr um dessen Schutz. Drei Millionen Arbeitslose gibt es in Deutschland, da kann man als altgedienter Sozialdemokrat nicht die Grenzen öffnen!

Warum ausgerechnet nach Deutschland?

Andere Staaten machen das allerdings. Und haben im Wettlauf um die weltweit klügsten Köpfe die Nase vorn. In den Niederlanden beispielsweise ist das nachzuweisende Mindesteinkommen für Zuwanderungswillige an die Einstiegsgehälter für besonders qualifizierte Berufsanfänger angepasst. Der deutsche Arbeitsmarkt öffnet sich hingegen nur für diejenigen, die es gar nicht nötig haben, in Deutschland zu arbeiten. Die so talentiert sind, dass sie es sich aussuchen können, ob sie im eigenen Land bleiben - oder, wenn sie beispielsweise aus Indien, China oder Südamerika kommen, nicht lieber in englischsprachige Staaten wie Australien, Großbritannien, Kanada oder in die USA gehen wollen, wo sie im Zweifelsfall als Ausländer auch weniger Ressentiments zu befürchten haben.

Die neuen zuwanderungspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Von ihrer Zielvorgabe sind sie allerdings noch meilenweit entfernt.