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Beim Münchner Oktoberfest: Prosit Nachbar!

Tankred Gugisch24. September 2015

Am Wiesn-Tisch bleiben die Deutschen am liebsten unter sich. Das behauptet jedenfalls eine Studie zum Münchner Oktoberfest. Ja, wieso denn, fragen wir erstaunt? Beziehungsweise stimmt das überhaupt?

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Ein weiblicher Gast stemmt das erste Bier beim Münchner Oktoberfest im Hofbräuzelt. Foto: Felix Hörhager/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/F. Hörhager

Wenn sich die Meinungsforscher nach den Lieblings-Sitznachbarn der deutschen Wiesn-Besucher erkundigen, ist eigentlich schon die Fragestellung falsch. Denn wer sitzt schon noch, sobald die Blaskapelle einmal losgelegt hat? Wäre da nicht der beständige Ruf "Die Krüge hoch!" und das fordernde "Oans - zwoa - drei - gsuffa!" (bayerische Aussprache für: "Eins - zwei - drei - trinken!"), dann liefe das größte Volksfest der Welt tatsächlich Gefahr, zu einer eigentümlichen Schlager-Party zu verkommen.

Doch so werden auf der Wiesn aus biertrinkenden Menschen ganz schnell schunkelnde Menschen. Gemeinsam tanzen und balancieren sie glückstrunken mit dem Bierkrug in der Hand auf schmalen Balken, die eigentlich als Sitzbänke geplant waren. Sitznachbarn? Die gibt es hier so nicht.

Deutsch und deutsch gesellt sich gern

Für den kurzen Moment also, in dem der Wiesn-Besucher im Zelt tatsächlich sitzt, nimmt der Deutsche am liebsten neben anderen Deutschen Platz: 23 Prozent Zustimmung für den deutschen Trinknachbarn, da ist die aktuelle Emnid-Umfrage (beauftragt vom Reiseportal momondo.de) eindeutig. Italiener und Australier, die auf den Plätzen zwei und drei folgen, müssen sich mit eher mageren zehn Prozent begnügen. Gerade noch sieben Prozent der Wiesn-Bundesbürger hätten gern Besucher aus England und der Schweiz an ihrer Seite. Abgeschlagen schließlich die Franzosen mit fünf Prozent. "Amore" schlägt "Amour", und zwar deutlich.

Greift man sich ausschließlich die Befragten unter 29 Jahren heraus, schnellen die US-Amerikaner in der Gästegunst ganz nach vorn. 16 Prozent der Befragten wollen sie an ihrer Seite wissen, da lohnt die weite Anreise. Auch Australiern und Engländern wird beim jungen Publikum mit Sympathie begegnet. Sie folgen auf den Plätzen mit je 14 Prozent.

Bier ermöglicht barrierefreies kommunizieren

Wer das Oktoberfest noch nicht besucht hat, mag an dieser Stelle vielleicht einige Erläuterungen als hilfreich empfinden. Alle anderen: Absatz bitte überspringen!

Oktoberfestzelt-Besucher stehen und sitzen an und auf ihren Biertischen und Bänken. Foto: Peter Kneffel/dpa
Wiesn-Zeit in München: Hier hält es niemanden lange auf seinem PlatzBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Zunächst: Beim Oktoberfest kann man sich den Sitznachbarn keineswegs aussuchen - es sei denn, man reserviert einen Tisch und lädt ihn ein. Eine Reservierung zu bekommen, ist allerdings - zurückhaltend formuliert - nicht leicht.. Kurz gesagt: Man kann froh sein, überhaupt irgendwo einen Platz zu ergattern. Die Frage nach dem Wunsch-Nachbarn ist daher eher fiktiv.

Noch wichtiger: Es liegt die Annahme nahe, dass der Wunsch nach einem deutschen Nachbarn von der gemeinsamen Sprache beeinflusst wird. Welcher Deutsche kann schon auf Italienisch oder Spanisch parlieren? Diese Annahme ist jedoch ebenso fiktiv, denn eine Sprachbarriere existiert gar nicht. Stellen Sie sich ein Zelt vor, in dem rund sechstausend Menschen aus Literkrügen im Akkord Bier trinken. Dazu spielt die Blasmusik. Hier ist wichtig, was nonverbale Kommunikation genannt wird.

Seid umschlungen, Millionen

Um für Reisende aus anderen Ländern die Enttäuschung etwas zu lindern, nicht der Lieblings-Sitznachbar des deutschen Wiesn-Besuchers zu sein, sei auf die Daten-Auswertung eines Geldautomaten am Oktoberfestgelände verwiesen. Während der Festzeit haben dort Menschen aus 70 Nationen versucht, ihre Börse wieder aufzufüllen. Sie kamen also nicht nur aus Italien und Oberammergau, sondern auch aus Venezuela, Costa Rica und Kasachstan. Ob den Umfrageteilnehmern diese Vielfalt bewusst war? Wahrscheinlich nicht, sonst wäre die Wahl sicher noch schwerer gefallen.

Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Wieso fühlt sich der oder die Befragte zum Beispiel neben einem Amerikaner am wohlsten, oder eben neben einer Italienerin? Was erwartet er oder sie? Um eine einigermaßen begründete Antwort zu geben, müssen hier Vorurteile bedient werden, was wir - bei aller Objektivität - mit Vergnügen tun.

Der Wunsch nach einem asiatischen Nachbarn ist verständlich: So bleibt der Abend am längsten in Erinnerung. Alle feierbedingten Lücken lassen sich hinterher mit Fotoserien bequem auffüllen. Aber Achtung: Kopien rechtzeitig sichern, denn die gemeinsame Nacht dürfte nicht endlos sein. Entweder wartet auf den Nachbarn aus Asien schon der Bus nach Rom, Madrid oder Paris, oder das Bier entfaltet allzu früh seine negative Wirkung. Mit dem Alkohol muss so mancher Asiate bekanntlich vorsichtig sein, was im Wiesn-Zelt keine leichte Aufgabe ist.

Ein US-Amerikaner mit maßgeschneidertem weiß-blauen Rautenanzug posiert beim Oktoberfest. Foto: Karl-Josef Hildenbrand /dpa
Großer Auftritt im bayerischen Weiß-Blau: Dieser US-Amerikaner kann mit den Trachten konkurrierenBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Weit trinkfester präsentieren sich die Briten und nutzen das gern bis an ihre Grenzen aus. Zu erkennen sind die Herrschaften von der Insel leicht: Konsequent reisen sie in einer Tracht an, mit der sie auch auf dem Kölner Karneval eine gute Figur abgeben würden. Von den Schotten, die in ihrem landestypischen Dirndl, dem Kilt, erscheinen, ist dabei noch gar nicht die Rede.

Die duftenden Italiener mit ihren Sonnenbrillen versprechen gerade den deutschen Mädchen einen heißen Abend. Sie werden also nicht nur aufgrund ihrer Trinkfreude gern als Nachbar gewählt. Zu Abertausenden trifft man sie am mittleren Wiesn-Wochenende, das inoffiziell längst den Beinamen "Festa d'ottobre" trägt. Da das Wohnmobil im besten Fall gleich um die Ecke parkt, ist die Bequemlichkeit für alle Eventualitäten gesichert.

Wiesnbier und Australier mögen sich, manchmal etwas zu sehr. Die lange Anreise macht feierlustig und durstig zugleich. Runde zehn Euro für den Liter bestes Wiesn-Bier empfindet man in Down-Under zudem eher als günstig. Wer sich zu den Weitgereisten gesellt, dem wird bestimmt nicht langweilig. Nach Möglichkeit sollten es gleich mehrere australische Tischnachbarn sein. Das erhöht die Chance auf einen Tanzpartner zur vorgerückten Stunde.

Und wissen Sie, was das Schönste an einem Wiesn-Besuch ist? Der Tag ist lang und Wunschnachbarn gibt es hier viele. Ob aus Bayern, Italien oder dem fernen Australien - gefeiert wird in den Zelten gemeinsam. Am Ende interessiert es sowieso keinen mehr, wer woher gekommen ist.