1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wem gehört die Energiewende 2.0?

Richard A. Fuchs28. Januar 2014

Die Bundesregierung hat Eckpunkte für eine Reform der Ökostromförderung beschlossen. Bis zum Sommer soll daraus ein Gesetz werden. Doch das Reformpaket birgt Sprengstoff: Totgeglaubte Konflikte leben wieder auf.

https://p.dw.com/p/1AwWZ
Zwei Bürger im Bürgerwindrad im Bundesland Schleswig Holstein. Fotograf: Farys/Die Projektoren
Bild: Farys/Die Projektoren

Sigmar Gabriel hat es eilig. Der sozialdemokratische Energieminister will bis zum Sommer Ergebnisse liefern. Der deutsche Bundestag soll schon am 26. und 27. Juni über ein Gesetz abstimmen, das über Erfolg oder Misserfolg der Energiewende entscheiden könnte.

Gabriels Ziel: Die Kosten für die weitere Ökostromförderung sollen sinken. 24 Milliarden Euro kostet die Ökostromförderung derzeit die privaten Stromkunden in Deutschland jedes Jahr. Diese Mehrkosten ließen die Stromrechnungen zuletzt deutlich steigen. Eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) soll das ändern.

Jetzt entscheidet sich, wer die Hosen anhat

Gabriels Reformvorschlag setzt auf zwei Dinge: Weniger Förderanreize - und mehr Pflichten für Grünstrom-Produzenten. So will der Minister die bisherigen Zuschüsse (EEG-Vergütungen) für Wind-, Solar- und Biomassekraftwerke deutlich kappen. Werden Ausbauziele überschritten, soll das zu weiteren automatischen Kürzungen bei der Förderung führen. Das soll den privaten Stromverbrauchern Milliarden Euro Mehrkosten ersparen.

Sigmar Gabriel muss entscheiden: Bürgerenergiewende oder Geschäft für Großkonzerne Copyright: EUROFORUM/Dietmar Gust
Sigmar Gabriel muss entscheiden: Bürgerenergiewende oder Geschäft für GroßkonzerneBild: EUROFORUM/Dietmar Gust

Ferner sollen die Ökostromproduzenten ihren Strom zukünftig direkt an der Strombörse verkaufen. Galt bisher, dass Grünstrom garantiert abgenommen werden muss, so soll sich der Ökostrom jetzt am Markt behaupten. Das birgt für seine Produzenten erstmals das Riskio von Verlusten, weil die Preise an der Börse schwanken. Ein Teil möglicher Einbußen soll eine Marktprämie kompensieren, ein Teil beim Ökostromproduzenten verbleiben.

Beides steht in Gabriels Eckpunktepapier, das von der Bundesregierung jetzt zur Marschroute für die anstehende Parlamentsarbeit erkoren wurde. Der Bundestag befasst sich am Donnerstag (30.1.2014) mit der EEG-Reform.

Umweltverbände warnen, dass Gabriels Pläne den Ausbau des Ökostroms abrupt abwürgen könnten. Und dieser Ausbau verlief bislang im internationalen Vergleich geradezu spektakulär. Ein Viertel des in Deutschland verbrauchten Stroms wird inzwischen aus erneuerbaren Energiequellen produziert. 2035 sollen es bereits 60 Prozent sein.

Die Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft 2014 in Berlin Copyright: EUROFORUM/Dietmar Gust
Energiemanager unter sich: Die Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft 2014 in BerlinBild: EUROFORUM/Dietmar Gust

Die Großkonzerne wittern ihre Chance

Bevor Gabriels Plan zum Gesetz wird, wird in Berlin noch eine Lobbyschlacht ausgetragen. Vergangene Woche trafen sich in Berlin die Vertreter der konventionellen Energielobby bei der 'Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft‘, darunter Deutschlands Top-4-Energiekonzerne E.On, RWE, Vattenfall und EnBW.

Die Energiewende war für sie bislang ein Verlustgeschäft. Sie besitzen vor allem alte Kohle- und Gaskraftwerke, die immer öfter stillstehen, denn der Ökostrom hatte bislang Vorrang und ist immer billiger zu haben. Das verdrängt Gas- und Kohlestrom vom Markt. Die Pläne des Ministers, den Ausbau des grünen Stroms jetzt durch Eingriffe zu regulieren, könnte diese Entwicklung bremsen - so die Hoffnung.

"Nur immer mehr erneuerbare Energien vollsubventioniert in den Markt zu stellen, kann kein Ziel sein", sagt Peter Terium. Er ist Chef des Energiekonzerns RWE mit 53.000 Mitarbeitern.

Peter Terium, Vorstandsvorsitzender von RWE, auf der 21. Handelsblatt Jahrestagung "Energiewirtschaft 2014". Pressebild Copyright: EUROFORUM/Dietmar Gust
Peter Terium, Chef des Energiekonzerns RWEBild: EUROFORUM/Dietmar Gust

Die großen Konzerne begrüßen Gabriels Vorstoß. Denn Strom direkt selbst zu vermarkten, wozu Gabriel zukünftig auch die kleinen Ökostromproduzenten zwingen will, braucht Know-how, Arbeitskraft und eine leistungsfähige Verwaltung. Große Energiekonzerne können das bieten, einzelne Windradbesitzer oder Betreiber von Solaranlagen nicht.

Und darauf setzt Terium. "Unser Programm für 2014 muss sein: gemeinsam, nicht gegeneinander, zentral und dezentral, groß und klein." Ein frommer Wunsch, denn bis Gabriels Pläne letztlich Gesetz werden, wird vor allem eine Spezies von Energiekonzernen Sturm laufen: kleine Ökostromerzeuger, vertreten durch Umweltverbände und Bürgerenergie-Gruppen.

Die Kraft der kleinen Leute ist in Gefahr

Ursula Sladek ist eines der Gesichter der Bürgerenergie-Bewegung. Bundesweit bekannt wurde sie als 'Schönauer Stromrebellin'. Ihre Bürgerinitiative entriss bereits 1997 einem Großkonzern das lokale Stromnetz, um danach ihr kleines Schwarzwalddorf zu 100 Prozent mit Ökostrom zu versorgen. Das versteht Ursula Sladek unter einer dezentralen Stromversorgung.

Ursula Sladek, Gründerin der Netzkauf ElektrizitätsWerke Schönau (EWS), Foto: Patrick Seeger/dpa
Ursula Sladek will die Energiewende von unten: Bürgerenergie statt KonzernmachtBild: picture-alliance/dpa

Heute ist sie beim kleinen Ökostromanbieter EWS des Ortes für Netzkauf verantwortlich. Vor der EEG-Reform, so wie sie jetzt geplant ist, hat sie jedoch Angst, wie sie der DW berichtet: "Bei Gabriels Eckpunktepapier verlieren die Bürger, die ja bis jetzt den größten Teil der Energiewende gestemmt haben, auch finanziell." Muss der Ökostrom künftig direkt vermarktet werden, dann überfordert das vor allem kleine Ökostromanbieter. Gewinner sind wieder einmal die Großen.

Ursula Sladek findet bereits die Prämissen des neuen Energieministers falsch. Der will künftig nämlich nur noch die kostengünstigsten erneuerbaren Energien fördern. Das bedeutet, dass vor allem Windräder an Land gefördert werden.

Eine einseitige Energiewende, sagt Sladek, die die Vielfalt der Erneuerbaren mit Wind, Sonne, Biomasse und Wasser gefährdet. "Dieser Mix führt eben dazu, dass man die miteinander kombinieren kann, dass sie sich untereinander ausgleichen, dass man dadurch viel weniger Speicher und Infrastruktur benötigt."

Damit die Energiewende nicht durch die Hintertür von Großkonzernen gekapert wird, soll am Mittwoch (29.1.2014) in Berlin der Interessensverband 'Bündnis Bürgerenergie' gegründet werden. Als Sprachrohr für eine Energiewirtschaft, die nicht von Männern in schwarzen Anzügen gemacht wird, sagt Ursula Sladek: "Jede zweite Kilowattstunde sauberen Stroms kommt durch die Bürger oder ist durch die Bürger finanziert."

Just dieser Gruppe fehle aber eine schlagkräftige Lobby, was sich durch die neue Initiative ändern soll. "Wenn solche großen Umbrüche stattfinden, dann gibt es immer Gewinner und Verlierer. Und ich glaube, dass die Großen mit zu den Verlieren gehören."

Foto: DW

Wird die Eilreform im Interessenstreit zerrieben?

Setzt sich Energieminister Gabriel mit seinem Konzept duch, dann wäre das nicht mehr das Projekt, für das sich Ursula Sladek einmal stark gemacht hat: "Natürlich wird die Energiewende, wenn sie nicht mehr auf die Bürger setzt, ihr Ansehen total verändern, zu Ungunsten der Energiewende."

Peter Terium, Chef des RWE-Konzerns, setzt dagegen auf die politische Einsicht, dass es ohne Großkonzerne nicht gehen wird. "Dezentral muss mehr bedeuten als ein nicht abgestimmtes Nebeneinander vieler vereinzelter Stromerzeuger, es muss etwas Verbindendes geben."

Und dieses Verbindende, da ist er sich sicher, müssen einfach die viel gescholtenen vier großen Energieversorger sein. Für Energieminister Sigmar Gabriel bedeutet der Streit zwischen Groß und Klein vor allem eins: Wenn er nicht aufpasst, dann droht seiner Eilreform schon bald der Stillstand - verheddert im Interessenkonflikt.