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Weltwirtschaft trotz Risiken auf stabilem Kurs

Karl Zawadzky, z. Zt. Washington30. September 2004

Die Weltkonjunktur befindet sich auf einem rasanten Erholungskurs. Karl Zawadzky berichtet aus Washington über den vom IWF vorgelegten Ausblick der Weltwirtschaft.

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Bild: AP

Nach Feststellung des Chef-Wirtschaftsforschers beim Internationalen Währungsfonds (IWF), Raghuram Rajan, erleben wir derzeit das "stärkste Wirtschaftswachstum seit annähernd 30 Jahren". Das heißt: Das konjunkturelle Tal der Tränen ist überwunden; weltweit nimmt die Wirtschaftsleistung zu. In Europa übrigens stärker als in den USA, die bislang die Lokomotive der Weltkonjunktur waren.

Gute Noten für Schröders Reformpolitik

Auch in Deutschland haben sich die konjunkturellen Wachstumskräfte durchgesetzt. Nach drei Jahren Stagnation wächst die deutsche Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr um jeweils 2,2 Prozent. Wirtschaftsforscher Rajan führt das einerseits auf den starken Anstieg des Exports zurück, andererseits auf die eingeleiteten Reformen der Bundesregierung und appelliert, "den eingeschlagenen Reformkurs beizubehalten."

Deutschland muss nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds zur Überwindung des über viele Jahre hinweg aufgelaufenen Reformstaus gleichzeitig viele Lösungsansätze verfolgen. Mit der Agenda 2010 der Bundesregierung sei ein Anfang gemacht worden. Weitere Korrekturen seien nötig, denn Deutschland habe nicht nur gegen Finanzierungsprobleme im Sozialbereich zu kämpfen, sondern wie alle Industriestaaten auch die Folgen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu bewältigen. Rajan mahnte, je später die Reformen vorgenommen wuerden, desto schmerzhafter seien sie.

Welche Risiken?

Die Erholung der Weltkonjunktur wird sowohl kurzfristig als auch langfristig von Risiken begleitet. Ein langfristiges Risiko sieht der Internationale Waehrungsfonds darin, dass die Regierungen notwendige Reformen nicht in Angriff nehmen. Was an Fehlentwicklungen jetzt nicht angegangen wird, kann später nur mit noch größerem Aufwand korrigiert werden.

In Deutschland ist zur Zeit zu beobachten, welche politischen Mühen damit verbunden sind, einen in Jahrzehnten entstandenen Reformstau aufzulösen. Aber auch in anderen großen Industrieländern, etwa in Frankreich und in Italien, haben Einschnitte in das System der Alterssicherung zu massiven Protesten der betroffenen Bevölkerungskreise geführt.

Gerade im Bereich der Renten und Pensionen sind nach Feststellung des Internationalen Währungsfonds in allen großen Industrieländern als Folge des demographischen Wandels Änderungen nötig. Während der Anteil der älteren Menschen und auch die statistische Lebenserwartung beständig zunimmt, geht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Geburtenrate zurück.

Weil also immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter immer mehr älteren Menschen den Lebensabend finanzieren müssen, droht der wirtschaftlich aktiven Generation eine finanzielle Überforderung. Der IWF widmet dieser Entwicklung ein ausführliches Kapitel in seinem Wirtschaftsausblick und fordert die Regierungen zu Massnahmen auf, die die sozialen Sicherungssysteme langfristig sichern.

Ein weiteres Risiko sieht der Waehrungsfonds in der Entwicklung des Ölpreises, der in den letzten Monaten kräftig gestiegen ist. Die Experten rechneten vor, dass ein Anstieg des Ölpreises um fünf Dollar pro Barrel das weltweite Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozent verringert. Dabei wird über den Ölpreis nicht nur Einkommen ins Ausland transferiert, sondern in den großen Verbraucherländern auch die Preissteigerung angefacht, wogegen die Zentralbanken dann mit Zinssteigerungen angehen müssen.

Andere Abhängigkeiten

Allerdings sind die großen Industrieländer vom Anstieg des Ölpreises heute weniger betroffen als während der Ölkrise der 1970er-Jahre, die in einer weltweiten Rezession endete. Denn in den meisten großen Industrieländern wird heute für die gleiche Wirtschaftsleistung sehr viel weniger Energie eingesetzt als früher; auch private Haushalte haben sehr effektiv ihren Energieverbrauch verringert. Das muss nach Auffassung des Internationalen Waehrungsfonds noch verstärkt werden.

Denn der Ölpreisanstieg hat zwar auch mit der Irak-Krise zu tun, aber zur Hälfte führen die IWF-Experten den Preisanstieg auf die rasant gestiegene Nachfrage in China und in Indien zurück. Die wird sich durch wirtschaftlichen Aufschwung und zunehmenden Wohlstand noch verstaerken, obwohl IWF-Forschungsdirektor Rajan sagte, niemals könnten chinesische oder indische Privathaushalte in solchem Umfang Energie verbrauchen, wie das in Amerika und auch in anderen Industriestaaten üblich sei. Rajan forderte vor allem die USA auf, den verschwenderischen Umgang mit Energie zu beenden und damit den weltweiten Anstieg der Nachfrage nach diesem Energieträger zu dämpfen.

Vor allem den ärmeren Entwicklungsländern wird es immer schwerer fallen, Erdöl und Ölprodukte zu importieren. Denn die Armen dieser Welt sind nach Meinung des Internationalen Währungsfonds die Opfer des Ölpreisanstiegs.