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Welthungerhilfe mahnt Lösung der Syrienkrise an

Kay-Alexander Scholz, Berlin7. Juli 2016

Die Flüchtlingskrise ist eine Herausforderung des Jahrzehnts, sagt die Welthungerhilfe. Dabei hätte es gar nicht so schlimm werden müssen. Die Politik müsse dringend mehr für die Lösung von Konflikten tun.

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Berlin Pressekonferenz der Welthungerhilfe mit Till Wahnbaeck und Bärbel Dieckmann (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Es waren vor allem NGOs wie die Welthungerhilfe, die schon 2014 und 2015 frühzeitig warnten, dass sich die Situation in den Flüchtlingslagern rund um das Bürgerkriegsland Syrien derart verschlechtert habe, dass den Menschen nichts anderes übrig bleibe, als vor Hunger die Flucht anzutreten. Die Präsidentin der Welthungerhilfe Bärbel Dieckmann (Foto) blickt mit Bedauern auf die Geschehnisse der letzten Jahre zurück. Die Warnungen führten damals nicht dazu, dass die internationale Gemeinschaft ausreichende Mittel zur Verfügung stellte. Das Ergebnis war die Flüchtlingskrise in Europa. Inzwischen hätte man die Lektion aber gelernt, so Dieckmann bei der Jahrespressekonferenz ihrer Organisation in Berlin. Die Situation in den Lagern sei besser geworden. Rückblickend kritisiere sie, dass viele Diskussionen an falscher Stelle geführt wurden. Die meisten Flüchtlinge wollten zurück, das würde den Mitarbeitern der Welthungerhilfe vor Ort immer wieder gesagt. "Da ist nicht dieser Traum, in Europa sein zu wollen", so Dieckmann.

Eine Lösung des Syrien-Konflikts könnten nicht die NGOs leisten, sondern das sei Aufgabe der Politik. Hieraus leitete Dieckmann eine der zentralen Botschaften der diesjährigen Jahrespressekonferenz der Welthungerhilfe ab: Die Welt brauche eine neue Sicherheitsarchitektur. Der eigentlich hoffnungsvolle Wegfall des Ost-West-Konfliktes habe Regionen des Machtvakuums entstehen lassen. In vielen Staaten erlebe man innerstaatliche Zerfallsprozesse. Es sei deshalb nötig, dass zwischen den Großmächten ein neuer Konsens über die Weltordnung hergestellt werde. Es dürfe keine Stellvertreterkriege mehr geben. Das gelte aber auch für einige arabische Staaten wie Saudi-Arabien oder den Iran.

Schwerpunkte Türkei, Südsudan und Niger

Als beispielhafte Schwerpunkte ihrer Arbeit des vergangenen Jahres nannte die Präsidentin die Länder Türkei, Südsudan und Niger. In den Flüchtlingslagern in der Südtürkei versorge die Welthungerhilfe 300.000 von insgesamt 2,5 Millionen Flüchtlingen. Die meisten von ihnen wollten wieder zurück in ihre Heimat. Sie wolle keine Prognose abgeben, wann sich die Situation wieder entspannen werde.

Türkei Flüchtlingslager in Kilis (Foto: dpa)
Flüchtlingslager in Kilis in der TürkeiBild: picture-alliance/dpa/U.O. Simsek

Viele Flüchtlinge seien im Südsudan gestrandet. Dort habe ein Streit zwischen dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten entlang von Ethnien zu großer Unsicherheit geführt. Und das in einem Land, das eigentlich aufgrund seines Ölreichtums und seiner guten Böden eine stabile Zukunft bieten könne.

Dringend mehr Hilfe bräuchten die tausenden Flüchtlinge im Niger, hier seien die Menschen ohnehin sehr arm.

Rekord-Einnahmen in 2015

Insgesamt kann die Welthungerhilfe auf ein außerordentlich erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken. Mehr als 200 Millionen Euro Erträge bedeute eine Rekord-Einnahme, betonte der Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe, Till Wahnbaeck (Foto). Gestiegen sind demnach sowohl die Spenden, die ein Viertel der Erträge ausmachen, als auch die öffentlichen Zuschüsse. Die Hälfte der Zuschüsse kommt aus Deutschland, vor allem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Auswärtigen Amt, die andere Hälfte von den Vereinten Nationen und anderen internationalen Geldgebern. 88,9 Prozent der Gelder kämen direkt bei den Projekten an, betonte Wahnbaeck, Verwaltungs- und ähnliche Kosten seien also sehr gering.

Einen Wunsch formulierte die Welthungerhilfe adressiert an die öffentlichen Geldgeber in Deutschland. Es müsse mehr Flexibilität möglich sein bei der Zuschreibung von Geldern. Die Unterscheidung nach Nothilfe und langfristiger Entwicklungszusammenarbeit sei an sich in Ordnung, so Dieckmann. Eine neue Diskussion darüber, wie vor einigen Jahren geführt, wolle man nicht wieder beginnen. Dennoch sei eine "stärkere Kohärenz" nötig.

Noch zu oft entstünden "Entweder-Oder-Situationen", führt Wahnbaeck aus, die die Hilfe vor Ort erschwerten. Wenn zum Beispiel in einem syrischen Flüchtlingslager beim Gemüseanbau geholfen wurde, war damit auch die Hoffnung verbunden, dass neben der Selbstversorgung auch der Einstieg in den lokalen Markt gelingen könne. Schließlich lebten die Flüchtlinge oftmals über viele Jahre in einem Lager.

Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz

Zur aktuellen Diskussion über die Art und Weise der Bekämpfung von Fluchtursachen sagte Dieckmann, die Welthungerhilfe strebte schon immer an, Fluchtursachen zu bekämpfen. Denn Ziel sei es, die Verhältnisse in den Ländern zu verbessern. Wo aber ein Familienvater seine Familie nicht mehr ernähren könne, sei es kein Wunder, wenn man sich zur Flucht entscheide.

Diese Flüchtlinge aber seien nicht mit normaler Migration gleichzusetzen. Für diese empfehle sie der Bundesregierung schon seit einigen Jahren ein eigenes Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen und damit bestimmte Korridore für Migranten zu schaffen. Vom Bau von Zäunen rund um Europa halte sie nicht viel.

Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland ohne konfessionelle oder politische Ausrichtung. Sie wurde 1962 unter dem Dach der UN-Ernährungsorganisation (FAO) gegründet.