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Afrika leidet stark unter der Krise

27. Oktober 2009

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise sind für Afrika viel stärker als für Industriestaaten im Norden. Shanta Deverajan, Chefökonom der Weltbank für Afrika, erklärt, was jetzt getan werden muss.

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Shanta Deverajan, Chef Ökonom der Weltbank für Afrika, chief economist worldbank for africa, European Development Days Stockholm 23.10.09, Foto: Bernd Riegert DW
Weltbank fordert mehr Mittel für AfrikaBild: DW

DW-WORLD.DE: Wir sind mittendrin in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Was bedeutet die Krise für Afrika, für Ihre afrikanischen Kunden?

Shanta Deverajan: Diese Krise hat für Afrika einschneidende Folgen. Anfangs dachten wir, es würde schon nicht so schlimm werden, weil Afrika in die Finanzmärkte nicht so eingebunden ist. Aber als dann eine echte Wirtschaftskrise daraus wurde, war die Wirkung verheerend: Die Rohstoffpreise sind gefallen, das heißt Länder, die vom Öl- oder Kupferexport leben, wurden schwer getroffen. Überweisungen, Zahlungen von Gastarbeitern aus den USA und Europa nach Afrika sind stark zurückgegangen.

Die Einnahmen aus dem Tourismus sind rückläufig. Private Investitionen waren auf 53 Milliarden Dollar angestiegen und sind dieses Jahr auf 30 Milliarden Dollar zurückgefallen. Das hat enorme Auswirkungen nicht nur den Kapitalzufluss, sondern auch auf die Erwartungen an die Zukunft. Die Afrikaner hatten geglaubt, sie hätten die Wende geschafft, da private Investitionen flossen. Sie dachten, sie sind auf dem Weg nach oben und nun das!

Unterm Strich bedeutet das, dass das Wirtschaftswachstum, das 2007 bei 6,4 Prozent lag, auf unter ein Prozent in diesem Jahr fallen wird. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet schrumpft die Wirtschaftsleistung sogar, was dazu führt, dass viele Menschen in einem armen Land in die Armut abstürzen. Menschen, die kurz über dem Existenzminimum lebten, werden jetzt darunter rutschen. Wir schätzen, dass es in Afrika sieben Millionen Menschen gibt, die in Armut abgleiten.

Afrikanische Kinder essen Mais (Foto: dpa)
Kinder sind die Leidtragenden der KriseBild: dpa

Man muss auch beachten, dass eine Rezession normalerweise zeitlich befristet auftritt. In Europa verlieren Sie ihr Haus oder ihren Job. Wenn die Konjunktur wieder anspringt, bekommen Sie wieder einen Job und können sich wieder ein Haus kaufen. In Afrika, in Ländern mit niedrigen Einkommen, verlieren Sie das Leben ihrer Kinder. Kinder sterben während der Rezession an Unterernährung, wegen schlechten Wassers oder mangelnder Gesundheitsversorgung. Wir schätzen, dass während dieser Krise 30.000 bis 50.000 Säuglinge zusätzlich sterben werden, bevor sie ihren ersten Geburtstag erreichen.

Welche Rolle spielt die Weltbank in dieser Krise? Was können Sie tun, um zu helfen?

Wir arbeiten sehr hart daran, das Wachstum in Afrika nicht noch stärker schwinden zu lassen. Das heißt, wir versuchen, afrikanischen Staaten etwas finanziellen Spielraum zu verschaffen, damit sie zum Beispiel Konjunkturprogramme auflegen können. Das machen wir, indem wir unsere Geldmittel erhöhen. Unsere Mittel sind begrenzt und für einen Zeitraum von drei Jahren festgelegt. Wir betreiben jetzt "frontloading", das heißt wir nehmen das Geld aus dem dritten Jahr und zahlen es auch schon im ersten Jahr aus. Das führt dazu, dass manche Länder im ersten Jahr bereits 150 Prozent der ursprünglich vorgesehenen Mittel bekommen. Das ist gut für die Konjunktur, bedeutet aber auch, dass wir im letzten Jahr der Drei-Jahres-Periode sehr viel weniger Mittel vergeben können. Das führt dazu, dass wir die Programme mit neuem Geld ausstatten müssen oder umschichten müssen.

Also in einfachen Worten: Sie brauchen mehr Geld von den Eignern der Weltbank, der internationalen Staatengemeinschaft?

So ist es! Es muss sicher eine Art von Anpassung geben. Die Staaten haben so viel getan, wie sie konnten. Die Weltbank hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles ausgegeben. Wir haben aber die Verpflichtung, dass Entwicklungshilfe planbar und verlässlich sein soll. Nun da wir 150 Prozent unserer Mittel ausgeben, fragen die betroffenen Staaten natürlich, ob wir in zwei Jahren noch Geld haben werden, ob wir bestimmte langfristige Projekte noch finanzieren können.

Unglücklicherweise sind die Geberländer ja auch alle in einer Rezession. Glauben Sie, dass das nötige Geld nur sehr widerstrebend zugesagt werden wird?

Die Zentrale der Weltbank in Washington (Foto: Ullstein)
Die Zentrale der Weltbank in WashingtonBild: ullstein - Giribas

Natürlich haben die Geberländer ihre eigenen finanziellen Schwierigkeiten. Ich möchte aber klar machen, dass die Schwierigkeiten von unterschiedlicher Intensität sind. In armen Ländern hat die gleiche Rezession viel schlimmere und länger anhaltende Auswirkungen. Genau das, einen langfristigen Schaden, müssen wir verhindern. Die Geberländer, wir alle, müssen verhindern, dass diese dauerhaften Schäden eintreten. Einfach gesagt: Wir müssen verhindern, dass die Kinder sterben. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die politische Rahmensituation sich in Afrika vor der Krise verbessert hat und sich auch in der Krise noch verbessert. Afrikanische Staaten haben sehr vertrauenswürdige makroökonomische Programme verabschiedet. Die politischen Bedingungen dafür, dass Hilfe wirklich Wirkung entfaltet, waren nie besser als heute. In Afrika zu investieren, lohnt sich also. Darauf müssen wir aufbauen.

Auch bevor die Krise zugeschlagen hat, hatten die Geberländer Schwierigkeiten ihren Zusagen bezüglich der Milleniumziele zur Bekämpfung der Armut einzuhalten. Wie wird sich die Krise jetzt auf diese Milleniumziele auswirken?

Es sind ja nicht die Geberländer, die die Ziele verfehlen, sondern die afrikanischen Länder. Die Geberländer erfüllen ihre Zusagen vom G7-Gipfel im schottischen Glen Eagles nicht. Sie sind mit 20 Milliarden Dollar im Rückstand. Für viele Länder bedeutet die Krise, dass es noch schwerer wird, die Ziele zu erreichen. Es gibt aber ein grundlegendes Problem: Wir sollten darüber nachdenken, ob diese Ziele noch sinnvoll sind. Es könnte sein, dass wir neue Ziele brauchen, vielleicht noch ehrgeiziger, die aber weiter in der Zukunft liegen sollten. Erinnern wir uns daran, dass die Zusagen in Glen Eagles gemacht wurden, als die Wirtschaft brummte. Die Hilfen für Afrika sollten verdoppelt werden im Jahr 2010. Da fehlen 20 Milliarden Dollar. Das zeigt mir, dass Versprechen mit der Realität nicht immer etwas zu tun haben. Wenn man die Hilfe tatsächlich steigern will, dann muss man unmittelbar zur Kasse gebeten werden.

Welches Rezept empfiehlt die Weltbank, um Krise wie diese in Zukunft zu verhindern? Was sollten Politiker lernen?

Caterpillar in der Jwaneng Mine in Botswana (Foto: S. Duckstein)
Abhängigkeit von einem oder zwei RohstoffenBild: DW / Duckstein

Zwei Ratschläge: Zum einen kluge und vorsichtige Wirtschaftspolitik sowie Wirtschaftsreformen sind sehr wichtig, weil nur sie den Staaten genügend Widerstandskraft geben. Sie sind nicht mehr so verwundbar. Offener Handel und besonnene Politik machen die Wirtschaft robuster. Zum anderen müssen wir die Wirtschaft auf eine breitere Basis stellen, das ist allerdings viel schwerer. Afrikanische Wirtschaftssysteme sind oft von der Ausfuhr von einem oder zwei Rohstoffen viel zu abhängig. Wir sollten das aber mit Augenmaß ändern, denn ein Weg die Wirtschaftsbasis zu verbreitern, ist eine ganze Reihe von Industriezweigen zu subventionieren. Das kann aber auch kontraproduktiv sein, weil wir wissen das subventionierte Industrien oft Fässer ohne Boden werden. Das wird eine Menge Geld verschwendet und die Wirtschaft wächst trotzdem nicht. Wir brauchen also eine smarte Verbreiterung der Palette.

Wie macht man das smart?

Man muss die besonderen Fertigkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit afrikanischer Unternehmen stärken. Man muss eine Menge Bürokratie und Regulierung abbauen, so wie das zum Bespiel Ruanda vorgemacht hat. Wir müssen das Spielfeld für alle gleich anlegen, so dass Unternehmen miteinander konkurrieren können und nicht durch Regeln stranguliert werden.

Das Gespräch führte Bernd Riegert
Redaktion: Andreas Ziemons