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Atomprogramm und Währungsreform in Nordkorea

8. Dezember 2009

Die USA wollen die Atomgespräche mit Nordkorea wieder in Gang bringen. Welche Chancen hat der US-Sonderbeauftragte Stephen Bosworth? Ostasienexperte Rüdiger Frank im Interview mit DW-WORLD.DE

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Die Herrschaft in Nordkorea ist komplett auf die Partei und die Herrscherfamilie ausgerichtetBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Inwieweit wird die Tatsache, dass die USA jetzt wieder einen Vermittler schicken, in Nordkorea als Etappensieg gefeiert?

Rüdiger Frank: Angesichts des geografischen, demografischen, wirtschaftlichen und politischen Größenverhältnisses der USA ist es natürlich ein Erfolg, wenn so eine Großmacht Interesse an Nordkorea zeigt.

Welche Themen werden angesprochen?

Das fängt an bei der Atom-Problematik und geht bis zur humanitären Entwicklung in Nordkorea, wo es vielen Menschen ja sehr schlecht geht. Und dann werden auch die Menschenrechtslage und selbst die koreanische Vereinigung ein Thema sein. Schließlich geht es auch um die Frage der Annäherung zwischen Nordkorea und Japan. Also, die Liste ist wirklich sehr lang.

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Bosworth auf komplizierter Mission - hier am Flughafen in PjöngjangBild: AP

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass dieser Vorstoß dazu führt, neuen Schwung in den festgefahrenen Konflikt zu bringen?

Möglich ist sicherlich, Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Das ist, glaube ich, leicht zu schaffen, deswegen hat Stephen Bosworth gute Chancen, erfolgreich in die USA zurückzukehren. Die spannendere Frage ist aber, was am Verhandlungstisch direkt passiert, und da bin ich eher skeptisch. Die nordkoreanische Seite hat klargemacht, was sie will: Diplomatische Anerkennung, Abbau der Sanktionen, einen Friedensvertrag zwischen den beiden Koreas, da der Waffenstillstand ja seit 50 Jahren nur ruht. Und natürlich Wirtschaftshilfen. Angesichts der klaren Interessenslage der nordkoreanischen Führung und der teilweise diametral entgegengesetzten Ziele der USA bin ich da sehr pessimistisch. Hinzu kommt, dass die anderen Parteien, also China, Südkorea, Russland und Japan jeweils auch ihre eigenen Ziele und Vorstellungen haben. Also, das ist ein ziemliches Chaos an Interessen, die da aufeinanderprallen. Ich bin zwar sehr optimistisch, dass neue Treffen zustandekommen, aber es wäre naiv, deswegen gleich auf eine konkrete Lösung zu hoffen.

Wieviel Spielraum hat Nordkorea eigentlich noch? Wie lange kann sich das Land erlauben, die Muskeln spielen zu lassen?

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Das Regime von Kim Jong-Il ist Stolz auf den Besuch aus den USABild: AP

Das ist der Punkt! Nordkorea hat, was die Verhandlungen angeht, kaum Spielraum. Man muss das aber aus nordkoreanischer Sicht verstehen. Das Atomprogramm ist der einzige Erfolg, den Kim Jong-Il seinem Volk und der Parteiführung vorweisen kann. Und das Atomprogramm ist auch der einzige Grund, warum sich der Westen für Nordkorea interessiert. Aus nordkoreanischer Sicht wäre es deswegen sehr dumm, das einzige, was sie haben, herzugeben.

Nordkorea hat in der vergangenen Woche eine Währungsreform durchgeführt und die Landeswährung abgewertet. Eine Maßnahme, die bei den Bürgern zu Unruhen geführt hat. Warum dieser Schritt?

Nord-Korea Währungsreform
Nordkoreas neue Währung - die Bevölkerung verliert beim Tausch einen Großteil ihrer ErsparnisseBild: AP

Es gibt mehrere Gründe. Das ist zum Einen ökonomisch begründet, da geht es schlichtweg um Inflationsbekämpfung. Denn die Bevölkerung darf ihr Geld ja nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag tauschen.

Der politische Grund ist ein anderer, da geht es um die Vernichtung der gerade erst entstandenen Mittelschicht, die sich als echte politische Gefahr herausgestellt hat, weil sie eine Alternative zum mehr oder weniger monopolitisch herrschenden Staat darstellt. Früher war das Rezept einfach: Wenn man etwas werden wollte, dann war man einfach ein braves Parteimitglied und hat immer alles getan, was die Oberen wollten, und das hat dann den sozialen Aufstieg ermöglicht. Jetzt geht es eben auch anders, nämlich über individuelle ökonomische Aktivitäten, und das entmachtet den Staat erheblich. Das führte auch dazu, dass Menschen plötzlich reich wurden. In Nordkorea waren sonst immer alle arm. Wenn es allen gleich geht, dann findet man das nicht so schlimm. Aber wenn es dem Nachbar plötzlich wesentlich besser geht, dann schürt das Unruhe. Deswegen ist diese Mittelschicht in Nordkorea auch so gefährlich, und deswegen hat man nun versucht, sich ihrer zu entledigen.

Rüdiger Frank ist Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien.

Die Fragen stellte Esther Broders

Redaktion: Silke Ballweg/Esther Broders