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Weiter hohe Hürden für ausländische Fachkräfte

23. Juni 2011

Deutschen Unternehmen gehen die Fachkräfte aus. Daher würden sie gerne gut ausgebildete, junge Ausländer einstellen. Doch die Bundesregierung erleichtert die Zuwanderung nur in kleinen Schritten.

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Eine Inderin steht mit einem Reagenzglas in der Hand vor einem Mikroskop. (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/Dinodia Photo Library

Die Nachricht klingt gut. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften sind entschlossen, gemeinsam die Fachkräftebasis in Deutschland zu sichern. Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit zufolge werden bis 2025 in Deutschland fünf bis sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die Arbeitsagentur empfiehlt daher, schon in den kommenden Jahren zwei Millionen qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland aufzunehmen. Eine Größenordnung, die mit dem neuen Fachkräftekonzept der Bundesregierung allerdings kaum zu erreichen sein wird.

Ein Arzt betrachtet ein Röntgenbild. Foto: Fotolia/Ron Chapple
Ärzte und Ingenieure sind in Deutschland bereits knappBild: Fotolia/Ron Chapple Stock


Die Bundesregierung belässt es nämlich erst einmal bei kleinen Änderungen des geltenden Rechts und hebt lediglich die sogenannte Vorrangprüfung für ausgesuchte Berufe auf. Wenn ein Bürger aus einem Land außerhalb der EU in Deutschland arbeiten will, dann wird erst einmal geprüft, ob es für die freie Stelle keinen geeigneten Bewerber aus Deutschland oder einem EU-Land gibt. Für Ärzte und Ingenieure im Maschinen- und Fahrzeugbau fällt diese Vorrangprüfung nun weg. Das heißt allerdings nicht, dass sie nun einfach nach Deutschland einreisen können. Susanne Schnieber, Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit, betont, es gebe weiterhin eine Prüfung. "Allerdings wird jetzt nur noch geschaut, ob die Arbeitsbedingungen für die Ausländer nicht schlechter oder völlig anders sind, als für einen deutschen Arbeitnehmer – insbesondere in Bezug auf das Gehalt", so Schnieber. Diese Prüfung soll nach 48 Stunden abgeschlossen sein.

66.000 Euro pro Jahr müssen verdient werden

Das Gehalt ist und bleibt erst einmal die größte Hürde für Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten. Nur Spitzenverdiener können sich in Deutschland problemlos niederlassen. Mindestens 66.000 Euro pro Jahr muss man in seinem neuen Job verdienen, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Für Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist das inakzeptabel. "Das erscheint uns als unüberbrückbare Hürde", sagt er. Die Fachkräftesicherung sei von überragender Bedeutung für die Zukunftssicherung der deutschen Wirtschaft, so Hundt.

Mit dieser Kritik läuft der Arbeitgeberpräsident bei Teilen der Bundesregierung sogar offene Türen ein. Wenn es nach der FDP ginge, so macht der Bundeswirtschaftsminister und Chef der Liberalen, Philipp Rösler deutlich, hätte es im Fachkräftekonzept der Bundesregierung auch bei der Gehaltsgrenze Änderungen gegeben. "66.000 Euro sind eindeutig zu hoch angesetzt, denn auf der einen Seite fehlen uns im Bereich der Naturwissenschaften schon heute über 140.000 Beschäftigte und bis jetzt sind durch die hohe Einkommensschwelle nur 169 Fachkräfte in diesem Bereich zu uns gekommen. Das heißt, dass man sehr wohl noch einmal über die Größenordnungen nachdenken muss."

Europäische Harmonisierung nötig

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Foto: Hannibal dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++
Wirtschaftsminister und Arbeitsministerin sind sich über Parteigrenzen einig, dass die Gehaltsschwelle für Zuwanderer sinken mussBild: picture-alliance/ dpa

Innerhalb der Union blockiert die CSU eine Absenkung der Gehaltsgrenze, da sie als Garant dafür gilt, dass ausschließlich hochqualifizierte Zuwanderer nach Deutschland kommen können. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen teilt diese Meinung nicht. Sie würde, wie die FDP, die Gehaltsschwelle gerne auf 40.000 Euro absenken. Das würde sowohl dem Einstiegsgehalt von Hochschulabsolventen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich entsprechen als auch der in EU-Kreisen angepeilten Harmonisierung auf das anderthalbfache eines Durchschnittseinkommens.

In den nächsten Wochen, so sagt von der Leyen, würden sich Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften sicherlich die Frage stellen müssen, ob die Gehaltsschwelle von 66.000 Euro noch "lebensnah" sei und auch von jungen Fachkräften, die mit ihren Familien nach Deutschland kommen wollten, überschritten werden könnte. Die Gehaltsgrenze müsse den Standards in anderen, insbesondere europäischen Ländern angeglichen werden, fordert die Arbeitsministerin, "damit wir uns im globalen Arbeitsmarkt nicht schlechter stellen, sondern wie die anderen auch um die Spitzenkräfte dieser Welt werben können."

Gewerkschaften haben Bedenken

In der Diskussion wollen auch die Gewerkschaften ein Wort mitreden. Sie stehen einer weiteren Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten kritisch gegenüber und haben sicherlich mit dafür gesorgt, dass im Fachkräftekonzept der Bundesregierung der Ausschöpfung inländischer Potenziale der Vorrang vor der Zuwanderung gegeben wird. Die Rede ist dabei von Frauen, älteren Arbeitnehmern, Menschen mit Behinderungen, Migranten, Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen in Deutschland, die für den Arbeitsmarkt zu gewinnen seien.

Ein Ortsausgangsschild auf dem die Begriffe Zuwanderung und Qualifizierung stehen. Zuwanderung ist durchgestrichen. Marem - Fotolia.com
Die Gewerkschaften wollen arbeitslose Deutsche und Migranten für den Arbeitsmarkt fit machenBild: Fotolia/Marem

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, betont, dass darüber hinaus auch die EU-Staaten nicht aus dem Blick gelassen werden dürften. Lediglich in drei Ländern, nämlich in Deutschland, Österreich und in den Niederlanden sei die Jugendarbeitslosigkeit geringer ist als zehn Prozent, in allen anderen Ländern sei die Quote deutlich höher. "Spanien ist Spitzenreiter mit 44,4 Prozent. Wenn wir über Fachkräfte reden, dann bin ich der Meinung, dass wir den Blick auch auf diejenigen Menschen richten müssen, die mit uns gemeinsam in einer europäischen, in einer politischen und wirtschaftlichen Union vereint sind und dass wir diese Probleme auch zusammen angehen sollten."

Einig sind sich die Gewerkschaften mit Politik und Wirtschaft allerdings in einem Punkt: Es müsse viel stärker dafür gesorgt werden, dass ausländische Absolventen deutscher Hochschulen eine dauerhafte und rechtlich abgesicherte Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt hätten.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Dеnnis Stutе