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Weihnachten bei Familie Güleryüz

25. Dezember 2001

Viele Muslime haben mit Tannenbäumen und Geschenken schon längst kein Problem mehr. Im Gegenteil: Nicht nur in Deutschland feiern immer mehr Muslime Weihnachten.

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Auch Muslime finden Gefallen an christlichen Weihnachts-Traditionen.Bild: Bilderbox

Ihre Eltern haben in puncto Weihnachten Pionierarbeit geleistet, findet Asli Güleryüz. Der Weihnachtsbaum mit Kugeln, Lametta und Kerzen gehört zu den frühen Kindheitserinnerungen der in Deutschland aufgewachsenen und in Köln lebenden türkischen Muslimin. "Am 24. Dezember haben wir dann die Kerzen angezündet und uns gegenseitig beschenkt", erzählt Güleryüz. Auch wenn sie und ihre Geschwister längst aus dem Haus sind, stellten die Eltern noch heute jedes Jahr zu ihrem eigenen Vergnügen einen voll geschmückten Baum ins Wohnzimmer.

Geschenketausch unter dem Weihnachtsbaum werde vor allem bei muslimischen Familien mit Kindern praktiziert, beobachtet Utku Pazarkaya. Wenn alle Klassenkameraden am 24. Dezember Bescherung hätten, dann sei es für muslimische Eltern häufig schwer, ihre Kinder noch eine Woche bis zum Jahreswechsel hinzuhalten, meint der in Stuttgart lebende Journalist. So erhielten die Kinder eben schon an Heiligabend ihre Geschenke, die sie eigentlich erst zum traditionellen türkischen Neujahrsfest bekommen hätten. Neujahrsgeschenke und nicht Weihnachtsgeschenke hießen sie dann verschämt.

Weihnachten und Ramadan zusammen

In diesem Jahr fiel die christliche Vorweihnachtszeit mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan zusammen. Und was für Christen das Fest an Heiligabend ist, ist für Muslime das Zuckerfest aus Anlass des Fastenbrechens, das Eid-ul-Fitr oder Seker Bayram. Dieses Jahr fiel es auf den 16. Dezember. Da mag für viele Muslime der vorweihnachtliche Rummel und natürlich die arbeitsfreie Zeit über Weihnachten als festlicher Rahmen willkommen gewesen sein. Denn fällt Ramadan in den Sommer, kommt nur schwer Stimmung auf. Die deutsche Öffentlichkeit nimmt eben kaum Notiz von einer Zeit, die für die hier lebenden rund drei Millionen Muslime so bedeutsam ist.

Fundamentalistische Islamisten würden sich von weihnachtlichen Traditionen, und wenn es nur um ein wenig Tannengrün gehe, nicht beeindrucken lassen, sagt Pazarkaya. Dagegen hätten eher säkular ausgerichtete, liberale Muslime mit Weihnachten kein Problem.

Weihnachtsschmuck in türkischen Einkaufspassagen

"Weihnachten ist auch für viele Muslime ein Fest der Liebe und des Friedens", sagt Pazarkaya. Dem kann Asli Güleryüz nur zustimmen. Aus ihrer Sicht sind es sogar die besonders gläubigen Muslime, die Weihnachten als ein wichtiges Fest der Christen und auch als ein Fest für den Propheten Jesus akzeptieren. "Nicht die politisierten Fundamentalisten, aber viele wirklich Gläubige feiern auf ihre Weise Weihnachten, laden Freunde und Verwandte zu einem Festessen ein und beschenken sich", meint Güleryüz. Bei einigen Familien blinken dann auch die Lichterketten oder leuchten die Kerzen auf dem Adventskranz.

Jüngere Entwicklungen in den muslimischen Herkunftsländern wie der Türkei dürften dabei nicht unterschätzt werden, sagt Güleryüz. In Einkaufspassagen von Großstädten wie Istanbul oder Ankara sei Weihnachtsschmuck in europäischem oder amerikanischem Stil seit einigen Jahren nicht mehr wegzudenken. Das präge auch die in Deutschland lebenden Türken.

Viele bleiben beim eigenen Festkalender

Wie Cengiz Yildirim bleiben jedoch viele konsequent bei ihrem eigenen muslimischen Festkalender. Der Mitarbeiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen und Vater eines Kindes feiert nicht Weihnachten. Geschenke für die Kinder in der Verwandtschaft gab's bei ihm am 16. Dezember zum Zuckerfest. "Auch wenn ich als Kind meine deutschen Freunde immer ein wenig beneidet habe und heute noch die weihnachtliche Stimmung sehr mag, so sehe ich trotz allem keinen Grund, Weihnachten mitzufeiern", sagt Yildirim. Diese Einstellung teilten die meisten seiner Bekannten und Verwandten.

Doch Muslime wie Asli Güleryüz und Utku Pazarkaya werden auch in diesem Jahr wieder Weihnachtsbäume schmücken und mit deutschen und türkischen, muslimischen und nicht muslimischen Freunden feiern. Güleryüz freut sich sogar auf ein ganz besonderes Fest: Sie wird Freunde in Schweden besuchen und eine weiße skandinavische Weihnacht erleben. (pg)