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Weidmann warnt vor Aktionismus

1. Oktober 2015

Trotz der fallenden Preise in der Euro-Zone sollte die Europäische Zentralbank nach Ansicht der Deutschen Bundesbank die Geldschleusen vorerst nicht weiter öffnen. Ängste vor einer Deflation seien unbegründet.

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Bundesbankpräsident Jens Weidmann (Foto: Getty Images/AFP/D. Roland)
Bild: Getty Images/AFP/D. Roland

"Ich rate dazu, nicht in hektischen Aktionismus zu verfallen und jetzt Kurs zu halten", sagte Bundesbankchef Jens Weidmann dem "Spiegel". Hauptgrund für die niedrige und teilweise negative Inflationsrate sei der gesunkene Ölpreis, dessen Einfluss auf die Teuerungsrate aber nur vorübergehend sei, sagte Weidmann.

Außerdem entlaste der drastische Verfall der Energiepreise Verbraucher und Unternehmen allein in Deutschland um fast 25 Milliarden Euro: "Das ist für sich genommen schon ein ordentliches Konjunkturprogramm. Ich sehe derzeit nicht, warum die Notenbank jetzt noch etwas draufpacken sollte."

Die EZB und die nationalen Notenbanken hatten im März mit dem Kauf von Staatsanleihen in großem Stil begonnen. Das Wertpapierprogramm soll bis Herbst 2016 laufen und ist mehr als eine Billion Euro schwer. Weidmann hat von Anfang an öffentlich Vorbehalte gegen die Geldschwemme vorgebracht. Seiner Ansicht nach entfernen sich die Notenbanken zu sehr von ihrem vertrauten Terrain der Geldpolitik und werden zu den größten Gläubigern der Euro-Staaten.

Keine Rede von einer Deflation

Er konnte sich mit seinen Bedenken jedoch im EZB-Rat nicht gegen die Mehrheit durchsetzen, die mit den Käufen die Konjunktur ankurbeln und Deflationsgefahren bannen möchte. Weidmann sieht dieses Risiko derzeit nicht: "Von einer Deflation im Sinne einer destabilisierenden, sich selbst verstärkenden Abwärtsbewegung kann keine Rede sein."

Die Preise im Euro-Raum waren im September zum Vorjahresmonat um 0,1 Prozent gesunken. Die EZB verfehlt damit deutlich ihr Ziel einer Inflation von knapp zwei Prozent, die für die Konjunktur als ideal gilt. Viele Händler rechnen daher damit, dass die Währungshüter ihr Anleihekaufprogramm binnen sechs Monaten ausweiten werden. Die Ratingagentur S&P hält eine Verlängerung bis Mitte 2018 für möglich, womit das Volumen auf bis zu 2,4 Billionen Euro steigen würde.

Auch Privatbanken sehen keine Deflation

Der Branchenverband der privaten Geschäftsbanken (BdB) hält es für möglich, dass die Inflationsrate auch in Deutschland in den nächsten Monaten unter die Null-Linie rutschen könnte, nachdem sie zuletzt stagnierte: "Wir glauben aber nicht, dass man das als deflationäre Entwicklung charakterisieren kann", sagt der Vorsitzende des BdB-Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik, Carsten Klude.

Es sei nicht absehbar, dass sich die Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung in Erwartung weiter fallender Preise zurückhielten: "Ernsthafte Deflationsrisiken können wir nicht erkennen." Das EZB-Kaufprogramm sollte nach Ansicht der Chefvolkswirte vieler BdB-Mitgliedsbanken bis 2016 in seiner aktuellen Form umgesetzt, aber nach derzeitigem Stand weder ausgeweitet noch verlängert werden: "Das sollte eine Notfalloption bleiben", sagte Klude, der auch Chefökonom von M.M. Warburg ist.

wen/se (afp, dpa, rtr)