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Weichenstellungen für die globale Entwicklung

10. Januar 2011

Die Welt steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Die grüne Energie rückt in den Mittelpunkt, damit die Länder umweltverträglich wachsen können. Und die Armutsbekämpfung muss weiter angegangen werden.

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Im 21. Jahrhundert muss die Menschheit die großen Entwicklungsfragen lösen, um Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in einer vernetzten Weltwirtschaft zu sichern: Energie, Klima, Ernährungssicherheit, Fragilität von Staaten. Die erste Dekade gab wenig Anlass zu Optimismus. Sie begann mit dem Terrorangriff vom 11. September 2001, führte in den Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems und endete mit der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen. Die Nationalstaaten haben offensichtlich noch nicht gelernt, globale Systemrisiken zu entschärfen. In der zweiten Dekade müssen endlich die Weichen für eine stabile und faire Globalisierung gestellt werden. Damit dies gelingt, muss eine neue Qualität internationaler Kooperation erreicht werden. Drei Herausforderungen stehen im Zentrum:

Wende zur klimaverträglichen Weltwirtschaft

Die Klimakonferenz Ende 2009 in Cancùn war ein Hoffnungsschimmer, aber lange kein Durchbruch. Im Verlauf der kommenden Dekade muss es weltweit gelingen, das Wachstum der Treibhausgasemissionen zu stoppen und eine dauerhafte Trendumkehr zu schaffen, um einen gefährlichen Klimawandel noch zu verhindern. Etwa 2,5 Tonnen pro Kopf – Emissionen pro Jahr kann sich die wachsende Weltbevölkerung zwischen heute und 2050 noch leisten. Derzeit emittieren die US-Amerikaner 20 Tonnen, die Europäer 10 und die Chinesen 5 Tonnen.

Prof. Dr. Dirk Messner (Foto: DIE)
Prof. Dr. Dirk Messner, DIE-DirektorBild: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), 2009

Drastische Weichenstellungen in eine klimaverträgliche Zukunft sind also notwendig. Das weltweite Energiesystem muss rasch auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden, der weltweite Urbanisierungsschub und wachsende Mobilität müssen klimaverträglich gestaltet werden. Eine große wirtschaftliche Transformation, eine grüne Gründerwelle, muss angestoßen werden, die die Grundstrukturen der Weltwirtschaft verändern würde: Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, universitäre Ausbildung, Städteplanung, Business Schools und die Entwicklungspolitik müssen auf klimaverträgliche Entwicklung ausgerichtet werden.

Weil sich die USA dieser Menschheitsherausforderung verweigern, liegen die Joker in Europa, China und Indien. Europa verfügt (noch) über Wettbewerbsvorteile bei grünen Technologien, China will mit seinem 12. Fünf-Jahresplan zeigen, dass umweltverträgliches Wachstum und Armutsbekämpfung zusammengehen können und Indien entwickelt ambitionierte grüne Energiestrategien. Könnten sich Europa, China und Indien auf ein anspruchsvolles gemeinsames Emissionshandelssystem einigen, würde weltweit eine grüne Innovationswelle angestoßen. Dies wäre ein lohnendes Projekt für die neu entstehende europäische Außenpolitik.

Afrika als Chancenkontinent

In etwa 30 Ländern der Erde geht die Armutsbekämpfung nicht voran. Hier verstärken sich Armut, Konflikte um Ressourcen, schlechte Regierungsführung und Staatenzerfall gegenseitig: Sudan, Kongo, Somalia, Afghanistan stehen für diese Teufelskreisläufe der Armut. Einfache Lösungen gibt es nicht: Langfristiges und arbeitsteiliges Engagement der internationalen Staatengemeinschaft, Zusammenwirken von Außen- Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, Transparenz auf den internationalen Rohstoffmärkten, Bekämpfung von Geldwäsche sind wichtige Stichworte. Doch viele arme Länder wachsen und reduzieren Armut, unter ihnen auch ehemalige Konfliktländer – trotz Weltwirtschaftskrise!

Knapp 20 afrikanische Ökonomien befinden sich auf einem viel versprechenden Weg, unten ihnen Gambia, Benin, Ruanda, Liberia, Malawi. Die Dynamik basiert, ähnlich wie in vielen lateinamerikanischen Ländern, auf ressourcenbasierten Exporten Richtung Asien. Dieses Entwicklungsmuster ist riskant. Um die Chancen des Wachstums zu nutzen und einen erneuten "Fluch der Ressourcen" zu verhindern, der in Korruption, der Bereicherung von Eliten und Gewalt mündet, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden. Ohne Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und kluges Ressourcenmanagement kann ressourcenbasierte Entwicklung nicht gelingen; nachhaltige und langfristorientierte Investitionen in Bildung und Innovation müssen dafür sorgen, dass in den Ländern eigenständige Wissenspotenziale entstehen und die Abhängigkeit von internationalen Beratern sinkt.

Der Aufbau von modernen Kommunikationsinfrastrukturen ist kein Luxus, sondern Bedingung für offene Regierungsführung; neue Chancen für Kleinbauern und Anschluss an die dynamischen Kerne der Weltwirtschaft; gerade in diesen Ländern gilt es, die günstigen naturräumlichen Bedingungen zu nutzen, und den wachsenden Energiebedarf aus erneuerbaren Ressourcen zu decken. Die Entwicklungspolitik sollte in diesen Ökonomien die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure stärken, die auf nachhaltige Modernisierung setzen. Sie sollte auch internationale Unternehmen, egal ob aus Europa, China oder Brasilien, dazu bewegen, sich auf gemeinsame Nachhaltigkeitsstandards für Investitionen und Ressourcenmanagement in Entwicklungsländern zu verpflichten. Dann besteht in der kommenden Dekade die Chance, die Zahl der ärmsten Länder deutlich zu reduzieren.

G 20 und Europa stärken

In der kommenden Dekade wird sich zeigen, ob die alten, westlichen Mächte und die Aufsteiger um China, Indien und Brasilien in einen Nullsummen-Wettbewerb um knapper werdende Ressourcen, Märkte, Macht und Verbündete abgleiten. Oder ob es im Rahmen der G 20 gelingt, ein Kooperationsklima zu schaffen, um die Menschheitsaufgaben des 21. Jahrhunderts anzugehen. Europa kann zu diesem Kooperationsklima beitragen, allerdings nur, wenn es endlich globale Verantwortung aktiv und weitsichtig wahrnimmt und lernt, strategisch zu handeln.

Dazu ist ein europäischer Kraftakt notwendig, denn bisher ist es der EU noch nicht einmal in der internationalen Klima- und Energiepolitik gelungen, zu einem Gravitationszentrum zu werden und wirksame Bündnisse für eine klimaverträgliche Zukunft zu schmieden. Verliert Europa in der kommenden Dekade weiter an Gestaltungskraft, werden die europäischen Kleinstaaten und Mittelmächte zu Spielbällen einer Globalisierung, die von anderen vorangetrieben wird.

Professor Dr. Dirk Messner ist Direktor des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn

"Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten und Think Tanks zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Das einzigartige wissenschaftliche Profil des DIE ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Forschung, Beratung und Ausbildung. Dadurch baut das DIE Brücken zwischen Theorie und Praxis der Entwicklungspolitik."

Redaktion: Monika Lohmüller