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Weg vom Geldsack

Merjam Wakili10. November 2002

Das kriegsgeplagte Afghanistan hat seine Währung, den Afghani, reformiert. Dies soll der Wirtschaft des Landes auf die Beine helfen. Zumindest die mittelalterlichen Zeiten des Geldsacks scheinen beendet.

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Afghanistan braucht keine Säcke mehr zum GeldtransportBild: AP

Wer er in Afghanistan etwas kaufen will, der brauchte bis vor kurzem keine Geldbörse, sondern einen Geldkarton oder wahlweise einen Geldsack. Besonders stabil sollte dieser Karton sein, wollte man Fremdwährungen gegen die einheimischen Afghanis tauschen. Je nach Kurs und Laune des Geldhändlers wog der Gegenwert von beispielsweise 1.000 Dollar um die zehn Kilo.

So etwa war die Situation in Afghanistan noch vor einem Monat, bevor die neuen Afghani-Scheine die alten ablösen sollten. Zwar braucht man nun immer noch eine Tüte, wenn man auf den Markt geht, doch muss diese nicht unbedingt mit Scheinen gefüllt sein. Denn Am 7. Oktober, dem Jahrestag der US-Angriffe auf Afghanistan, führte die Übergangsregierung unter Hamid Karsai eine neue einheitliche afghanische Währung ein. Ein neuer Afghani entspricht nun 1.000 alten Afghanis.

Verwirrende Vielfalt

Der afghanische Notenbank-Gouverneur Anwar-ul Haq Ahadi hat in diesen Tagen eine Menge zu tun, die alten Scheine, die in Afghanistan und den Nachbarländern im Umlauf sind, gegen die neuen umzutauschen. "Wir sammeln täglich 230 Milliarden alte Afghanis ein. Davon stammen 100 Milliarden aus den Nachbarländern."

Wie viele alte Scheine noch im Umlauf sind, weiß niemand so genau. Auch sorgten die unterschiedlichen Afghani-Serien für Verwirrung. Jedes Regime druckte seine eigene Währung. So kam es, dass je nach Gegend manche Serien als Taliban-, Hazara- oder Nord-Währung galten. Da konnte es sogar vorkommen, dass Händler den einen oder anderen Schein als Falschgeld ablehnten.

Das so genannte Regierungsgeld konnte hingegen in einigen Regionen doppelten Wert annehmen. Der Chef der Afghanistan Bank Ahadi sieht in der Einführung der neuen Afghanis das Ende der Währungsverwirrungen in seinem Land: "Der Druck der neuen Banknoten war absolut notwendig. Die Menschen mussten säckeweise Geld zum Einkaufen mitnehmen und waren sehr verwirrt. Außerdem wissen wir überhaupt nicht, wieviel altes Geld in wie vielen Versionen im Umlauf ist und wer es wo gedruckt hat. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, den Druck der Banknoten selbst zu kontrollieren und eine vernünftige Geldpolitik in Afghanistan wieder voranzutreiben, haben wir beschlossen, die neuen Banknoten einzuführen."

Land der Blüten

Ein Grund, warum es überhaupt zu solch einer Geldverwirrung in Afghanistan kommen konnte, liegt in der fehlenden Fälschungssicherheit der alten Banknoten. Mehr oder minder begabte Geldfälscher in Pakistan oder Russland hatten ein leichtes Spiel, Afghani-Blüten in Umlauf zu bringen.

Eine Münchner Firma hat den Druck der neuen afghanischen Banknoten im Wert von 16,5 Millionen Dollar übernommen. Finanziert hat den Druck die Afghanistan Bank selbst. Organisatorische Hilfe leistet unter anderem die Deutsche Bundesbank.

Sicherheit aus München

Werner Ehlers ist Berater der Deutschen Bundesbank im Geldumtausch-Projekt in Afghanistan. Er ist seit Ende Juni für technische und organisatorische Fragen zuständig und hält die neuen Afghanis für sehr fälschungssicher. In großen Teilbereichen entsprechen die Banknoten der Sicherheit sogar denen der ehemaligen D-Mark bzw. der jetzigen Euro-Noten, d.h. die großen Stückelungen haben sogar Hologramme. "Also die Währung ist wesentlich besser als die Dollars oder die bisherige afghanische Währung, so dass also dort Fälschungen weitgehend erschwert werden", sagt Ehlers.

Beim Design der Scheine galt es, möglichst neutrale Motive und nicht etwa historische Persönlichkeiten zu wählen, um ethnische Konflikte und Verwirrungen zu vermeiden. Ähnlich ist es bei den Motiven auf den Euro-Scheinen. Dort sind keine bestimmten Personen oder Gebäude abgebildet, um keine europäische Nation zu bevorzugen

Mangelnde Stabilität

Schönheit und Sicherheit sind freilich kein Garant für das Wichtigste Kriterium einer Währung: Stabilität. Die neuen Afghanis haben seit ihrer Einführung schon etwa ein Fünftel an Wert verloren. Für einen US-Dollar verlangen Geldhändler nun etwas mehr als 50 Afghanis. Die anfängliche Euphorie der Menschen in Afghanistan lässt darum bereits wieder nach.

Um eine erneute Inflation zu verhindern, versucht die Afghanistan Bank den Umtauschkurs zu steuern. Sie verkauft derzeit US-Dollars und kauft dafür alte Afghanis. "Erst nach der Übergangszeit werden wir sehen", so der Notenbank-Chef Ahadi, "wo der tatsächliche Wert der neuen Afghanis liegt." Darüber wird dann der Markt entscheiden.