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Generationswechsel

8. Dezember 2009

Mitglied werden im Nobelkomitee - das ist gar nicht so einfach. Das Durchschnittsalter liegt bei über 60 Jahren. Doch jetzt kommt ein noch recht junges Gesicht hinzu: die Schriftstellerin Lotta Lotass.

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Lotta Lotass (Foto: dpa)
Lotta Lotass (geb. 1964)Bild: picture-alliance/ dpa

Erst wenn ein Mitglied verstorben ist, kann ein Neues gewählt werden - so lauten die Statuten der Schwedischen Akademie. Sie stammen aus dem Jahr 1896 und gelten bis heute. Daran hat man sich auch diesmal gehalten: Lotta Lotass tritt die Nachfolge Sten Rudholms an, der letztes Jahr im Alter von 90 Jahren gestorben ist.

Trotzdem eine Überraschung

Mit einer anderen Tradition hat die Schwedische Akademie jedoch gebrochen. Sten Rudholm war Jurist, auf seinen Stuhl hätte traditionellerweise ebenfalls ein Jurist folgen müssen. Lotta Lotass aber ist Schriftstellerin, darüber hinaus eine, die bekannt ist für ihre Themen abseits vom Mainstream.

Die schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm (Foto: dpa)
Die schwedische Akademie der Wissenschaften in StockholmBild: picture-alliance / dpa

Bekannt wurde die Göteburger Literaturwissenschaftlerin Anfang des Jahrtausends mit ihrem Romandebut "Kallkällan". Sie blieb im Gespräch, zumal sie seitdem jährlich mit einem neuen Buch herauskommt. Ihre Romane handeln von Polarforschern, Fliegern, von Astronauten und Konstrukteuren. Es sind fiktive Autobiographien von Menschen, die ausgezogen sind, Grenzen zu überschreiten und menschliche Fähigkeiten auszuloten. Was sie vereint, sind Einsamkeit, Entdeckerwille und Sehnsucht zum Jenseitigen.

Dabei präsentiert Lotass ihre Geschichten stets mit einer Fülle technischer Details, mit Klino- und Hydrometern, Höhenangaben und Windrichtungen, mit Begriffen, die manchmal aus einer anderen Epoche zu stammen scheinen. Auf einem ihr gewidmeten Porträtabend erzählt sie, dass sie viel ältere wissenschaftliche Literatur, beispielsweise Handbücher über Technik, Elektronik, Mechanik und Meteorologie lese. Sie möge diese alten, beinahe vergessenen Wörter und versuche sie in ihre Literatur einfließen zu lassen.

Von trockenen Fachtermini zum feinsinnigen Prosatext

Von bleibendem Eindruck sind jedoch nicht all die technischen Beschreibungen und die Fragmente, die aus Log- und Tagebüchern stammen könnten, sondern Lotass sprachliche Virtuosität und vor allem ihr musikalisches Sprachgefühl. Beides zieht sich wie ein roter Faden durch all ihre Bücher. Auch in der deutschen Übersetzung gehen diese sprachlichen Finessen nicht verloren.

Das Innenleben ihrer Romanfiguren interessiert Lotass dabei weniger. Vielmehr will sie die Atmosphäre, die Stimmung und Umgebung ihrer Helden einfangen, all das, was größer ist als der Mensch, all das, was ihn durchdringt. In ihrem auf Deutsch erschienenen Roman "Dritte Fluggeschwindigkeit" schildert Lotass beispielsweise, welche körperlichen Strapazen Juri Gagarin auf sich nehmen musste, um sich auf seine Reise ins Weltall vorzubereiten.

Für das Image und die Akzeptanz der Schwedischen Akademie ist das neue Mitglied sicher ein Gewinn, denn die scheue Schriftstellerin wird in Schweden hoch geschätzt, hat alle wichtigen Literaturpreise erhalten und präsentiert mit ihrem eigenwilligen, lyrischen und doch kontrollierten Stil eine neue Autorengeneration, die weit entfernt von den Schwedenkrimis, die Generation um Kerstin Eckman und Per Ole Enqvist ablösen wird. Nicht nur sprachlich, sondern eben auch thematisch. Vom Dorf, von der schwedischen Idylle, hinaus ins Weltall. Welche Auswirkungen das auf die Wahl künftiger Nobelpreisträger haben wird, darauf darf man gespannt sein.

Autor: Daphne Springhorn
Redaktion: Petra Lambeck