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Probleme nehmen zu

14. März 2012

Das 6. Weltwasserforum in Marseille steht unter dem Motto "Zeit für Lösungen" - doch die sind zwischen Hunderten von Workshops, Ausstellungen und Symposien schwer zu finden.

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USA, California, Death Valley National Park, Badwater point
Bild: picture-alliance/beyond/Tips RF

Auf den ersten Blick sieht es eigentlich ganz gut aus. Die Millenniumsziele sind beim Thema Zugang zu sauberem Trinkwasser - dank deutlicher Verbesserungen bei den beiden bevölkerungsreichsten Ländern Indien und China - bereits erreicht. Immerhin neun von zehn Menschen weltweit verfügen nach Angaben der UN heute über sauberes Trinkwasser - zwei Milliarden Menschen mehr als noch 1990. Dreht man die Statistik um, heißt das jedoch auch, dass elf Prozent der Weltbevölkerung immer noch jeden Tag verschmutztes Wasser trinken - das sind 783 Millionen Menschen. Bei den sanitären Anlagen sieht es noch schlimmer aus. Rund 1,1 Milliarden Menschen stehen keine Toiletten zur Verfügung. Und jeden Tag sterben 3000 Kinder an Durchfallerkrankungen.

"Es ist Zeit für Lösungen" lautet deshalb das Motto der 6. Weltwasserkonferenz, die am Montag (12.03.2012) in Marseille ihre Pforten geöffnet hat. Bis zum Wochenende werden Minister, Firmenvertreter, staatliche und Nichtregierungsorganisationen, Jugendvertreter und Initiativen - rund 20.000 Teilnehmer - über Vorschläge für eine bessere Versorgung mit Trinkwasser und Sanitäranlagen debattieren und Lösungen präsentieren. Zahlreiche Side-Events, Ausstellungen und Messestände sowie zum ersten Mal auch ein "Dorf der Lösungen" mit konkreten Projektbeispielen flankieren das offizielle Programm.

Maggie White, von der NGO Butterfly Efect, auf dem Weltwasserforum in Marseille (Foto: DW/ M. Hoegen)
"Wir brauchen lokale Lösungen", sagt Maggie White von der NGO Butterfly EffectBild: Monika Hoegen

Rund 800 Stunden Debatten und Diskussionen sind vorgesehen. Benedeto Braga, der Präsident des Internationalen Komitees des Forums, betonte bei der Eröffnungszeremonie in Marseille: "Wasser verdient klare und transparente Debatten." Wie diese allerdings aussehen sollen, da gehen die Ansichten bei den Debatten dann doch schnell auseinander.

Global oder lokal?

Für den französischen Premierminister François Fillon gibt es nur einen Weg - ein globales Wassermanagement, das in ein starkes und kohärentes globales Umweltmanagement eingebettet sein müsste. Maggie White, die Repräsentantin von Butterfly Effect, einem Zusammenschluss von rund 90 Nichtregierungsorganisationen, ist dagegen ganz anderer Meinung: "Wir brauchen eigentlich kein weiteres riesiges internationales Gebilde. Wir müssen die vorhandenen Erkenntnisse auf lokaler und nationaler Ebene effektiv umsetzen. Denn dort werden die Entscheidungen gefällt, dort sollten auch die Gelder hingehen."

Konferenz: Wasser wird immer knapper

So ähnlich denkt auch Sidam Ahmoudem aus dem Norden Malis, der die Konferenzteilnehmer bei der Eröffnung mit einer eindringlichen Schilderung der Wassermisere in seinem Dorf zum Nachdenken brachte. "Ich denke, um die Wasserprobleme in meiner Region zu lösen, muss man zuerst die Bevölkerung dort ansprechen", so Ahmoudem. "Denn niemand sonst weiß, unter welchen Bedingungen sie leben."

Attac organisiert alternatives Forum

Dass generell auf dem Weltwasserforum eigentlich nicht die richtigen Leute vertreten sind, ist der Vorwurf von Attac und einigen anderen Organisationen, die ab Mittwoch ein eigenes, alternatives Forum in Marseille organisieren. Sie werfen der offiziellen Veranstaltung vor, von den großen - vor allem französischen - Wasserkonzernen manipuliert zu sein.

Maggie White von Butterfly Reflect sieht das differenzierter. Zwar sei die Kritik im Hinblick auf die früheren Weltwasserforen berechtigt gewesen, doch schon bei der Vorbereitung für Marseille habe die Zivilgesellschaft durchaus ein Mitspracherecht gehabt. "Und jetzt sind lokale Autoritäten vertreten, Parlamentarier sind da und auch Minister", so White. "Natürlich sind auch noch Firmen da, denn manche Lösungen kommen tatsächlich von kleinen oder mittelständischen Firmen, nicht nur von den großen Unternehmen. Es geht darum, die Energie aller Teilnehmer zusammenzubringen und zu verhindern, dass es nur einen Hauptakteur gibt."

Wasser wird knapper

Richard Connor, Autor des 4. UN-Weltwasserberichts (Foto: DW/ M. Hoegen)
"Politiker ignorieren die Wasserproblematik", sagt UN-Wasserexperte Richard ConnorBild: Monika Hoegen

Leichter wird das in Zukunft nicht werden. Denn laut dem 4. Weltwasserreport von UN Water, der zur Eröffnung des Weltwasserforums in Marseille vorgestellt wurde, ist das Hauptproblem nicht allein der Wassermangel. Die zunehmende Wasserverschmutzung, etwa durch Industrie und Landwirtschaft, sowie der Klimawandel verschärfen das globale Wasserproblem.

Der Report schätzt, dass bis Mitte des Jahrhunderts weltweit 70 Prozent mehr Lebensmittel benötigt werden, um die Weltbevölkerung von dann möglicherweise neun Milliarden Menschen zu ernähren. Das würde fast ein Fünftel der weltweiten Wasserressourcen zusätzlich verbrauchen.

Um Lösungen zu finden, müssten die verschiedenen Bereiche zusammen gesehen werden, sagt Richard Connor, Hauptautor des UN-Reports, "aber die Entscheidungen, die Politiker treffen, werden meistens mit Blick auf Ernährungssicherheit oder Energieversorgung getroffen. Wasser wird ignoriert. Und deshalb sind die Auswirkungen so gravierend."

Autorin: Monika Hoegen / Marseille
Redaktion: Mirjam Gehrke