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Wasser fördert die Entwicklung

Karin Jäger23. August 2015

Menschen mit Eimern laufen zu weit entfernten Wasserstellen, in denen dann krankmachende Keime lauern. Ein Klischee? In Leffé in Kamerun ist das Realität. Eine Initiative will kurze Wege für sauberes Wasser schaffen.

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Kamerun Wasserprojekt Leffé EINSCHRÄNKUNG
Bild: Hugues Tsannang

Hugues Tsannang war bei seiner Oma in Leffé zu Besuch. Ein Urlaub, den er nicht vergessen hat. Der Junge wohnte damals mit seinen Eltern in der Stadt Dschang in Westkamerun. Dort gab es Wasserleitungen. Das benachbarte Dorf Leffé aber liegt 1500 Meter über dem Meeresspiegel. Es wurde auf mehreren Hügel gebaut. Leitungen zu verlegen war schwierig. Außerdem sprudeln die Quellen im Tal. Dort sollte Hugues Wasser holen - wie alle Dorfkinder. Denn für die älteren Bewohner Leffés war der Weg zu steil, die jüngeren Erwachsenen arbeiteten auf den Feldern.

Das Laufen und das lange Warten an der Wasserstelle ermüdeten den damals Fünfjährigen. Und dann passierte ihm auch noch ein Malheur: Auf dem Rückweg rutschte ihm der volle, schwere Zehn-Liter-Kanister vom Kopf. Das wertvolle Wasser ergoss sich über den Boden. "Es war so anstrengend, und ich kam ohne Kanister zurück, weil der kaputt gegangen war. Meine Oma war ziemlich sauer, weil ich nicht schaffte, was für andere Kinder im Dorf selbstverständlich war."

Das Schlüsselerlebnis

Als er 2010, mehr als 20 Jahren später, nach Leffé zurückkehrte und wieder Wasser schleppende Kinder sah, war Hugues Tsannang entsetzt: "Das hat mich an meine Kindheit erinnert. Noch immer mussten die Kinder weite Wege zum Brunnen zurücklegen, um dann verschmutztes Wasser zu schöpfen." Tsannang studierte Maschinenbau im nordrhein-westfälischen Siegen. In Leffé wollte er ein Praktikum machen. Im Gespräch mit Dorfbewohnern erfuhr der angehende Ingenieur vom Mühsal, an sauberes Trinkwasser zu kommen.

Kamerun Wasserprojekt Leffé EINSCHRÄNKUNG
Renate Helm und Hugues Tsannang: Gemeinsam für sauberes WasserBild: Huges Tsannang

Der Bach im Dorf ist verschmutzt durch den Staub, den Autos auf der parallel verlaufenden Straße aufwirbeln. In Tümpeln lauern Keime, die Infektionskrankheiten wie Cholera, Diarrhö oder Thypus auslösen. Und der Wassertank aus der Kolonialzeit hatte in den 1970er Jahren seinen Dienst versagt. Die Regierung verbot die Reparatur, weil im Dorf die Oppositionspartei die Mehrheit stellte.

Selbst Regenwasser, in der Regenzeit von Mitte März bis Mitte November gesammelt, sei zum Trinken ungeeignet, weil es auf Dächer fällt, die mit Straßenstaub oder Asche vom Kochen und durch Brandrodungen verschmutzt sind, beschreibt Tsannang die Lage.

Die Idee der Afrikaner und die Hilfe der Deutschen

Im Dorf gab es die Idee, eine Trinkwasseranlage zu bauen. Aber es fehlte an Geld und technischem Knowhow. "Nach meiner Rückkehr habe ich Frau Helm von der Evangelischen Studierendengemeinde Siegen (Anm. kurz ESG) davon erzählt. Denn mein Ziel war es, die Arbeit der Kinder zu erleichtern", erzählt Tsannang.

Ein Kommilitone aus Kamerun hatte in Siegen seine Diplomarbeit über Wassertransportsysteme geschrieben. Durch ihn habe er sich das technische Wissen angeeignet, sagt der 31-jährige. Renate Helm, Politik- und Entwicklungswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Afrika gelang es, ein engagiertes Team an der Uni Siegen zusammenzustellen, "aus Laien, ohne einen Wasserwirtschafts-Experten", betont die Dozentin schmunzelnd. Auch sie kennt inzwischen die Zusammenhänge zwischen den notwendigen Brunnen, Pumpen, Rohrleitungen, dem Hydrozyklon zur Reinhaltung der Leitungen, Desinfektions- und Filteranlagen und Wasserbehälter.

Das Solidaritätsprinzip der Bewohner Leffés

Helm war von Beginn an begeistert von dem Vorhaben, ein Wasserversorgungssystem zu bauen für die 3000 Menschen in Leffé: "60 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Sie sind nicht in der Lage, Wasser zu kaufen", bedauert Helm. "Diejenigen, die zu einer der acht Zapfstellen gehen, sollen das Wasser kostenlos bekommen. Die wohlhabenden Bewohner, die sich Hausanschlüsse leisten können, müssen für den Verbrauch bezahlen, den man dann an Wasseruhren ablesen kann."

Kamerun Wasserprojekt Leffé EINSCHRÄNKUNG
Alle packen mit an! Bürger Leffés beim Verlegen der WasserleitungenBild: Huges Tsannang

Auch für Wartung und Instandhaltung gebe es Konzepte der Dorfgemeinschaft, so dass keiner vom Zugang zu sauberem Trinkwasser ausgeschlossen werde, erklärt Renate Helm.

Kirchen, Hilfsorganisationen, Unternehmen und Privatleute in Deutschland unterstützen das Projekt seit 2011, das ausschließlich von Bewohnern Leffés und ortsansässigen Firmen umgesetzt wird. Und das doch immer wieder für einige Monate zum Erliegen kommt, weil es der ESG noch nicht gelungen ist, die benötigten 80.000 Euro zusammenzubekommen. Immerhin steht der Wassersammelbehälter schon - direkt an der Schule.

Kamerun Wasserprojekt Leffé EINSCHRÄNKUNG
Geschafft! Der Trinkwasser-Brunnen ist fertigBild: Hugues Tsannang

Damit soll gewährleistet werden, dass die Kinder künftig für hochwertiges Trinkwasser nur kurze Wege zurücklegen müssen. "Alle achten darauf, dass die bereits fertigen Anlagen nicht beschädigt werden, weil alle sauberes Wasser haben wollen", sagt Renate Helm.

Es gibt viel zu tun

Ende des Jahres soll die Anlage fertig sein. Und dann steht schon das nächste Projekt an, so die engagierte Hochschullehrerin: "Das Dorf hat eine Schule, ein Kulturzentrum, es gibt Stromanschlüsse, aber noch kein Abwassersystem, keine Kanalisation und keine Wasserwiederaufbereitung."

Und wo will sich Hugues Tsannang künftig engagieren? Nach seinem Abschluss an der Uni Siegen möchte er einige Zeit in Deutschland arbeiten, um Berufserfahrung zu sammeln. Danach möchte er unbedingt in seine Heimat zurückkehren: "Ich habe durch das Wasserprojekt sehr viel gelernt, um mich auf dem Sektor sozial zu engagieren. Ich möchte, dass mein Land und ganz Afrika davon profitieren. Ich möchte den Leuten das Trinkwasser ins Haus bringen."