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Politik

Washingtons toxische Kreml-Liste

Roman Goncharenko
30. Januar 2018

Nach der Spannung der letzten Tage reagiert Russland mit Spott auf den sogenannten Kreml-Bericht der US-Regierung, der als Vorlage für künftige Sanktionen dienen soll. Auch aus Fachkreisen gibt es Kritik.

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Symbolbild Beziehungen USA Russland Kalter Krieg
Bild: picture-alliance/chromorange

Am Dienstag schlug die zuletzt stets steigende Spannung in Spott um. Der "Kreml-Bericht" der US-Regierung sei eine Lachnummer, heißt es in den russischen Medien. Präsident Wladimir Putin sprach von einem "unfreundlichen Vorgang" und bedauerte spöttisch, nicht auf der Washingtoner Liste zu stehen. Russland werde darauf zunächst nicht reagieren.

Montag war der Stichtag für das US-Finanzministerium, dem Kongress einen detaillierten Bericht über russische Oligarchen und Spitzenbeamte vorzulegen, gestaffelt nach ihrem Vermögen und ihrer Nähe zum Kreml. So steht es in einem Gesetz, das der US-Kongress im Sommer 2017 als Antwort auf Russlands Vorgehen in der Ukraine und als Reaktion auf die russische Einmischung in die US-Präsidentenwahl 2016 verabschiedete. Außerdem wurde erwartet, dass im Bericht Verbindungen dieser Russen zu den Schlüsselbranchen der US-Wirtschaft und mögliche Korruptionsfälle beschrieben werden.

Menschenrechtler neben Oligarchen

Kurz vor Mitternacht veröffentlichte das Finanzministerium in Washington eine Liste mit 210 Namen. Darin findet sich die ganze Regierung mit Ministerpräsident Dmitrij Medwedew an der Spitze, Mitarbeiter der Präsidialverwaltung und rund 100 Oligarchen, deren Vermögen nach Washingtons Einschätzung eine Milliarde US-Dollar übersteigt. Ein Teil der erwähnten Personen ist bereits von früheren US-Sanktionen betroffen.

Russland Parlamentswahlen Putin und Medwedew Wahlparty
Nicht auf der Liste: Wladimir Putin (r.), hier mit Dmitrij Medwedew, der auf der Liste stehtBild: picture-alliance/dpa/Y. Shtukina/Russian Government Press Office

Zu den Überraschungen auf dieser Liste zählen etwa der Vorsitzende des präsidialen Menschenrechtsrates, Michail Fedotow, oder die Beauftragte des Präsidenten für Kinderrechte, Anna Kusnezowa. "Die Liste wurde offenbar auf der Grundlage eines Telefonverzeichnisses der Präsidialverwaltung gemacht", sagte Fedotow der DW. "Ich hätte nie gedacht, dass solche Listen auf so einer sinnlosen Grundlage gemacht werden." So sei die Menschenrechtsbeauftragte Tatiana Moskalkowa nicht dabei, offenbar "weil sie in einem anderen Verzeichnis" stehe. Fedotow sagt, dass er keine Konsequenzen erwarte, da er kein Geld und keine Immobilien in den USA besitze: "Ich habe nichts zu befürchten."

Eine Liste im Sinne Putins?

Neu auf der Liste ist auch Jewgenij Kaspersky, der Gründer des russischen Softwareunternehmens mit dem Schwerpunkt Sicherheit. In den USA ist es staatlichen Stellen neuerdings untersagt, seine Software zu nutzen. Die amerikanischen Behörden vermuten, dass russische Geheimdienste Kaspersky-Produkte für Spionage nutzen. Kaspersky selbst bestreitet jegliche Zusammenarbeit mit Geheimdiensten.

Der Bericht war vom Kongress als Vorlage für künftige Sanktionen konzipiert. Ob und wann diese folgen, ist noch unklar. Die US-Regierung teilte am Montag mit, aus ihrer Sicht seien weitere Sanktionen zunächst nicht erforderlich, da etwa die russische Waffenindustrie bereits Milliarden verloren hätte.

In Fachkreisen löste die Publikation gemischte Reaktionen aus. Anders Aslund von der Washingtoner Denkfabrik The Atlantic Council sagt, die Liste entspreche nicht den im Gesetz beschriebenen Kriterien. Sie enthalte "zu viele Namen, falsche Namen, und der innere Kreis um Putin fehlt teilweise", sagte Aslund der DW.  Der Experte wirft der Trump-Administration eine Schwächung der US-Sanktionen gegen Russland vor. Der Sinn des Kreml-Berichts sei, die russischen Eliten zu spalten. Eine zu weit gefasste Liste sei eher im Sinne Putins, der wolle, dass "alle in einem Boot sitzen".

Zunächst keine neuen Sanktionen

Der russische Oppositionspolitiker und ehemalige Ministerpräsident Michail Kassjanow meint, die Liste sei ein Warnsignal an die russischen Eliten, die jederzeit mit Sanktionen rechnen müssten. "Es ist ein Signal nach dem Motto: Wir beobachten euch, ihr seid bei uns unter der Lupe", sagte Kassjanow der DW. Die Liste sei auch ohne Sanktionen ein Schlag für den guten Ruf russischer Politiker und Geschäftsleute: "Die westlichen Banken werden sehr vorsichtig mit ihnen zusammenarbeiten. Manche könnten ihnen sogar nahelegen, Konten zu schließen."

Russland Parteitag Parnas Parteivorsitzender Michail Michailowitsch Kassjanow
Michail Kassjanow: Warnsignal an die russischen ElitenBild: picture-alliance/dpa/A. Korotayev

Die Gefahr des Berichts und möglicher künftiger Sanktionen bestehe darin, dass "Russland ein toxisches Land" werde, ein Land, mit dem es riskant sein könnte, Geschäfte zu machen, warnt Alexander Baunow vom Moskauer Carnegie-Zentrum.

Unklar bleibt bisher, was in dem nicht öffentlichen Teil des Berichts steht. Ian Bremmer, Außenpolitikexperte und Leiter der US-Beraterfirma Eurasia Group, glaubt, das dieser unveröffentlichte Teil "Details von Korruptionsverbindungen" enthalte. Neue US-Sanktionen gegen Russland erwartet Bremmer zunächst nicht.