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Was nun, Signore Draghi?

5. August 2012

Was will der Mann aus Italien: den Euro retten oder sein eigenes Land? Die Debatte über den Kurs von EZB-Chef Mario Draghi geht weiter. Von einem "Super-Mario" sprechen in der deutschen Politik zur Zeit nur wenige.

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EZB-Chef Mario Draghi (Foto: AP)
Bild: ap

Vor allem die CSU hat Draghi ins Visier genommen. Stein des Anstosses ist die grundsätzliche Bereitschaft der Europäischen Zentralbank unter Draghis Führung, massiv Anleihen von Euro-Krisenländern aufzukaufen. "Die EZB geht einen gefährlichen Weg. Sie darf sich nicht vom Währungshüter zur Inflationsbank entwickeln", sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder. Sein Parteifreund, der ohnehin um einen rustikales Wort nicht verlegene CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, hatte Draghi zuvor vorgeworfen, die EZB für italienische Interessen zu missbrauchen. "Es ist auffällig, dass Draghi immer dann aktiv wird und über die EZB Staatsanleihen kaufen will, wenn es in Italien mal wieder eng wird", sagte Dobrindt dem Berliner "Tagesspiegel".

Alles nur Parteiengezänk?

Diese Behauptung sei eine "Ungeheuerlichkeit", entgegnete nicht Draghi selbst, sondern der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier. Eine Regierungspartei wie die CSU dürfe nicht die Unabhängigkeit des EZB-Präsidenten anzweifeln. Der SPD-Politiker forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich von den Vorwürfen ihres Koalitionspartners CSU zu distanzieren. Diese könnten sonst dem Ansehen Deutschlands und der Autorität der EZB schaden. Steinmeier fügte hinzu, Draghi tue genau das, "was die europäischen Regierungschefs samt Merkel erwarten". 

Euro-Rettung: Draghis Doppelstrategie

Geldwertstabilität in Gefahr

Sollte es sich bei den Einlassungen der deutschen Politiker am Ende also nur um Wahlkampf und Parteientaktik handeln. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte unlängst scharf kritisiert, dass Deutschland es sich leiste, mit dem Thema Eurorettung die innenpolitische Debatte anzuheizen. Allerdings kommt Kritik an Draghis Kurs nicht nur aus politischen Reihen.

So kritisiert auch der frühere Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, die Pläne des Italieners. "Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet", sagte Issing der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". In der EZB-Bilanz könnten sich massenweise Staatspapiere mit minderem Wert ansammeln. "Müssen die Papiere abgeschrieben werden, stehen dafür am Ende die Steuerzahler gerade." Das Gegenargument, die Zentralbank könne später die ausgegebene Liquidität "problemlos" wieder einsammeln, nannte Issing "leichtfertiges Gerede". Auch das frühere EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark blieb bei seiner Kritik an den Anleihekäufen.

Finanzexperte Otmar Issing Foto: apn
In Sorge um den Wert des Geldes: Finanzexperte Otmar IssingBild: AP

Dass der amtierende Bundesbankpräsident Jens Weidmann in der vergangenen Woche – als einziger – in der Sitzung des EZB-Rates gegen weitere Ankäufe von Staatsanleihen gestimmt hat, findet in der Berliner Regierungskoalition durchaus Zustimmung. Der Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sagte im Deutschlandfunk, es müsse immer auch einen Vernünftigen geben, der dafür sorge, dass die Dinge nicht ganz aus dem Ruder liefen.

Also: was nun, Signore Draghi? Liegt der EZB-Chef völlig falsch? Der Attackierte, der um die Wirkung jedes einzelnen Wortes weiß, schweigt vorerst. Dafür äußert sich sein italienischer Landsmann, Ministerpräsident Mario Monti. "Die Spannungen, die in den letzten Jahren die Euro-Zone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas", sagte Monti dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der italienische Regierungschef empfahl sich und seinen EU-Kollegen, Handlungsfreiheit auch gegenüber den eigenen Parlamenten zu behaupten: "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als die engere Integration."

Italiens Regierungschef Mario Monti (Foto: Reuters)
In Sorge um den Zusammenhalt der EU: Italiens Regierungschef Mario MontiBild: DW

ml/sc (dpa, dapd, rtr)