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Politik

Was man über Nawalny wissen muss

Roman Goncharenko
30. Januar 2018

Alexej Nawalny gilt als der einflussreichste Oppositionspolitiker in Russland. Zur Präsidentenwahl im März wurde er nicht zugelassen. Jetzt ruft er zum Wahlboykott auf. Wer ist der Mann?

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Alexey Nawalny
Bild: picture-alliance/abaca/A. Finistre

Mehrere tausend Menschen protestierten am Sonntag in ganz Russland gegen die Präsidentenwahl im März, bei der der Amtsinhaber Wladimir Putin zum vierten Mal gewählt werden dürfte. Es gab hunderte Festnahmen - einige der Versammlungen, etwa die in der Moskauer Stadtmitte, waren nicht genehmigt worden. Aufgerufen zu dem "Wählerstreik" hat der Mann, der bei der Wahl wegen einer Bewährungsstrafe überhaupt nicht antreten darf: Alexej Nawalny. Der 41-Jährige gilt als der einflussreichste Oppositionspolitiker in Russland. Wie kein anderer kann er die Massen landesweit für Protestaktionen mobilisieren. Sein jüngster Aufruf war allerdings nicht so erfolgreich wie der im März 2017, als rund 20.000 Menschen gegen Korruption und die derzeitige Regierung auf die Straßen gingen.

Von der Präsidentenwahl ausgeschlossen

Als erster kündigte Nawalny bereits 2016 seine Präsidentschaftskandidatur an und baute ein Netzwerk von Wahlbüros von Kaliningrad bis Wladiwostok auf. Dabei ahnte er offenbar, dass er an der Wahl nicht würde teilnehmen dürfen. Im Dezember 2017 bekam Nawalny den offizielle Bescheid von der Zentralen Wahlkommission. Die Begründung für die Ablehnung: eine Verurteilung wegen Wirtschaftsverbrechen.

Demonstration der Nawalny-Anhängern in Moskau, 28. Januar 2018
Aufruf zum Wahlboykott: Am 28. Januar protestierten Nawalny-Anhänger in ganz RusslandBild: Reuters/M. Shemetov

Gegen Nawalny gab es schon mehrere Ermittlungsverfahren. In zwei Fällen wurde er rechtskräftig zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Im ersten Fall urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2016, dass der Prozess wegen angeblicher Unterschlagung beim staatlichen Holzbetrieb Kirowles im Gebiet Kirow willkürlich geführt worden sei. Einen politischen Hintergrund sahen die Richter in Straßburg allerdings nicht. Der Prozess wurde neu aufgerollt, Nawalny und sein Geschäftspartner wurden im Februar 2017 erneut verurteilt. Das Ministerkomitee des Europarats kam im September 2017 zu dem Schluss, dass die Entscheidung des EGMR unvollständig umgesetzt wurde und appellierte an Russland, Nawalny als Präsidentschaftskandidaten zuzulassen. Moskau sah darin eine Einmischung in innere Angelegenheiten.  

Ähnlich war es im zweiten Fall: Nawalny und sein Bruder Oleg wurden beschuldigt, die russischen Tochter des französischen Kosmetikkonzerns Yves Rocher um rund 26 Millionen Rubel betrogen zu haben. Der EGMR gab am 17. Oktober 2017 seine Entscheidung bekannt, wonach der Prozess gegen Nawalny und seinen Bruder unfair, die Entscheidung der russischen Richter willkürlich gewesen sei. Eine politische Motivation wurde nicht festgestellt. 

Vom Blogger zum Oppositionsführer

Der 1976 bei Moskau geborene Nawalny studierte Jura und begann seine politische Karriere in der traditionsreichen liberalen Jabloko-Partei, wurde jedoch ausgeschlossen. Parteigründer Grigori Jawlinski begründete den Ausschluss mit Nawalnys nationalistischen Ansichten. Nawalny engagierte sich dann beim "Russischen Marsch", einer Bewegung rechtsnationaler, rechtsextremer und fremdenfeindlichen Kräfte. Später distanzierte er sich teilweise davon. 

Demonstrationen in Wladiwostok Russland Anhänger Navalny
"Ich habe keine (Aus-)Wahl": Plakat einer Demonstrantin in WladiwostokBild: picture-alliance/AP Photo/A. Khitrov

Es ist vor allem das Internet, dem Nawalny seine Popularität verdankt, denn im russischen Fernsehen wird der Oppositionspolitiker ausschließlich als eine Marionette des Westens dargestellt. Zunächst machte sich Nawalny einen Namen als Blogger und Kämpfer gegen die Korruption mit einer großen Gefolgschaft im Netz. Allein bei YouTube hat er rund 1,6 Millionen Abonnenten.

Sein Markenzeichen, eine Mischung aus Spott und Ironie, kommt offenbar gut an. Bei Protesten gegen die Parlamentswahl Ende 2011 brandmarkte Nawalny die Kreml-Partei "Geeintes Russland" als die "Partei der Gauner und Diebe". Dieser Ausdruck traf in der Gesellschaft einen Nerv. Während der damaligen Straßenproteste in Moskau war Nawalny einer der Oppositionsführer. Jetzt beansprucht er diese Rolle für sich allein und wird dafür auch kritisiert.

Seit über einem Jahr macht der Politiker mit aufwendig produzierten Videos über die Korruption russischer Eliten auf sich aufmerksam und nimmt dabei mal den Generalstaatsanwalt, mal den Ministerpräsidenten ins Visier.

Kämpfen für den Wahlboykott

Ansichten eines Putin-Gegners

Nawalny positioniert sich als liberaler Politiker und Hauptherausforderer des Präsidenten Putin. In seinem Wahlprogramm verspricht Nawalny eine "Anti-Korruptions-Revolution", eine Erhöhung der Mindestlöhne, den Bau neuer Straßen und Krankenhäuser. In der Außenpolitik verspricht er, die von Russland im Ausland geführten Kriege, etwa in der Ukraine und Syrien, zu beenden. In der Frage der Annexion der Halbinsel Krim bleibt er jedoch vage und verspricht "eine legitime Lösung im Sinne der Lokalbevölkerung".    

Starke und schwache Stellen eines Jungpolitikers

Nawalnys bisher größter politischer Erfolg war die Teilnahme an der Bürgermeisterwahl in Moskau 2013, bei der er mit rund 27 Prozent der Stimmen den zweiten Platz erreichte. Russlandweit ist seine Bekanntheit seitdem zwar gestiegen, seine Beliebtheit bleibt jedoch im unteren einstelligen Bereich.

Wie kein anderer russischer Politiker hat Nawalny vor allem die junge Generation auf seiner Seite. Bei den Protesten im Jahr 2017 folgten besonders viele Schüler seinem Aufruf. Manche sehen darin seinen größten Nachteil, denn die breiten Bevölkerungsschichten blieben für den Oppositionspolitiker bisher unerreichbar. Nawalny hat keine starke Partei hinter sich. Seine 2012 gegründete Partei des Fortschritts wurde von russischen Behörden nicht registriert.