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Was Kokabauern erzählen

Aufgezeichnet von Steffen Leidel 25. November 2006

Es gibt zwei große Koka-Anbaugebiete in Bolivien. Im einen ist es legal Koka anzubauen, dafür bekommt man Rückenschmerzen. Im anderen wuchert der Kokastrauch, doch es stören die Mücken. Zwei Bauern erzählen.

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Felipe auf seinem Kokafeld
Bauer Felipe auf seinem KokafeldBild: DW/Steffen Leidel

Wer es erst einmal bis zum Kokafeld von Epifanio geschafft hat, kann aufatmen. Auf der Fahrt dorthin ist es aber ziemlich wahrscheinlich, dass der Atem immer wieder stockt. Wer über La Paz in die tropischen Täler der Yungas fährt, muss zunächst die angeblich "gefährlichste Straße der Welt" überstehen. Von über 4600 Metern stürzt die Passstraße über 3000 Meter in die Tiefe, schlängelt sich an senkrechten Berghängen vorbei hinunter in die tief eingeschnittenen Täler. Die Landschaft ist grandios, doch die Straße ist verdammt eng und rutschig.

Straße in den Yungas
An den Straßenrändern in den Yungas stehen viele Kreuze. Unfälle sind häufig.Bild: DW/Steffen Leidel

Irgendwann werden die Berghänge etwas weniger steil, überall sieht man Kokafelder. Schon zu Inka-Zeiten wurde in den Yungas Koka angebaut, heute dürfen laut Gesetz 12.000 Hektar legal kultiviert werden, für traditionelle Zwecke.

Vor dem Haus von Epifanio grunzt ein Schwein. Durch ein paar Bananenstauden führt Epifanio hinauf zum Kokafeld. Er war gerade dabei, die Kokablatternte des Tages zu trocknen, auf dem so genannten "Cachi" hinter dem Haus.

"Mein Cocal (Kokafeld) ist etwas größer als ein Cato. Ein Cato sind 40 mal 40 Meter. Ich baue hier seit 15 Jahren Koka an. Der Kokastrauch braucht viel Pflege. Bei mir wird aber nichts gespritzt. Manche düngen mit Harnstoff. Dann wächst der Strauch besser, ist aber nicht mehr zum 'picchar' (Kauen) geeignet.

Bolivien Kokaanbau
Epifanios kleiner Sohn schaut beim Trocknen der Kokablätter zuBild: DW/Steffen Leidel

Im Gegensatz zum Chapare wächst der Kokastrauch hier nur langsam. Dort braucht er nicht einmal sechs Monate bis man die erste Ernte machen kann. Hier dauert das schon bis zu zwei Jahre. Die Pflanzen sind viel kleiner, da bekommt man Rückschmerzen beim Ernten.

Dennoch, das Kokafeld garantiert mir ein Einkommen drei bis vier Mal im Jahr. So oft ernten wir Kokablätter. Im Januar und Februar, wenn es viel regnet, wiegen die Kokablätter mehr als im Rest des Jahres. Dieses Kokafeld liefert uns vier bis fünf 'taques'. Ein 'taque' sind etwa 25 Kilogramm. Die Blätter werden gezupft und dann auf dem 'cachi' zum Trocknen ausgebreitet. Das dauert etwa drei Stunden, danach packen wir sie in Säcke und bringen sie auf den Markt in La Paz. Pro 'taque' bekommst du etwa 100 Dollar.

Epifanio pflückt Kokablätter
Kokablätter zu pflücken, ist ein Knochenjob.Bild: DW/Steffen Leidel

Ich habe sonst auch noch Mandarinen und Orangen. Die kann ich aber nur einmal im Jahr ernten. Außerdem bekomme ich dafür nicht so viel und die Bäumchen sind anfällig für Krankheiten. Ich versuche aber verstärkt, Bienen zu züchten. Vielleicht habe ich irgendwann einmal so viele, dass ich davon leben kann."

In den Yungas prägen die Kokafelder das Landschaftsbild. Im Chapare muss man sie suchen. Wer dort die gut ausgebaute Hauptstraße entlang fährt, sieht keine Kokafelder. Es ist nicht so, dass die "Cocaleros" ihre Pflanzen verstecken wollen. Im Chapare, einem der regenreichsten Gebiete der Erde, gibt es einfach unendlich viel Vegetation, die alles zuwuchert.

Felipe kommt aus der Minenstadt Potosí. Die Mehrheit der Bewohner des Chapare ist zugewandert. Der Weg zu Felipes Kokafeld ist kompliziert. Dafür muss man erst einmal auf einer Schotterpiste 30 Minuten hinein in den Urwald fahren. Es geht vorbei an Bananenplantagen und frisch angelegten Fischteichen – Fischwirtschaft wird hier von der EU gefördert – bis zu Felipes Haus. Von dort aus watet man noch 15 Minuten über eine schlammige Wiese, überquert auf Baumstämmen drei Bachläufe, geht durch ein Gatter und steht im Kokafeld. Dort fallen die Mücken über jedes Säugetier her.

Felipe läuft von seinem Haus weg
Felipe und sein HausBild: DW/Steffen Leidel

"Die Moskitos sind hier schlimm. Die stechen durch die Kleidung, wenn wir ernten ist es noch schlimmer. Im Moment tragen die Sträucher Blüten und Samen. In meinen "Cato" passen bis zu 3000 Pflanzen. Ich ernte hier bis zu 150 Kilogramm. Meine Frau und mein Sohn helfen mir dabei. Ich habe auch noch rund 20 Rinder. Früher hatte ich zwei bis drei Hektar Koka.

Doch wir haben uns 2004 darauf geeinigt, dass jede Familie nur noch einen "Cato" anbaut. Das wird vom Syndikat, in dem wir organisiert sind, getragen. Wir haben schlimme Zeiten hinter uns. Früher haben sie uns alle als Drogenhändler beschimpft. Die USA hat uns diskriminiert. Das war einfach nicht gerecht. Sie kamen auf unsere Felder, die Polizei und das Militär, sie haben unser Koka vernichtet.

Kühe von Felipe
Ohne die Kühe könnte Felipe nicht leben, ohne Koka auch nichtBild: DW/Steffen Leidel

Wir wollen nicht mehr als Drogenhändler beschimpft werden. Der Einfluss der Drogenmafia ist hier im Gebiet geringer geworden. Früher war er stärker. Schauen Sie sich doch um, wir haben hier kein fließendes Wasser. Da wo die Armut war, da hatte der Drogenhandel seinen Einfluss. Jetzt ist das anders. Jetzt sind unsere Compañeros am Regieren."