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"Was in den Kongo gehört, soll auch im Kongo bleiben"

Richard A. Fuchs4. Februar 2009

Von Troisdorf aus zog er los, um im Kongo nach der Wahl einen Neuanfang zu wagen. Jetzt ist Jean-Claude Kibala Vize-Gouverneur seiner Heimat-Provinz – und übernimmt die Bauleitung beim Großprojekt Demokratisierung.

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Jean-Claude KibalaBild: Jean-Claude Kibala

"Für Frieden, Sicherheit und Wiederaufbau, wählt Kibala, Jean Claude." So lautete der Wahlkampfslogan von Jean-Claude Kibala im Sommer 2006. An den ersten freien Wahl im Kongo seit über 45 Jahren wollte er unbedingt teilnehmen, auch wenn dem gebbürtigen Kongolesen zu Beginn sicher nicht klar war, welch einschneidendes Ereignis die Bewerbung fürs Parlament für ihn sein würde. In Deutschland hatte er bereits eine erfolgreiche Karriere hinter sich, studierte Bauingenieurwesen, absolvierte die Offizierslaufbahn bei der deutschen Bundeswehr und arbeitete einige Zeit bei der Deutschen Bundesbahn als Projektmanager. Nach 17 Jahren Deutschland war im Kongo dagegen alles neu – und das bekam er zu spüren.

Es hätte doch andere Herausforderungen gegeben – warum die?

Kongo - Vergewaltigungsopfer in Südkivu
Vergewaltigungsopfer in der Provinz SüdkivuBild: picture-alliance/dpa

„Na, es gibt schon manchmal Momente, da könnte man tatsächlich verzweifeln“, sagt der sanft lächelnde Parlamentarier, der in seinem grauen Anzug und der weiß-schwarz karierten Krawatte eher wie ein Geschäftsmann wirkt. „Dann schießt einem die Idee durch den Kopf, man könnte ja eigentlich auch etwas anderes machen.“ Und wenn er dann die kurz geschlossenen Augenlider wieder öffnet, dann ist er wieder zurück in Süd-Kivu, im Osten des Kongo, einer Provinz so groß wie das ganze Nachbarland Ruanda zusammen. Dort ist er seit gut acht Monaten Vize-Gouverneur seiner Heimatregion - und trotz regelmäßigen Selbstzweifeln, an aufgeben oder zurückgehen nach Deutschland hat er nie ernsthaft gedacht. Im Gegenteil: er fühlt sich in der Pflicht und will zunächst vor allem für eins sorgen, nämlich für Ruhe.

Länderübergreifender Kampf gegen Rebellengruppen

Zusätzliche Kongo Truppen möglich
Kongolesische Truppen kämpfen gegen RebellenBild: picture-alliance/ dpa

„Gegenwärtig ist es relativ ruhig, was wir der konsequenten Jagd auf kongolesische Rebellengruppen zu verdanken haben“, sagt Kibala. Erst im zweiten Schritt könne man sich dann dem großen Problem der FDLR widmen. Die FDLR, das sind Hutu-Rebellen, die sich „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ nennen und im Osten Kongos ihr Unwesen treiben. Geflohen sind sie aus dem Nachbarland, wo sie 1994 maßgeblich am Völkermord an den Tutsi beteiligt gewesen sein sollen.

Eine gemeinsame Militäraktion Ruandas und der kongolesischen Armee will diese Rebellen jetzt entwaffnen. Eine Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Feinden, die neu ist. Auch Kibala rätselt noch über einen Schulterschluss, der aber erste Früchte trug. Laurent Nkunda, Tutsi-General und berüchtigter Warlord, wurde dingfest gemacht. Allein seine Rebellen-Gruppe soll nach UN-Schätzungen 250.000 Menschen zur Flucht gezwungen haben. „Die Leute sind buchstäblich auf die Straße vor Freude“, sagt Kibala. „Es gab sogar Flüchtlinge, die ihre Sachen gepackt haben um nach Hause zurückzukehren.“

Kein Kriegsverbrechen bleibt ungesühnt

Symbolbild Flüchtlingselend im Kongo
Flüchtlingselend im KongoBild: picture-alliance/ dpa

Die UN und einige Hilfsorganisationen sehen die gemeinsame Militäraktion dagegen mit Unbehagen. Sie befürchten neue Flüchtlingsströme, etwas, was Jean-Claude Kibala zumindest für seine Region am Kivu-See für eher unwahrscheinlich hält. Er entwirft das Bild relativer Stabilität, grenzt seine Provinz deutlich von den umliegenden Unruheprovinzen Nord-Kivu und Ituri ab. Er muss das, schließlich ist er nach Deutschland auch zur Suche nach Geldgebern gekommen. Und wo Tumult herrscht, da wird auch nicht investiert. Gut ins Konzept passt ihm da, dass Kriegsverbrecher jetzt endlich konsequent verfolgt werden. Den Beweis liefert die jüngste Anklage gegen den früheren kongolesischen Milizenführers Thomas Lubanga. Er muss sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Lubanga soll Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert haben. «Ich hoffe wirklich, da folgen noch weitere. Wir haben noch eine ganze Menge wie Thomas Lubanga im Kongo, die alle auch nach Den Haag kommen sollten.“

Rechtsstaatlichkeit auf afrikanischem Boden wäre noch besser

Schade findet er nur, dass es in Sachen Rechtssprechung keine „afrikanische Lösung“ gab, wie etwa beim Kriegsverbrechertribunal für den Völkermord von Ruanda. Da wurde ein Gericht im Nachbarstaat Tansania in Arusha abgehalten. Mit entscheidenden Vorteilen, findet der Parlamentarier. Kriegsverbrecher ließen sich vor Ort sicherlich mehr von harten Urteilen beeindrucken, und auch die Bevölkerung bekäme hautnah mit, dass es wieder einen funktionierenden Rechtsstaat gibt. Weil aber ein Rechtsstaat alleine noch nicht zum Leben reicht, kümmert sich Jean-Claude Kibala auch um Handfestes. Mit einer langen Arbeitsliste ist er ausgezogen, das Leben der Bewohner von Süd-Kivu spürbar besser zu machen. Und einige Erfolge kann er tatsächlich schon vorweisen, der Herr „Verehrteste“ – wie die Leute Parlamentarier wie Kibala nennen.

«Ich habe mit meinen eigenen Mitteln eine Straße von 3,5 Kilometer Länge gebaut. Eine Sache, die seit der Kolonialzeit kein einziger Gouverneur der Region mehr geschafft hat“, sagt Kibala. Und auch neue Grundschulen hat er in Auftrag gegeben, für jedes der sieben Territorien seiner Provinz eine. Doch Geld drucken, das kann auch der Bauingenieur nicht. Und die nach der Wahl zugesagten internationalen Gelder sind nicht geflossen. Nur kurzfristige Nothilfe kam, dann aber oft unkoordiniert.

Ost Kongo ist der Hauptproduzent von Coltan
Ost Kongo ist der Hauptproduzent von ColtanBild: AP

Kein Wunder, dass Kibala die Bürger in Süd-Kivu mehr am Gewinn aus den reichlich vorhandenen Bodenschätzen beteiligen will. Ihm schwebt sogar eine Verstaatlichung des Abbaus vor, beispielsweise von Coltan, einem heiß begehrten Roherz, dass vor allem für Mobiltelefone gebraucht wird. Dann könnte man mit internationalen Konzernen auf Augenhöhe verhandeln, nicht länger mit leeren Händen dastehen. Ziel wäre es einmal, durch den staatlich kontrollierten Abbau zu einem geregelten Budget für die Regionalregierung zu kommen. Wenn dann noch erste Verarbeitungsschritte vor Ort erledigt würden, dann könnten auch noch eine ganze Menge neuer Jobs entstehen, führt er fort.

Auch dafür wirbt Kibala bei seinem Deutschlandbesuch im Berliner Regierungsbezirk. Wohl wissend, dass er sich mit dieser Politik mit den Nachbarstaaten Ärger einhandeln wird. Denn dorthin verschwindet bislang ein Großteil der Rohstoffe – über die grüne Grenze. „Ich bin mir sicher, Ruanda und Burundi werden andere Wege finden, Geld zu machen. Was in den Kongo gehört, wird jetzt erst mal im Kongo bleiben.“