1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Was hinter den Spionagevorwürfen steckt

Shabnam von Hein 4. September 2015

Wegen angeblicher Spionage ist der Iran-Korrespondent der "Washington Post“ in Teheran seit über einem Jahr in Haft. Er ist offenbar in die Mühlen eines internen Machtkampfes geraten, jetzt gibt es Bewegung in dem Fall.

https://p.dw.com/p/1GR1I
Porträt Jason Rezaian (Foto: Reuters/Zoeann Murphy/The Washington Post)
Bild: Reuters/Zoeann Murphy/The Washington Post

Nicht einmal der iranische Minister für Nachrichtenwesen und Staatssicherheit hält Jason Rezaian (Foto) für einen Spion. Als Mahmud Alawi Ende August im iranischen Fernsehen zum Fall des inhaftierten iranisch-amerikanischen Journalisten Jason Rezaian befragt wird, verweigert er die Antwort mit der Begründung: "Es könnte ja sein, dass die Meinung meines Ministeriums mit der Meinung anderer Organe nicht übereinstimmt."

Es ist kein Geheimnis, dass im Iran neben der gewählten Regierung weitere einflussreiche Machtzentren existieren, die zum Teil ganz andere Interessen als die amtierende reformorientierte Regierung unter Hassan Rohani verfolgen. Eins dieser Machtzentren sind die paramilitärischen Revolutionsgarden. Und die hatten den 39-jährigen Journalisten der "Washington Post" im Juli 2014 in seiner Teheraner Wohnung zusammen mit seiner Frau, der Journalistin Yeganeh Salehi, verhaftet.

Rezaian mit seiner Frau Yeganeh Salehi auf einer Pressekonferenz in Teheran 2013 (Foto: EPA/STRINGER)
Rezaian mit seiner Frau Yeganeh Salehi auf einer Pressekonferenz in Teheran 2013Bild: EPA/STRINGER

"Bekanntes Muster"

"Schon einen Tag nach seiner Verhaftung war uns klar, dass das Ganze nach einem bekannten Muster abläuft", sagt Reza Moini, Iran-Referent im internationalen Sekretariat von "Reporter ohne Grenzen" gegenüber der Deutschen Welle: "In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 50 Journalisten, besonders ausländliche Journalisten mit iranischem Pass, wegen angeblicher Spionage im Iran verhaftet und vor Gericht gestellt. In keinem der Fälle wurden die Vorwürfe bestätigt."

Rezaians Frau Yeganeh Salehi kam im Oktober 2014 gegen Kaution aus der Haft frei. Rezaian blieb in Einzelhaft und musste fünf Monate warten, bis Anklage erhoben wurde: Spionage, Propaganda gegen die Islamische Republik und Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen.

Rohanis Ansehen sollte beschädigt werden

Schon kurz nach der Verhaftung des Ehepaares, Anfang August 2014, schrieb der oppositionelle Internetdienst “Saham News“ unter Berufung auf "gut informierte Quellen", die Revolutionsgarden wollten den iranisch-amerikanischen Journalisten mit Ruhanis Neffen Ismail Samawi in Verbindung bringen. Das solle zeigen, wie tief ausländische Spione in Ruhanis Umgebung vorgedrungen seien. Samawi ist Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Präsidialverwaltung.

In dieselbe Kerbe schlug im Februar 2015 auch der ultrakonservative Abgeordnete Hamid Rasaei. Er warf der Regierung Rohani vor, die Aufklärung im Fall Rezaian und die Offenlegung seiner Kontakte zu verhindern. Rasaei und andere Hardliner behaupteten, Rezaian habe über seine Kontakte im Büro von Präsident Ruhani Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen bekommen. Rasaei verlangte, ein angebliches Geständnis Rezaians solle im Fernsehen gezeigt werden.

Iranischer Parlamentsabgeordneter Hamid Rasaie (Foto: Fars)
Der iranische Parlamentsabgeordnete Hamid Rasaie sieht Spionage im Büro von RohaniBild: Fars

Zwar kam es dazu nicht. Dafür aber veröffentlichte die den Revolutionsgarden gehörende Nachrichtenagentur "Farsnews" ein Verhörprotokoll Rezaians. Darin werden einige bekannte iranische Friedensaktivisten und Journalisten im Ausland als Kontaktpersonen Rezaians genannt, diese hätten der amerikanischen Regierung Informationen darüber gegeben, wie der Iran die internationalen Sanktionen umgehe.

"Ziel war Sabotage des Atomdeals"

Einer dieser Kontaktpersonen sei Omid Memarian, ein in den USA lebender iranischen Journalist, der 2005 mit dem Human Rights Defender Award ausgezeichnet wurde. "Vor zehn Jahren saß ich über drei Monaten ohne Anklage im Gefängnis im Iran", berichtet Memarian im Gespräch mit der DW. "Ich habe persönlich erlebt, wie der Ermittlungsbeamte 'Farsnews' angerufen hat und einen Teil meiner Akte zur Veröffentlichung weiter gegeben hat." Jetzt, so der Exil-Journalist, würden die Revolutionsgarden das gleiche Mittel anwenden, um die Öffentlichkeit auf einen Spionageprozess gegen Razaian vorzubereiten.

Nachdem der Plan, eine konspirative Verbindung zwischen Rezaian und dem Präsidentenneffen Samawi zu beweisen, nicht funktioniert habe, so Memarian, "haben diese Kreise ihren Fokus auf die Aktivisten gelegt, die sich außerhalb des Irans für die Aufhebung der Sanktionen einsetzten und einen Atom-Deal unterstützen", so Memarian weiter.

Der Plan der Revolutionsgarden war es, durch eine angebliche Verbindung von Rezaian zu diesen Aktivisten den Atom-Deal im Iran zu diskreditieren. Der Journalist hält die Aufhebung der Sanktionen für die Achillesferse der Sicherheitskreise im Iran. Denn diese Kreise profitierten schon seit über 30 Jahren von der Schattenwirtschaft im Gefolge der verschiedenen gegen den Iran verhängten Sanktionen. Eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen dem Iran und den USA würde ihren wirtschaftlichen Interessen schaden.

Delegationen der USA und Oran in Wien mit Außenministern Kerry und Sarif in Wien Juli 2015 (Foto: Reuters)
Der iranisch-amerikanische Atomdeal ist den Hardlinern ein Dorn im AugeBild: Reuters/C. Barria

Austausch gegen iranische Häftlinge in den USA?

Während die Spionagevorwürfe dem Ziel dienen, den Atomdeal zu sabotieren, dient der inhaftierte Rezaian gleichzeitig als Faustpfand, um ihn gegen iranische Strafgefangene in US-Gefängnissen auszutauschen. Eine solche Lösung des Falles hat Irans Parlamentsvorsitzender Ali Larijani jetzt gegenüber einem US-Radiosender angedeutet, wie AFP meldet. Zurzeit sitzen mehr als 70 iranische Staatsbürger in amerikanischen Gefängnissen ein, darunter einige wegen Verstößen gegen die Sanktionen gegen den Iran.

Wegen der Spionagevorwürfe stand Jason Rezaian schon vier Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor dem Revolutionsgericht im Teheran, das für Sicherheitsfälle und Spionageprozesse zuständig ist, zuletzt am 10. August. Gestern teilte seine Anwältin den iranischen Medien mit, dass Jasons Urteil gefallen, aber noch nicht verkündet worden sei. Für Reza Moini von Repoter ohne Grenzen ist klar: "Es sind Ketten-Prozesse und die gehen mit dem Fall Rezaian nicht zu Ende. Das Revolutionsgericht hat angekündigt, nach dem Prozess gegen Rezaian werde es sich mit Rezaians Ehefrau und einer iranisch-amerikanischen Fotografin befassen, die ebenfalls Ende Juli 2014 von Revolutionsgardisten festgenommen wurde. Beide sind zurzeit gegen Kaution auf freiem Fuß."