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Embargo-Probleme

Anna Kuhn-Osius16. Juli 2008

Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran stoßen auf Kritik: Besonders deutsche Unternehmen fühlen sich durch die Beschränkungen massiv geschädigt. Das Geschäft machen jetzt andere.

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Mahmoud Ahmadinejad vor iranischer Flagge mit Atomzeichen. Quelle: AP
Er will Atommacht sein und hat deshalb die Staatengemeinschaft gegen sich: Der iranische Präsident AhmadineschadBild: AP

Viele europäische Großkonzerne verabschieden sich zur Zeit öffentlich vom Iran-Geschäft. Gerade war der französische Ölkonzern Total an der Reihe: Total ziehe sich aus dem Iran-Geschäft zurück, hieß es in der Presseklärung. "Es gibt Zeiten, in denen man nicht investieren kann", sagte der Vorstandschef. Laufende Geschäfte würden natürlich aufrechterhalten, hieß es leise. Der britisch-niederländische Konzern Shell zog sich im Mai öffentlich aus einem Gas-Projekt im Iran zurück. Thyssen-Krupp setzte öffentlich den iranischen Staat als Aktionär vor die Tür. Und die Deutsche Bank beendete nach 40 Jahren ihre Zusammenarbeit mit dem Iran.

Total-Tankstelle
Der Öl-Konzern Total zieht sich aus dem Iran zurückBild: picture-alliance/dpa

Wer weiter Geschäfte mit dem so genannten Schurkenstaat macht, tut es leise und betont unbedeutend. Siemens versichert, die Geschäfte mit dem Iran machten weniger als ein Prozent des Umsatzes aus. Volkswagen arbeitet "nach unserer Größenordnung im kleinsten Bereich" mit dem Iran zusammen. Es gebe zwar den Plan für den Ausbau der Montage-Zusammenarbeit, aber "nichts großes", so ein Sprecher. Der Öl-Konzern BP beteuert in scharfen Worten "absolut keinerlei Beteiligung" und wenn, dann "in völligem Einverständnis mit den US-Sanktionen". Der Chemiekonzern Linde half im Iran beim Bau petrochemischer Anlagen und zog sich zurück. Das politische Thema, also der Streit um das iranische Atomprogramm, spiele dabei sicherlich eine Rolle, heißt es.

Iran braucht Hilfe - und zahlt gut

Der Iran braucht besonders deutsche Firmen und deren Know-How, denn ein Großteil der iranischen Industrie hängt von deutschen Zulieferteilen ab. Der iranische Vize-Außenminister Mehdi Safari forderte deshalb jüngst die deutsche Wirtschaft auf, im Iran zu investieren. "Wir könnten mit Deutschland leicht einen Warenaustausch über 20 Milliarden Euro haben", betonte Safari.

Als Teil ihrer Wirtschaftwerbung hat die iranische Regierung Investitionsgesetze gelockert und Staatsunternehmen privatisiert, damit ausländische Investoren sich beteiligen können. Besonders beworben wird der Energie-Sektor, also das Geschäft mit Öl und Gas. Denn obwohl der Iran die zweitgrößten Erdöl und Erdgas-Vorkommen der Welt hat, muss er Benzin importieren. Es fehlen Raffinerien und eine entsprechende Infrastruktur. Riesige Gasfelder warten darauf, erschlossen zu werden.

Deutschland zögert, andere nicht

Mann liest Zeitung vor dem Eingang der Bank of China. Quelle: AP
Der iranische Handel mit China boomtBild: AP

Während der deutsche Export in den Iran im vergangenen Jahr 2007 um rund 15 Prozent zurückgegangen ist, vermeldet China einen Boom im Iran-Geschäft. Das deutsche Außenhandelsvolumen liegt in diesem Jahr bei 3,5 Milliarden Euro, China dagegen vermeldet stolze 30 Milliarden Dollar - einen Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch wenn ein Großteil des Handels auf Konsumgüter zurückzuführen sei, so erkenne man doch einen klaren Trend, sagt der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Teheran, Daniel Bernbeck. "Die Chinesen kümmern sich eben nicht um Sanktionen, so wenig wie die Russen."

Russland hat seinen Handel mit dem Iran verdoppelt - sehr zum Ärger europäischer Unternehmen. "Wenn einige Länder durch ihre Beschränkungen des Handels weit über die UN-Sanktionen hinausgehen und andere nicht, dann bewirkt die Sanktionspolitik nichts anderes als eine Marktverschiebung", kritisiert Felix Neugart vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

Dabei ist es weniger das Embargo des UN-Sicherheitsrates, das die Unternehmen trifft. Vielmehr schaden die direkten und indirekten Folgen Sanktionen der EU und der Bundesrepublik. So wurde beispielsweise die Kreditvergabe für Unternehmen, die in den Iran exportieren, von der Bundesrepublik verschlechtert. Güter werden bei der Ausfuhr derart gründlich kontrolliert, dass pünktliche Lieferungen schwierig werden. Die Konten der größten iranischen Banken wurden eingefroren. Deutsche Banken zogen sich aus dem iranischen Geschäft zurück. Und das nicht zuletzt auch als Antwort auf die Frage, welches Geschäft denn wichtiger sei, das iranische oder das US-amerikanische. Denn die USA setzten Unternehmen gezielt unter Druck, die Geschäfte mit dem Iran abzubrechen, sagen Verbandsprecher.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Sanktionen trotzdem umgangen werden.

"Der Iran lässt sich nicht isolieren"

Der Handel mit dem Iran ist schwierig geworden - unmöglich ist er nicht. "Die Geldgeschäfte gehen über Drittländer", erklärt Daniel Bernbeck, "und vieles läuft jetzt eben in Bargeld". Da werde der Zeitschriftenhändler in Teheran zum Kontaktmann, der die großen Summen im Koffer annehme, nach Kanada schaffe und dort an den US-amerikanischen Unterhändler weitergebe.

Straßenhändler in Teheran. Quelle: AP
Straßenverkäufer werden Teheran zu Unterhändlern für die GeldbeschaffungBild: AP

"Das sind schon mittelalterliche Geschäftsmethoden", sagt Bernbeck, der selbst in Teheran lebt und es genauso macht. "Wenn ich meiner Vermieterin in Teheran die Jahresmiete zahlen muss, hebe ich sie in Deutschland ab und bringe sie mit schweißnassem Hemd in bar in den Iran", sagt er. Das mache jeder so, jeder habe Geld im Koffer. "Sollte mal ein Flugzeug von Deutschland nach Teheran abstürzen, wäre der Schaden im Fluggepäck höher als am Flugzeug."

Iran-Geschäfte sind Tabu

Paranoia gepaart mit Hysterie - so nennen Unternehmensverbände die aktuelle Iran-Politik. Immerhin steigt der deutsche Exportanteil in diesem Jahr wieder leicht an. Langfristig aber könne das wieder anders aussehen, denn der Iran orientiere sich um, sagt Henner Fürtig vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien. "Deutschland hat in diesem Bereich eindeutig etwas zu verlieren." Derzeit stünden die Vereinigten Arabischen Emirate bei den Iranern hoch im Kurs. Saudi-Arabien habe Russland umfangreiche Rüstungsgeschäfte angeboten, wenn Russland im Gegenzug wieder mehr mit dem Iran zusammenarbeite.

Was bringen die Sanktionen?

"Man sollte sich nicht der Hoffnung hingeben, dass der Iran allein aufgrund der Sanktionen einlenkt", sagt Johannes Reissner von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Es müsse wieder eine ernsthafte Debatte über und mit dem Iran begonnen werden - ohne das übliche politische Säbelrasseln. Das fordern auch viele andere Experten und wollen weg von den Sanktionen, hin zu einer Diplomatie gestützten Politik ohne Drohungen.

"Es ist ja nicht so, als würden wir nicht mit dem Iran reden", heißt es zur Verteidigung aus westlichen Diplomatiekreisen. Aber man räumt ein: Das Prinzip mit Zuckerbrot und Peitsche habe bis jetzt noch nicht gewirkt. "Deshalb haben wir jetzt auf beiden Seiten nochmal nachgelegt", erklärt ein Diplomat im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "Ein besseres Angebot für die iranische Wirtschaft machen, aber eben auch die Daumenschrauben noch ein wenig fester drehen, nur so wird der Iran einlenken." Aber natürlich seien wirtschaftliche Sanktionen einzelner Länder immer nur die zweitbeste Lösung, räumen selbst Diplomaten ein.

Heimlicher Handel

Coca-Cola-Flaschen im Regal. Quelle: dpa
Der Handel blüht versteckt: Sogar Coca-Cola gibt es im Iran zu kaufenBild: dpa

Der Handel mit dem Iran blüht derweil versteckt weiter. Die Industrieteile, die Deutschland sich weigert zu liefern, kommen jetzt aus England. Coca-Cola kann man im Iran auch kaufen: Die Export-Geschäfte der USA mit dem Iran haben während der Bush-Regierung drastisch zugenommen, so stark wie unter keiner anderen US-Regierung zuvor. US-Waren im Wert von 150 Millionen Dollar wurden allein im vergangenen Jahr in den Iran verschifft. Asien bemüht sich, mit westlichen Ländern auch beim industriellen Know-How gleichzuziehen.

In Deutschland herrsche dagegen die Angst vor Geschäften mit dem "Schurkenstaat", kritisiert Bernbeck. Sogar ein deutscher Hersteller von Wasserhähnen für Badewannen habe jetzt seine langjährige Freundschaft mit einem iranischen Kunden gekündigt - aus Angst, die USA könnten herausfinden, dass er Handel mit dem Iran betreibt. Das sei doch absurd. "Was haben Wasserhähne mit Atombomben zu tun?"

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