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Familienplanung auf den Grund gehen

Enrique Gili
20. Dezember 2016

Die Umweltschützer von Blue Ventures bringen Fischerei-Management und Familienplanung zusammen. Damit entspannen sie die Lage an den Küsten von Madagaskar.

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Bild: Blue Ventures/Garth Cripps

In abgelegenen Fischerdörfern an der Küste Madagaskars hängt viel ab vom gemeinen Oktopus. Ohne ihn ist die Grundversorgung der Menschen schwierig. Das sind ziemlich hohe Erwartungen an ein Wesen aus der Tiefe. Damit der Tintenfisch seinen Aufgaben gewachsen bleiben kann, arbeitet die britischeNGO Blue Ventures eng mit den Einheimischen zusammen und will für Fangmethoden sorgen, die Mensch und Tier nutzen. 


Seit 2003 ist die Organisation am abgelegenen Westufer der Insel aktiv. Die Oktopuspopulation hat sich in der Zeit deutlich erholt. Die wirtschaftliche Basis der Fischer ist erhalten geblieben. Mit dem Erfolg im Rücken und der Hoffnung auf engere Bindungen zu der Bevölkerung wollte Blue Ventures wissen, wo das Leben der Einheimischen Verbesserungen benötigen könnte. Die Antwort war überraschend:

"Die Gemeindevorsteher kamen auf uns zu und baten um Hilfe bei Fragen der Familienplanung", sagt Caroline Savitsky, eine der Koordinatorinnen bei der NGO. Als Antwort auf die drängende Frage wurde Sadify geboren. Das Wort bedeutet "Wahlfreiheit" auf Madagassisch.


Jetzt, nach etwa 10 Jahren, hat das Projekt Unmengen wertvoller Erfahrungen gesammelt, in Workshops zur Familienplanung in den Gemeinden. Zum Beispiel im Städtchen Andavadoaka, das am Ende einer einspurigen Modderpiste, eine Tagesreise von der Provinzhauptstadt Toliara entfernt, liegt. Frauen haben hier heute Zugang zu Verhütungsmitteln zum Selbstkostenpreis, die sonst nicht erreichbar wären.

Neue Geschlechterrollen

Für Frauen und Familien seien "Zugang und Information zu einer Vielzahl von Methoden der Empfängnisverhütung" eines der Hauptziele von Sadify, sagt Savitsky. "Es gibt ihnen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie viele Kinder sie bekommen und wann der beste Zeitpunkt dazu ist." 

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Der Zugang zu Verhütungsmitteln eröffnet den Frauen in Andavadoaka neue PerspektivenBild: Blue Ventures/Garth Cripps

Es geht um zweierlei dabei - die großen Entscheidungen des Lebens und der Arbeit zu vereinbaren. Fischfang sorgt nicht nur für Nahrung, sondern auch für finanzielle Sicherheit. Frauen, die beim Sadify-Programm mitmachen, werden ermutigt, sich bei Treffen der Community zu engagieren, die den Fischfang regeln. Männer sollen stattdessen mehr aus Workshops zur Familienplanung mitnehmen. Das übergreifende Ziel von Blue Ventures ist es, den Gemeinden zu ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen, über Geschlechtergrenzen hinweg.

Im Jahr 2013 nutzten etwas mehr als die Hälfte der Frauen in den Fischereigemeinden, in denen Blue Ventures arbeitet, Verhütungsmittel. Das sind fünf Mal mehr Frauen als bei der Einführung von Sadify im Jahr 2007. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl weiblicher Führungskräfte im Fischerei-Management auf 38 Prozent erhöht. Vorher gab es keine einzige.
 

Geschlechter und Umwelt

Dieser Ansatz für Umweltschutz heißt PHE (Population, Health, Environment) und erkennt die Untrennbarkeit von Menschen, dem Ort, in dem sie leben, und ihrer Umwelt an.

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Blue Ventures veranstaltet Workshops zur Familienplanung in kleinen Fischerdörfern MadagaskarsBild: Blue Ventures/Brian Jones


Weltweit leben etwa eine Milliarde Menschen an oder in der Nähe von ökologischen Hotspots. Der Druck hier ist enorm, weil Überfischung und Entwaldung die vorhandenen Ressourcen strapazieren. Madagaskar ist nur ein Beispiel. Hier ist die Heimat von 21 Millionen Menschen und Tausenden von Arten, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Deren Erhalt, aber auch die Versorgung mit Nahrung und wirtschaftliche Sicherheit sind ein Balanceakt.


Solch ein Einsatz, wie der Blue Ventures-Initiative hier, ist in anderen Regionen noch lange nicht denkbar. In vielen Entwicklungsländern sind die Rechte einer Frau zu entscheiden, wann sie schwanger wird und wie viele Kinder sie bekommen möchte, kein Thema. 
 

Kleine Familien - Gesunde Umwelt?

Die Verbindung zwischen der Größe einer Familie und deren Einfluss auf die Artenvielfalt ist heute Teil der Wahrnehmung von Umweltschützern, etwa bei Biodiversitätskonferenzen, wie die kürzlich stattgefundenen Veranstaltungen der IUCN oder CITES. Dort geht es  aber eher um den Kontext mit den nachhaltigen Entwicklungszielen oder der Lebensmittelsicherheit als um die Rechte von Frauen, sich entscheiden zu können, ob und wann sie Kinder bekommen wollen.

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Durch nachhaltige Fischereimethoden hat sich die Oktopus-Population erholt Bild: Blue Ventures/Garth Cripps


"Gender-Themen müssen in die Umweltarbeit einbezogen werden", sagt A. Tianna Scozzaro, Leiterin des Gender, Population and Environment Program des Sierra Clubs. Mehr noch: Frauen, die sich mehr ins politische und wirtschaftliche Leben einbringen, würden die Landschaft nachhaltig verändern. 


"Je mehr Frauen in Parlamenten eingebunden sind, desto mehr kommt für die Umwelt heraus. Frauen sind eher bereit, Umweltverträge zu ratifizieren", sagte sie. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Gleichstellung von Geschlechtern und dem Umweltschutz in ländlichen Gebieten, überall auf der Welt.


Im Falle der Krakenindustrie in Madagaskar hat die größere Rolle von Frauen in Führungspositionen mögliche Vorteile gezeigt, die ein weiter gefasster Zugang zum Thema der Artenerhaltung hat. Das gilt nicht nur für ländliche Gemeinden.


"Es ist großartig für Umweltgruppen, weil sie so in die Lage versetzt werden, direkt auf die dringendsten Bedürfnisse zu reagieren, und zwar da, wo sie arbeiten. Auch Gesundheitsorganisationen haben etwas davon. Sie erreichen leichter Menschen, die nicht in den Städten leben", sagt Savitsky.