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Was geschah über dem Sinai?

31. Oktober 2015

Nachdem die Terrormiliz IS die Verantwortung für den Absturz des russischen Urlaubsfliegers mit 224 Menschen an Bord übernommen hat, warnen Behörden vor Spekulationen. Doch erste Airlines meiden die Sinai-Halbinsel.

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Ein Wrackteil der A321 der Fluggesellschaft Kogalimawija ab, die unter dem Namen Metrojet fliegt (Foto: AP)
Ein Wrackteil der A321 der Fluggesellschaft Kogalimawija ab, die unter dem Namen Metrojet fliegtBild: picture-alliance/AP Photo/S. el-Oteify

Nach dem Absturz der russischen Passagiermaschine mit 224 Toten hat das Rätselraten um die Absturzursache begonnen. Unmittelbar nach dem Unglück hatten ägyptische Sicherheitskreise erklärt, man gehe von einem technischen Defekt aus. Es gebe weder Hinweise auf einen Abschuss noch auf eine Bombe an Bord.

Wenig später teilte jedoch der ägyptische Ableger der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) auf seinem Twitter-Konto mit, er habe die Maschine über dem Sinai zum Absturz gebracht. Die "Soldaten des Kalifats haben es geschafft, ein russisches Flugzeug in der Provinz Sinai" zu Boden zu bringen, erklärte die IS-Gruppe. Ziel der Kämpfer seien russische "Kreuzfahrer" an Bord gewesen. "Dank Gottes Hilfe wurden sie alle getötet." Dies sei eine Racheaktion für die russische Intervention in Syrien. Russland hatte Ende September mit Luftangriffen auf den IS in Syrien begonnen.

Russlands Verkehrsminister Maxim Sokolow widersprach kursierenden Berichten zur Absturzursache. "Es gibt derzeit in verschiedenen Medien Informationen, dass das russische Passagierflugzeug mit einer Flugabwehrrakete von Terroristen abgeschossen worden sei", sagte Sokolow der Nachrichtenagentur Interfax. "Diese Information kann nicht als korrekt betrachtet werden."

Nach Angaben von Militärexperten verfügen die IS-Kämpfer auf dem Sinai nicht über Boden-Luft-Raketen, die ein Flugzeug auf einer Höhe von 30.000 Fuß (rund 9100 Meter) treffen könnten, wie dies bei der russischen Maschine bei ihrem letzten Funkkontakt der Fall war. Die Experten schlossen aber eine Bombe an Bord oder einen Abschuss durch eine Rakete nicht aus, sollte das Flugzeug wegen technischer Probleme in den Sinkflug gegangen sein.

Die russische Flugaufsicht bekräftigte, dass alle möglichen Ursachen geprüft würden. "Zu spekulieren, ob ein technischer Defekt, ein menschlicher Fehler oder eine äußere Einwirkung der Grund war, ist derzeit sinnlos", sagte ein Behördensprecher in Moskau. Es fehle noch an aussagekräftigen Hinweisen.

Aufklärung könnte möglicherweise die Auswertung des Stimmenrekorders und des Flugdatenschreibers bringen. Nach Angaben offiziellen Angaben wurden beide Blackboxen inzwischen gefunden.

Das Flugzeug war in einer Unruhe-Region zerschellt. Auf der Halbinsel Sinai kämpfen islamistische Gruppen, die sich der IS-Miliz angeschlossen haben, gegen ägyptische Sicherheitskräfte. Seit 2013 wurden dabei hunderte Polizisten und Soldaten getötet.

Ägyptens Ministerpräsident Scherif Ismail (M.) an der Absturzsstelle (Foto: EPA)
Ägyptens Ministerpräsident Scherif Ismail (M.) an der AbsturzsstelleBild: picture-alliance/dpa/Str

Air France und Lufthansa kündigten an, dass sie vorerst nicht mehr über die Sinai-Halbinsel fliegen werde. So lange die Absturzursache nicht geklärt sei, werde die ägyptische Halbinsel aus Sicherheitsgründen umflogen, sagte eine Lufthansa-Sprecherin und bestätigte damit einen Bericht der Tageszeitung "Die Welt". Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Air France.

Senkrecht zu Boden gestürzt

Der Airbus A321 war am frühen Morgen vom Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer nach St. Petersburg gestartet. Nur 23 Minuten nach dem Start brach der Kontakt zu der Chartermaschine der russischen Fluggesellschaft Kogalimawija ab, die unter dem Namen Metrojet fliegt. Die Maschine sei fast aus Reiseflughöhe praktisch senkrecht zu Boden gestürzt, sagte ein Vertreter der ägyptischen Sicherheitsbehörden.

Das Wrack wurde dann rund hundert Kilometer südlich der Stadt Al-Arisch im bergigen Norden des Sinai gefunden. Ein Vertreter der ägyptischen Flugaufsicht sagte, der Pilot habe zuletzt Probleme mit dem Kommunikationssystem gemeldet.

Die russische Botschaft in Kairo teilte auf ihrer Facebook-Seite mit, alle Passagiere seien tot. An Bord der Maschine mit der Flugnummer 9268 waren 214 russische und drei ukrainische Passagiere sowie sieben Besatzungsmitglieder. Der jüngste Passagier war ein zehn Monate altes Mädchen.

Auf dem Flughafen Pulkowo in St. Petersburg erfuhren Angehörige der Opfer von der Katastrophe (Foto: dpa)
Auf dem Flughafen Pulkowo in St. Petersburg erfuhren Angehörige der Opfer von der KatastropheBild: picture-alliance/dpa/A. Maltsev

Helfer berichteten, das Flugzeug sei in zwei Teile zerbrochen. Viele Leichen lägen auf dem Boden, andere Opfer säßen noch angeschnallt in ihren Sitzen. In den Trümmern klingelten zahlreiche Mobiltelefone, die vermutlich den Insassen gehörten. Am Zielflughafen St. Petersburg warteten dem russischen Fernsehen zufolge Angehörige verzweifelt auf weitere Informationen.

Russische Untersuchungskommission gebildet

Russlands Präsident Wladimir Putin schickte eigene Bergungskräfte zum Absturzort. Laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen sollten auch Katastrophenschutzminister Wladimir Puschkow, Verkehrsminister Sokolow und der Chef der Luftverkehrsbehörde, Alexander Neradko, auf den Sinai reisen. Zudem nahm eine russische Untersuchungskommission die Arbeit auf, um mögliche Versäumnisse der Fluggesellschaft zu prüfen.

Putin telefonierte mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi. Die Staatsoberhäupter hätten einen engen Informationsaustausch bei der Klärung der Katastrophe vereinbart, hieß es in Moskau. Bei dem Telefonat sei auch die Koordination der Bergungsarbeiten besprochen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und weitere Staats- und Regierungschefs drückten Putin ihr Beileid aus.

Scharm el Scheich wird jedes Jahr von tausenden Touristen besucht, darunter auch viele Russen. Seitdem die ägyptische Armee im Norden des Sinai gegen bewaffnete Islamisten vorgeht, werden die Badeorte im Süden der Halbinsel durch ein Großaufgebot von Militär und Polizei gesichert.

stu/fab (afp, dpa, rtr)