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Politik

Was fühlt Deutschland?

Jefferson Chase | Charlotte Chelsom-Pille | Bettina Stehkämper | Oliver Pieper | Maximiliane Koschyk
22. Juni 2018

Die Streitthemen vermehren sich, und der Ton wird rauer im wohlhabenden und sicheren Deutschland. Worüber und wie zanken sich die Deutschen? DW-Reporter berichten von Menschen in einem gespaltenen Land.

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Balon-Galerie typisch deutsch
Bild: imago/J. Tack

Deutschland im Sommer 2018: 82 Millionen Menschen leben in der Bundesrepublik, sie verdienen durchschnittlich 3771 Euro Brutto im Monat, bekommen mehr Kinder als zuvor, ihre Lebenserwartung liegt bei über 80 Jahren. Sie essen täglich Obst und Gemüse, lieben Gartenarbeit, machen am liebsten in Deutschland selbst Urlaub. Zwei von drei Deutschen sind verheiratet, nach rund 15 Jahren lassen sich über ein Drittel der Paare wieder scheiden. 

Die Steuereinnahmen sprudeln, man kann in Deutschland kostenlos studieren, zwei von drei Deutschen sind mit ihrem Leben sehr zufrieden. All das lässt sich über Deutschland und seine Bürger in Tabellen und Umfragen des Statischen Bundesamts oder von Behörden nachlesen. Aber was macht die Sorgen und Nöte der Deutschen aus? Warum wird der Ton rauer, die Politik radikaler, der soziale Zusammenhalt schwächer? 

DW-Reporter haben vier Orte Deutschlands bereist und Menschen gefragt, wie es ihnen geht und was sie bewegt: 

Berlin:  "Ist doch schön, diese Vielfalt hier!"

Seit fast 20 Jahren ist Berlin wieder die Hauptstadt der Bundesrepublik, die größte Metropole des Landes blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Heute ist Berlin ein Pilgerort für die internationale Partyszene und für seine Döner mindestens genauso berühmt wie für die Currywurst. 

Die Berliner Kleingartenkolonie "Feldblume 1915" ist ein sehr idyllischer Ort mitten in der deutschen Hauptstadt. Die Gärten hier sind so vielfältig wie ihre Pächter: Seite an Seite befinden sich hier extrem gepflegter Rasen, Naturoasen, ein Lehrgarten für Kinder und sogar ein Imker. Jetzt, zur Fußballweltmeisterschaft, hängen vereinzelt Deutschlandfahnen an den Zäunen. Und natürlich hat auch hier jeder seine Meinung zum deutschen Überthema Flüchtlinge:

"Horst Seehofer hat in allem Recht, wenn er ordentliche Regeln für Deutschland schaffen will", sagt Horst Wohlgemuth über den Bundesinnenminister und blickt auf seinen picobello gepflegten Rasen. Für den Pensionär ist das Flüchtlingsthema das größte Problem in Deutschland, weil es die Gesellschaft spalte. "Europa muss da mehr zusammenarbeiten. Wenn nicht, dann wird der Kontinent endgültig auseinanderfallen", glaubt der 71-Jährige.

Wenn man Deutschland wie unter einem Brennglas sehen möchte, dann blickt man am besten in seine Schrebergärten. Junge, Alte, Arbeitslose, Gutsituierte, Migranten, Rechtspopulisten und Veganer graben und buddeln hier friedlich Zaun an Zaun. In Deutschland gibt es fast eine Million Kleingärtner.

Berlin Kleingärtner
Kleingärtner Mustafa Teke hält die deutsche Flüchtlingspolitik für eine KatastropheBild: DW/Bettina Stehkämper

Mustafa Teke hat vierzig Jahre  auf dem Bau gearbeitet, jetzt genießt der 61-Jährige jede freie Minute in seinem Garten. Die deutsche Asylpolitik hält er für eine einzige Katastrophe. "Ohne Ende kommen die Flüchtlinge rein, ohne Ende zocken sie Geld ab. Deutschland hat auch nicht mehr so viel Geld." Als junger Mann kam Mustafa Teke aus der Türkei nach Deutschland. Und arbeitete hart. Die Flüchtlinge würden, so glaubt Teke, sich nur Sozialleistungen erschleichen wollen. "Kein Wunder, dass sie hierherkommen: Deutschland ist schließlich das beste Land in Europa!"

Noelie Oguah-Kehrer rollt die Augen. "Es wird so getan, als seien Flüchtlinge das größte Problem. Doch das ist es nicht. Flüchtlinge hat es immer gegeben." Niemand weiß das besser als sie, als junge Frau kam sie aus Benin nach Deutschland. Heute arbeitet sie als Bürokauffrau in Berlin, ist mit einem Deutschen verheiratet. Oguah-Kehrer empfindet es als großes Privileg, sowohl die deutsche als auch ihre afrikanische Kultur zu kennen. Die 58-Jährige sieht das Miteinander vieler Kulturen als Gewinn, "wir lehnen es aber zunehmend in Deutschland ab und verlernen, damit umzugehen." Um dann lachend auf die Nachbargärten zu zeigen und zu sagen: "Ist doch schön, diese Vielfalt hier!"

Autorin: Bettina Stehkämper

Berlin ist berühmt für seine Vielfalt – die ostdeutsche Stadt Cottbus ist es nicht. Die Stadt in Brandenburg nagt nicht nur immer noch an den Folgen der deutschen Teilung, auch unter den Einwohnern ist eine Spaltung zu spüren. 

Cottbus: "Wir haben keine Regierung, nur eine Reagierung" 

Deutschland hat die große Herausforderung der Wiedervereinigung gut gemeistert. Aber die Spaltung zwischen Ost und West ist immer noch spürbar, für Einheimische - und Zugezogene.

Cottbus Problemviertel
Cottbus in Brandenburg: Wie geht man der Flüchtlingskrise um?Bild: DW/J. Chase

Im ostdeutschen Cottbus verhängte die Stadt Anfang des Jahres ein Zuzugsverbot für Flüchtlinge. Man fühle sich durch die Anzahl der Migranten überwältigt, lautete das Argument. Bloß: sie sind kaum präsent im Stadtzentrum. Im Außenbezirk Sachsendorf mit den kleinen Einkaufszentren und den DDR-Wohnblocks prägen dagegen auch Frauen mit Kopftuch und arabisch sprechende Männer das Straßenbild. Der Ausländeranteil in Cottbus ist innerhalb von zwei Jahren von 2,2 auf 8,5 Prozent hochgeschnellt. Es gab Messerstechereien und andere Gewaltvorfälle. Vorfälle, die Rechtspopulisten für sich zu nutzen verstehen.

Für die Alternative für Deutschland ist Cottbus-Sachsendorf Sinnbild für die "Migrantenflut", die Deutschland zu überschwemmen drohe. Und so lautet dann auch das offizielle Thema einer öffentlichen Podiumsdiskussion der Rechtspopulisten an einem Montagabend in der Altstadt. Rund 200 AfD-Anhänger lassen ihrem Zorn freien Lauf. Zentrale Beschwerde: Deutschland habe "die Kontrolle" über die Politik und die Gesellschaft verloren. Hauptschuldige: Kanzlerin Angela Merkel.

"Deutschlands größtes Problem ist momentan die Bundesregierung", sagt der Vorsitzende der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, im Gespräch mit der DW. "Wir haben keine Regierung, wir haben eine Reagierung!" Dies wirke sich auf alle politischen Felder aus: "Die wichtigen Probleme unseres Landes, die Migrationsproblematik, aber auch soziale Probleme, werden nicht angegangen." Die Lösung für Kalbitz und seine Parteifreunde ist denkbar einfach: "Merkel muss weg!" Und mit ihr auch die überwiegende Mehrheit der Migranten. "Die Macht", fordert Kalbitz, "soll wieder dem deutschen Volk gehören."

Sozialarbeiterin Juliana Meyer und Flüchtling Hassan
Sozialarbeiterin Juliana Meyer und Flüchtling Hassan wollen Integration vermittelnBild: DW/J. Chase

Aber wer ist dieses Volk? Nur ein paar Kilometer weiter besuchen zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls etwa 200 Cottbusser Bürgerinnen und Bürgern eine Diskussion, ebenfalls zum Thema Neuankömmlinge. Unter ihnen ist auch Juliana Meyer, sie koordiniert die Arbeit der Freiwilligen in Cottbus. Für sie gibt es keine Flut.

"Der Zuzugsstopp war nichts als PR, der gerade noch 30 Leute betroffen hat," erklärt sie.

Meyer betont die Bereitschaft unter Flüchtlingen, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Und darüber hinaus auch anderen Migranten zu helfen und sich so bei Deutschland für die Gastfreundschaft zu bedanken. Als Beispiel hat sie Hassan aus Syrien mitgebracht. Der junge Mann, der schon mehr als passabel Deutsch spricht, arbeitet als Übersetzer - und entspricht damit so gar nicht den Schreckensbildern, welche die AfD gerne zeichnet.

"Das größte Problem ist, dass die Menschen zu wenig miteinander sprechen oder auch ordentlich miteinander streiten, mit sachlichen Argumenten und Themen," sagt Meyer. Mit der AfD würde sie aber auch nicht reden. In einem Punkt sind sich die Sozialarbeiterin Meyer und der Rechtspopulist Kalbitz allerdings einig: Deutschland sei ein zutiefst gespaltenes Land, nicht nur beim Thema Flüchtlinge gehe ein tiefer Riss durch die Gesellschaft. "Das ist sehr schade", sagt ausgerechnet der syrische Flüchtling Hassan.

Autor: Jefferson Chase

Aber was ist, wenn aus Streit Gewalt wird? Die Polizei anrufen. Und wenn Polizisten selber zu Opfern der Gewalt werden?

Köln: "Das Maß ist voll!"

Jeder fünfte Einwohner Deutschlands kommt aus Nordrhein-Westfalen. Das Ende des Kohleabbaus und die Verlagerung der Bundesregierung nach Berlin haben das Land geschwächt. Seit der Silvesternacht 2015 in Köln sind die Sicherheitsbehörden in NRW in den Fokus der Medien gerückt. Wie gehen sie mit dem steigenden Druck um?

Die junge Polizistin blinzelt, dann trifft sie der Stein mit voller Wucht über der rechten Augenbraue. Sofort blutet die Frau, schluckt, in ihren Augen steht der Schock über den unerwarteten Angriff. Nur Fiktion, aber gut gemacht - mit einem bitteren Kern. Der Trailer der Kampagne "AuchMensch" zeigt schonungslos, welchen Gefahren Polizistinnen und Polizisten in Deutschland heute ausgesetzt sind. Während gefährliche Körperverletzungen in den vergangenen Jahren bundesweit weniger werden, steigen diese gegen Polizistinnen und Polizisten an.

Maike Neumann
Die Kölner Polizistin Maike Neumann engagiert sich für die Kampagne "AuchMensch"Bild: auchmensch.de

Maike Neumann ist das Gesicht der Kampagne, die junge Polizistin aus Köln will damit ein Zeichen setzen: "Die Gewalt gegen uns steigt, und die Erfahrungen, die wir machen, werden immer heftiger." Die 26-Jährige wurde schon bei einem ihrer ersten Einsätze in die Hand gebissen. "Wir werden von 14-Jährigen genauso attackiert wie von Rentnern, von Ausländern und Flüchtlingen genauso wie von Deutschen, von Männern genauso wie von Frauen."

Der Respekt gegenüber der Polizei sinke, das ziehe sich quer durch alle Schichten, berichtet Neumann. Etwa die Akademiker-Party, die die Polizistin beenden sollte: "Das war ein Fest mit Ärzten, Rechtsanwälten und Mitarbeitern von städtischen Unternehmen. Menschen, bei denen man davon ausgeht, dass sie sich ans Gesetz halten und dass sie, auch wenn sie Alkohol getrunken haben, wissen, was man macht und was man eben nicht macht." Am Ende griffen drei der Partygäste die Polizisten an. Macht der jungen Polizistin der Job trotzdem noch Spaß? "Es ist immer noch ein unfassbar toller Beruf, das Problem ist die Gesellschaft, in der wir arbeiten müssen", sagt Neumann.

Autor: Oliver Pieper

Hass gegen Respektpersonen und Figuren staatlicher Autorität - davon können auch Berliner Lehrer ein Lied singen. 

Zurück in Berlin: "Die Aggressivität nimmt zu!"

Symbolbild Moral
Was müssen Lehrer leisten und wo liegen ihre Grenzen?Bild: picture-alliance/dpa

Nicht nur Polizisten können solche Geschichten erzählen. Der Berliner Grundschullehrer Ulrich Clemens erinnert sich an ein Ereignis vor fünf Jahren: "Er hat mich beschimpft, er hat mich geboxt und an meinem Hemd gezogen." Der Vater eines libanesischen Schülers war damals unvermittelt ins Klassenzimmer gestürmt - mit fünf Kindern im Schlepptau. Der Schüler war in Clemens‘ sechster Klasse. Er hatte seinen Vater angerufen und behauptet, sein Lehrer habe ihn geschlagen. Eine glatte Lüge, wie sich später herausstellte. "Der Vater hat mich immer weiter beleidigt und auf die Schulter, auf den Oberarm und auch auf die Brust geboxt." Ein Schock für Clemens: "Ich darf mich ja nicht wehren. Oder auch mich schützen und zurückschlagen." Am Ende flüchtete der Lehrer in das Büro der Schulleiterin. Die reagierte - erstaunt. "Sie hat ohne mich mit der Gruppe gesprochen. Die Gruppe ist dann nach Hause gegangen. Und ich zum Arzt." Clemens‘ Blutdruck damals: 200. Extremer Stress.

Seit 1979 ist Ulrich Clemens Lehrer in Berlin, immer in sogenannten Problembezirken. "Bis zu diesem Vorfall im Jahr 2013 ist mir so etwas nicht passiert", versichert er. Die Ereignisse haben ihn geprägt. Er hat Zeitungsinterviews gegeben, will über seine Geschichte sprechen. Will erzählen, dass er sich von der Rektorin nicht richtig ernst genommen fühlte. Dass Behörden den Fall verschleppten. Und dass der Vater erst nach acht Monaten eine Geldstrafe von 800 Euro erhielt.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat im Frühjahr 1200 Schulleiter befragt. Demnach ist es in den vergangenen fünf Jahren an fast jeder zweiten Schule zu Gewalt gegen Lehrkräfte gekommen. An Grundschulen gab es dabei sogar den höchsten Anteil an körperlicher Gewalt. 2015 kamen mit den vielen geflüchteten Kindern neue Herausforderungen auf die Schulen zu. Viele Schulen in Berlin hatten schon vorher über mangelnde Ausstattung geklagt. Plötzlich wurden dringend neue Räume gebraucht, anders ausgebildete Lehrer, neues Arbeitsmaterial. Eine Überforderung.

Autorin: Charlotte Chelsom-Pill

Manche Deutsche führen einen vermeintlichen Sittenverfall auf den schwindenden Einfluss der christlichen Werte zurück. Aber im tiefkatholischen Bayern ist das Hauptsymbol des Christentum selbst zum Streitthema avanciert. 

Nürnberg und Passau: "Die Botschaft des Kreuzes ist Toleranz!"

Deutschland Altstadt von Nürnberg
Nürnberg in Bayern: Heimat der Lebkuchen und der deutschen Flüchtlingsbehörde BAMFBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Der Freistaat Bayern ist das größte Bundesland Deutschlands und mit einem Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung eine treibende Kraft für den deutschen Wohlstand. Landschaft und Sehenswürdigkeiten ziehen Touristen an. Aber in Bayern wird im Herbst gewählt: Einziges Thema: Grenzen für Flüchtlinge auf oder zu? 

In Nürnberg hat Klemens Gsell vermutlich einen der schönsten Arbeitsplätze Deutschlands. Von seinem Büro aus kann er den Nürnberger Hauptmarkt überblicken, auf dem im Dezember der berühmte Christkindlsmarkt stattfindet. Die Sonne scheint, durchs offene Fenster kann man hören, wie auf dem Platz vor dem Rathaus die Händler noch ihre letzten Stiegen Kirschen verkaufen.

Nürnberg geht es gut, konstatiert der dritte Bürgermeister und CSU-Mann. "Nürnberg hat eine wirtschaftliche Blüte, wie wir sie eigentlich noch nicht erlebt haben", sagt Gsell. Dies sei ein Erfolg der Großen Koalition aus SPD und CSU, die seit 2002 Nürnberg regiert. Die Einwohnerzahlen, Geburtenrate, Arbeitsplätze und Steuern - alles super. "Wir sind eigentlich mit Luxusproblemen beschäftigt." Zurzeit etwa wie viel Bus- und Bahnfahrkarten kosten dürfen. Da gebe es ein paar "Eifersüchteleien" zwischen den Parteien, wie es Gsell nennt, aber man raufe sich immer wieder zusammen. Nicht so in Berlin, wo sich seine Partei gerade kräftig mit der Schwester CDU zankt.

Dennoch kommt der Streit um die deutsche Flüchtlingspolitik derzeit vor allem aus Bayern - nicht zuletzt, weil hier im Oktober eine neue Landesregierung gewählt wird. Bislang war Bayern das Stammland der konservativen CSU, die mit Angela Merkels CDU zusammen den konservativen Block in der Berliner Regierung stellt. Doch die CSU sieht sich in Bayern von der AfD unter Druck gesetzt.

Was die Bürger in seinem Wahlkreis bewege, sagt der CSU Politiker Gsell, sei aber gar nicht so sehr die Zuwanderung an sich: "Es ist nicht: fremd oder nicht fremd, sondern: Halten wir uns an Regeln, oder halten wir uns nicht an Regeln?"

Passau Stephansdom
Grenzstadt Passau - Blick auf den StephansdomBild: DW/Maximiliane Koschyk

In Nürnberg hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Sitz. Ein Skandal über unzulässige Asyl-Entscheidungen der Behörde hat zuletzt das Land erschüttert. Das sieht auch Gsell so: Das Problem der Nürnberger sei heute, "dass das Vertrauen in Recht und Ordnung zurzeit zerstört ist oder zumindest hinterfragt wird."

Dass die Flüchtlingskrise nie ganz wegzudenken ist in Bayern, merkt man auch am anderen Ende des Bundeslandes: in Passau. Die Grenzstadt zu Österreich war in der Flüchtlingskrise 2015 besonders gefordert. Bis zu 7000 Geflüchtete erreichten die Stadt damals – jeden Tag.

Hoch oben auf einem der vielen Hügel ragt der Stephansdom. Wer ihn besuchen will, muss steile Treppen und enge Gassen hochsteigen. Trotzdem ist die Kirche am Sonntagmorgen um neun Uhr gut gefüllt. Domkapitular Manfred Ertl predigt heute. Es dauert nicht lang, bis er auf Flüchtlinge zu sprechen kommt und mehr Güte und Menschlichkeit ihnen gegenüber von seinen Zuhörern einfordert.

Passau Stephansdom
Domkapitular Manfred Ertl: Politiker sollen sich auf Werte besinnenBild: DW/Maximiliane Koschyk

"Es wäre gut, wenn manche Politiker, die in einer christlichen Partei sind, sich auf so manches, was ich heute gesagt habe, wieder besinnen würden”, erklärt der katholische Priester nach seiner Predigt. Die Zeiten, in denen das, was auf der Kanzel gepredigt werde, eine Wahl beeinflusse, seien zwar vorbei, sagt Ertl, aber: "Ich merke schon, dass ich mich bei einigen Themen kritisch äußern muss."

So auch beim sogenannten Kreuzerlass. Seit Juni hat in öffentlichen Gebäuden in Bayern ein Kreuz zu hängen, was Ertl an und für sich gut findet. Aber: "Das Kreuz Christi steht auch für Toleranz", mahnt der Priester und hat eine klare Botschaft an die bayerische CSU-Landesregierung in München: "Nehmt auch die Botschaft des Kreuzes ernst, wenn ihr es schon in eure Amtsstuben hängt. Und schaut, wie weit manchmal eure Entscheidungen von diesem Jesus entfernt sind!"

Autorin: Maximiliane Koschyk

 

Was bewegt Deutschland in diesen Tagen? Fünf Geschichten erzählen noch lange nicht die gesamte Geschichte.

Aber sie geben einen Einblick in das Leben der Deutschen und was sie bewegt. 

Deshalb wollen wir auch wissen: Was bewegt Sie? Schreiben Sie uns!