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Was die Welt zusammenhält

Klaus Ulrich22. März 2006

Selten beachtet, und doch ein Wirtschaftsmotor: Die deutsche Klebstoffindustrie ist globaler Marktführer - und mit mehr als 10.000 Arbeitsplätzen ein wichtiger Arbeitgeber in Deutschland.

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Marktführer in Deutschland: Die Firma Henkel produziert den "Pritt-Stift"Bild: picture-alliance/ dpa

Klebstoff wird heutzutage in allen Industriezweigen benötigt. Sei es der Automobilbau, die Haushalts- oder Elektroindustrie, die Bau-, Textil- und Medizinbranche, oder der Hochtechnologie-Bereich - überall wird geklebt. 15 bis 18 Kilogramm Klebstoff sorgen dafür, dass ein modernes Auto nicht auseinander fällt; alleine in einem Handy sind mindestens zehn verschiedene Klebstoffe verarbeitet.

Deutschland ist Marktführer

In diesem Jahr kann der Industrieverband Klebstoffe (IVK), der in Düsseldorf residiert, sein 60-jähriges Bestehen feiern. Ansgar van Halteren, der Hauptgeschäftsführer des IVK, stellt mit Genugtuung fest, dass die deutsche Klebstofftechnologie inzwischen globaler Marktführer ist. Jährlich würde Klebstoff im Wert von etwa 670 Millionen Euro exportiert; die Branche erwirtschafte einen Umsatz von etwa 2,7 Milliarden Euro. Das entspräche etwa 10 Prozent des weltweiten Absatzes, weiß van Halteren. "Das sind Klebstoffe, Dichtstoffe, Folien, Klebebänder und zementäre Bauklebstoffe."

Mit Abstand größter deutscher Hersteller ist die Düsseldorfer Firma Henkel. Alleine in ihrem Unternehmensbereich "Klebstoffe für Konsumenten und Handwerker" hat sie im vergangenen Jahr ihren Umsatz um mehr als 20 Prozent auf über 1,7 Milliarden Euro gesteigert.

Vor allem mittelständische Unternehmen

In der Breite wird die deutsche Klebstoffindustrie allerdings durch viele kleinere Unternehmen geprägt. "Also der Mittelstand spielt eine erhebliche Rolle. Wir haben in Deutschland ungefähr 100 Klebstoff-, Dicht- und Klebebandhersteller. Das sind nach typischer Definition kleine und mittelständische Unternehmen mit durchschnittlich 50 bis 60 Beschäftigten." Solche Unternehmen kooperierten normalerweise mit großen Maschinenherstellern, zum Beispiel für die Getränke-Abfüllung, indem sie die Klebstoffe speziell auf diese Maschinen abstimmten. Wenn solche Maschinen dann nach verkauft würden, könnte die Klebstoffindustrie ihre Klebstoffe gleich mitliefern. "Das ist einer der Erfolgsfaktoren der deutschen Klebstoffindustrie."

Die Automobilindustrie verwendet beim Bau eines modernen Neuwagens Klebstoff gleich kiloweise. Auch Karosserieteile werden geklebt. Im Vergleich zum Verschweißen hält der moderne Klebstoff besser, gleichzeitig schützt er vor Rost und wirkt damit konservierend. Hinzu komme ein nicht zu unterschätzender Sicherheits-Aspekt, erklärt van Halteren. Die nächste Klebstoff-Generation, so genannte "crash-resistente" Klebstoffe, die unter anderem in Auto-Karosserien eingesetzt würden, enthielte kleine Kunststoffteilchen. "Wenn ein Auto dann beispielsweise einen Auffahr-Unfall hat, dann wird die Aufprallenergie auch im Klebstoff absorbiert, so dass das Deformations-Verhalten des Autos ein ganz anderes ist, als das noch vor 15 Jahren der Fall war. Und somit tragen Klebstoffe auch ganz maßgeblich zur Sicherheit der Fahrer bei."

Klebstoff auch in Luftfahrt und Medizin

Jahresrückblick 2005 April Airbus A380
Viele Einzelteile werden mit Klebstoff zusammengehalten: Der A 380Bild: AP

Zum Vorzeige-Objekt der modernen Klebstoffindustrie entwickelt sich der neue Airbus A380 - das Superflugzeug, das demnächst mehr als 550 Passagiere befördern soll. Die Ingenieure mussten darauf achten, dass das Flugzeug im Vergleich zu seiner Größe extrem leicht ist, damit es überhaupt fliegt, und damit es wenig Treibstoff verbraucht. Dies wird durch eine spezielle, glasfaser-verstärkte Kunststoff-Aluminium Konstruktion wichtiger Flugzeug-Teile ermöglicht. Die einzelnen Komponenten dieser Verbundwerkstoffe werden - natürlich - miteinander verklebt.

Ein anderes Beispiel für die Anwendung moderner Superkleber ist die Medizintechnik: "Standard ist mittlerweile schon seit vielen Jahren das Einkleben von künstlichen Hüften." Der vorläufige Höhepunkt der Anwendung von Klebstoffen in der Medizintechnik sei aber sicherlich die Erfindung so genannter Fibrin-Klebstoffe. Körpereigene Fibrine - Stoffe, die eigentlich für die Wundheilung zuständig sind - würden zu Klebstoff verarbeitet, um dann damit im Körper Dinge zu verkleben, die man nicht nähen könne. "Das ist in der Neurochirurgie oder in der Mikrochirurgie mittlerweile schon Stand der Technik, dass der Chirurg weniger zu Nadel und Faden als zum Klebstoff greift." Daher sei es kein Wunder, dass das 21. Jahrhundert im Kreise der Hersteller als das "Jahrhundert des Klebens" bezeichnet wird.