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KlimaGlobal

Warum fühlt sich der Kampf für Klimaschutz hoffnungslos an?

19. Februar 2024

Eine überwältigende Mehrheit der Menschen unterstützt Klimaschutzmaßnahmen. Trotz Gegenwind. Um Fortschritte zu erzielen, müssten die Menschen aber erkennen, dass sie nicht allein seien, sagen Analysten.

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Eine aufgeblasener Ballon in als Erde mit der Aufschrift "Klima retten" für dem deutschen Bundestag
Wer an Demonstrationen für Klimaschutz teilnimmt, sieht ganz unmittelbar: Auch anderen ist das Thema wichtigBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Landwirte, die gegen die Klimapolitik der EU protestieren. Politiker, die den menschengemachten Klimawandel anzweifeln und weiter auf fossile Brennstoffe setzen. Verschwörungstheoretiker, die klimafreundliche Konzepte wie die 15-Minuten-Städte als Tyrannei bezeichnen: überall scheint es Gegenwind gegen Umweltreformen zu geben.

Und doch zeigen die Ergebnisse einer Anfang Februar veröffentlichten Studie, dass auf der ganzen Welt eine überwältigende Mehrheit der Befragten Umweltschutzmaßnahmen befürworten. Demnach unterstützen 86 Prozent der Weltbevölkerung diesen Kurs. 89 Prozent fordern sogar noch mehr politische Maßnahmen.

Für die Studie sprachen Forschende mit fast 130.000 Menschen entweder telefonisch oder persönlich. Die repräsentative Umfrage wurde in den Jahren 2021 und 2022 in 125 Ländern durchgeführt. Verantwortlich sind die Universität Bonn, das deutsche Leibniz-Institut für Finanzforschung SAFE und die Universität Kopenhagen.

Aktivisten mit orangenen Warnwesten sitzen auf einer Straße, davor Autos und ein Polizeimotorrad
Umstrittene Aktionen: Für ihre Straßenblockaden wurden Aktivisten der Gruppe Letzte Generation heftig kritisiert - aber auch von Passanten unterstütztBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Für Theo Schnarr von der Klimaaktivistengruppe Letzte Generation in Deutschland waren die Ergebnisse keine völlige Überraschung. Zu den Protestformen der Gruppe gehören auch umstrittene Straßenblockaden. Schnarr erinnert sich, dass er dabei oft Tee und Essen von Passanten bekam. Diese Unterstützung spiegelte sich jedoch selten in der Medienberichterstattung wider.

"Die Stimme der Mehrheit muss lauter werden", sagte Madalina Vlasceanu. Die Professorin für Psychologie an der Universität New York sagt zur DW, die Berichterstattung oder der öffentliche Diskurs konzentriere sich allzu oft auf das Negative. "Man hört die Mehrheit nicht. Was man hört, sind die wirklich lauten Extreme."

Unterschätzte Mehrheit 

Die Tendenz, sich auf das Negative zu konzentrieren, hat die öffentliche Wahrnehmung der Klimaschutzbemühungen verzerrt. Dabei würden viele etwas gegen die globale Erwärmung tun. 69 Prozent der Befragten wären bereit, mindestens ein Prozent ihres monatlichen Einkommens für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen.

Doch obwohl so viele bereit sind so zu handeln, unterschätzten die Befragten um 26 Prozentpunkte, wie viele ihrer Mitbürger das Gleiche tun würden.

Das kann Konsequenzen haben. "Menschen, die die öffentliche Unterstützung für Klimamaßnahmen systematisch unterschätzen, sind oft auch weniger bereit, selbst etwas zu tun", sagte Armin Falk, ein Bonner Wirtschaftsprofessor, der an der Studie beteiligt war.

Patrick Kennedy-Williams, Mitbegründer der in Großbritannien ansässigen Organisation "Klima-Psychologen" begegnet solchen Stimmungen in seiner Arbeit häufig. "Es gibt diese offensichtliche Diskrepanz zwischen unseren individuellen Gedanken, Gefühlen und Motivationen und dem, was wir von den Menschen um uns herum wahrnehmen. Das führt zu einem geringeren Gefühl der kollektiven Wirksamkeit", sagt der klinische Psychologe der DW.

Ein indonesisches Dorf versinkt im Meer

Eine Studie der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation ecoAmerica aus dem Jahr 2023 ergab, dass 42 Prozent der Amerikaner "sehr besorgt" über den Klimawandel sind. Sie glaubten aber, dass nur 14 Prozent der Menschen um sie herum dies ebenso empfinden. Dieselbe Umfrage zeigte, dass vier von zehn Amerikanern nicht wissen, was in ihrem Umfeld oder in ihrem Ort gegen den Klimawandel getan wird.

Klimaangst kann lähmend sein

Diese Diskrepanz schürt Klimaangst: ein überwältigendes Gefühl von Schuld oder Panik angesichts der globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen. "Das ist eine isolierende Erfahrung", sagte Kennedy-Williams.

Verstärkt würden diese Gefühle durch durch eine Flut von belastenden schlechten Nachrichten, untätige Regierungen oder unehrliche Praktiken wie Greenwashing, bei denen sich Unternehmen ohne Grundlage ein umweltfreundlicheres Image geben. "Und das kann zyklisch werden: Je größer unsere Klimaangst ist, desto schlechter nehmen wir die Menschen um uns herum wahr."

Klimaschutz politisch aufgeladen

Hinzu kommt: "Das Thema Klima ist in vielen Teilen der Welt politisiert worden", sagt Li Shuo, der das China Climate Hub am Asia Society Policy Institute in Washington leitet. Drängende Probleme - wie die Umstellung auf umweltfreundliche Energien, zerstörerische Auswirkungen extremer Wetterverhältnisse - würden dadurch wie parteistrategische Fragen behandelt.

Das verzögere dringend gebrauchte Veränderungen, sagt Li, der zuvor viele Jahre bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace tätig war. "Und ich glaube, diese Dynamik wird durch soziale Medien begünstigt und verschärft", fügte er hinzu.

Ein Erdöl-Bohrtum in der Abenddämmerung in Kalifornien
Manche Politiker wollen aus strategischen Interessen nicht auf fossile Brennstoffe verzichten - zulasten des KlimasBild: Gary Kazanjian/AP/picture alliance

Psychologie-Professorin Vlasceanu hebt in ihrer Studie hervor: Die Leugnung des Klimawandels ist in den sozialen Medien immer noch weit verbreitet. Selbst wenn immer mehr Menschen beginnen, die Realität des Klimawandels zu akzeptieren.

"Falschinformationen sind bei diesem Thema von entscheidender Bedeutung und das Hauptwerkzeug, um Maßnahmen zu verzögern", sagt sie und fügt hinzu: "Solange man die Öffentlichkeit nur genug verwirrt und ein wenig Zweifel aufkommen lässt, haben die Menschen eine Entschuldigung, sich dem Problem nicht zu stellen."

Was kann man tun?

Um den Pessimismus überwinden zu können, schlägt Li vor, Wege zu finden, das abstrakte Thema Klimawandel auf den Alltag herunterzubrechen. Also den Menschen zu zeigen, wie ihre Zukunft zum Beispiel mit saubererer Luft und einer kohlenstoffarmen Wirtschaft besser sein könnte. "So kann eine düstere, manchmal hoffnungslose Herausforderung zukunftsorientiert betrachtet werden", sagt er.

Psychologe Kennedy-Williams stimmt dem zu. Er warnt aber davor, sich zu sehr auf die Vorteile neuerer Technologien wie Wärmepumpen zu verlassen. Diese teuren Lösungen könnten die Menschen wegen der hohen Kosten abschrecken.

"Sie sehen sich selbst nicht in diesen Debatten und daher auch nicht als Teil der Lösung", sagte er. Als positives Beispiel erzählt Kennedy-Williams von Kampagnen im Osten Londons. Diese bringen Menschen den Klimawandel näher, indem sie zeigen, wie sich die Luftverschmutzung auf ihre Familien auswirkt.

Solche Aktionen zeigten den Menschen, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind. "Die Situation ist nicht hoffnungslos", sagt Klima-Aktivist Theo Schnarr. "Die Menschen sind bereit für einen Wandel, man muss ihn nur einleiten." 

Jetzt oder nie: wie können wir das Klima noch retten?

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr