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Warten auf die Entscheidung über russischen NGO-Gesetzentwurf

8. Dezember 2005

Die zweite Lesung des Parlaments zum umstrittenen Gesetzentwurf wurde auf den 16. Dezember verschoben. Nicht nur in Moskau, überall in Russland warten Beobachter auf eine Entscheidung. Ein Beispiel aus St. Petersburg.

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Die Abgeordneten in der Duma in Moskau nehmen sich ZeitBild: dpa - Bildarchiv

Eine der ersten gesellschaftlichen Organisationen in Sankt Petersburg war die Bürgerkontrolle, die von Menschenrechtlern 1992 gegründet wurde. Mitarbeiter der Bürgerkontrolle veranstalten Seminare zu unterschiedlichen Aspekten des Schutzes der Bürgerrechte und geben wissenschaftliche Literatur heraus. Ferner beraten sie Menschen, deren Rechte von Behörden verletzt werden. Organisatorische und finanzielle Hilfe erhält die Bürgerkontrolle von der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Ford Foundation, der Gagarin-Stiftung und vielen anderen ausländischen Sponsoren.

Der Vorsitzende der Bürgerkontrolle, Boris Pustynzew, sagte der Deutschen Welle über den Gesetzentwurf: "Ich bewerte ihn als eine Art Kriegserklärung an die Bürgergesellschaft. Andererseits ist das wahrscheinlich einfach eine Erscheinungsform des Tschekisten-Instinkts, alles zu kontrollieren, was sich bewegt. Ich denke, diese skandalöse Geschichte wird sich nicht schnell auflösen. Ich gehe aber davon aus, dass das Gesetz vorerst nicht durchkommt. Das ist wahrscheinlich der erste Fall, wo ein Gesetz, das ganz klar von der Regierung initiiert wurde, auf solche Unzufriedenheit und solchen Widerstand stößt."

Bürgerinitiativen sollen erstickt werden

Eine ähnliche Ansicht vertritt auch die Vorsitzende der gesellschaftlichen Menschenrechtsorganisation Petersburger Soldatenmütter, Ella Poliakowa. Sie sagte der Deutschen Welle: "Das ist vor allem ein restriktives Gesetz gegen die Bürgergesellschaft. Es versucht, Bürgerinitiativen mit dem Ziel, aktiv gewaltlos Bürgerrechte zu verteidigen, zu ersticken." Poljakowa verweist auf die Erfahrungen der sowjetischen Dissidenten, die unter Bedingungen eines brutalen autoritären Regimes tätig waren.

Nahe an zivilem Ungehorsam

Seit 17 Jahren befasst sich das Petersburger wissenschaftliche Forschungszentrum Memorial mit den Erfahrungen jener Dissidenten. Die Vorsitzende des Zentrums, Irina Flige, ist der Meinung, dass es heute Kräfte gibt, die in der Lage sind, Versuche der Staatsmacht zu bekämpfen, zum einem autoritären System zurückzukehren: "Ich denke, dass die heutige Lage nahe an zivilem Ungehorsam ist. Das eine realistische Situation im heutigen gesellschaftlichen Leben. Bei uns stellt sich die dringende Frage: Zu was ist die Gesellschaft in der Lage? Haben wir genügend gesunde Kräfte, Menschen und innere Freiheit, um sich für Bürgerinteressen einzusetzen und sich der kriminellen Staatsmacht zu widersetzen?"

Vladimir Izotov, Sankt Petersburg
DW-RADIO/Russisch, 6.12.2005, Fokus Ost-Südost