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Warten auf den großen Regen

22. Juli 2003

Die anhaltende Dürre macht den deutschen Öko-Bauern das Leben ebenso schwer wie ihren Kollegen in der konventionellen Landwirtschaft. Der bayerische Öko-Bauer Peter Großmann rechnet mit einem Drittel weniger Gewinn.

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Retten, was zu retten istBild: AP Photo/Matthias Rietschel

Was vor Generationen noch zu Hungersnöten geführt hätte, bekommen die Verbraucher heute kaum zu spüren. Um durchschnittlich 30 Prozent wird 2003 die deutsche Ernte nach Einschätzung von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wegen der Hitzeperiode der vergangenen Wochen geringer ausfallen. "Wegen der Trockenheit müssen wir mit einer Missernte rechnen, wie wir sie zuletzt 1947 erlebt haben", betont Sonnleitner. Bürger und Nahrungsmittelindustrie bräuchten jedoch keinerlei Versorgungsengpässe zu fürchten. Der europäische Markt sei bei der Landwirtschaft so durchlässig wie nie zuvor, die ausländische Konkurrenz warte nur darauf, ihre Waren nach Deutschland zu liefern. So müssten etwa Bayerns Bierbrauer wegen der Ernteausfälle nun rund 150.000 Tonnen Braugerste aus Frankreich und Dänemark importieren.

Katastrophe

Die Missernte stellt für die heimischen Landwirte eine Katastrophe dar. Etwa für den Ökobauer Peter Großmann aus dem oberbayerischen Pasenbach, der 110 Hektar Fläche für Getreide- und Biogemüseanbau bewirtschaftet - als Vertragspartner mehrerer Handelsketten und des Babynahrungsherstellers Hipp. "Ich rechne insgesamt dieses Jahr mit 50 Prozent weniger vom Gesamtumsatz, beim Gewinn wird der Einbruch noch größer sein", betont der 44-Jährige. "Entscheidend sind die kommenden zwei, drei Wochen. Wenn es dann nicht richtig regnet, ist es auch mit der Gemüseernte vorbei", erklärt der gelernte Landwirtschaftsmeister.

Er hat ein Bündel Kartoffeln aus dem Acker gerissen, an den Knollen wachsen bereits neue Triebe und Sprösslinge. "Ich habe so etwas um diese Zeit noch nie gesehen, eigentlich müssten die Kartoffeln jetzt erst einmal ausreifen", sagt der Ökobauer. Die Pflanzen hätten durch die extreme Hitze und Trockenheit aber "einen großen Stress, der ihr Wachstum komplett durcheinander bringt", betont der Landwirt, der seinen Hof mit modernsten Methoden betreibt.

Ertragsmängel

Bei den Kartoffeln sei noch spannend, ob die Sprösslinge weiter wachsen, oder einfach verfaulen. Bei seinem riesigen Zwiebelfeld ist das Desaster dagegen perfekt: Der Wind vom Vorabend hat die Lauchtriebe der durch die Trockenheit geschwächten Pflanzen massenweise umgeknickt. "Mit dem Wachstum ist es jetzt vorbei, drei Wochen früher als sonst", sagt Großmann. Eigentlich hätte jetzt die Wachstumsphase begonnen, die den Profit ausgemacht hätte, nun fehlt ein Drittel des Gewichts und damit des geplanten Ertrags.

2.500 Euro koste der Aufwand beim Ökolandbau auf dem Zwiebelfeld mehr, etwa um das Unkraut zu entfernen, Kosten die er jetzt nicht mehr reinholen kann. Sein Handelspartner Rewe werde sich nun zusätzlich bei Ökobauern im Ausland eindecken: "Die Österreicher werden sich freuen", sagt der Landwirt.

Nur der Preis zählt

Der Wettbewerb sei im Ökolandbau mindestens genauso hart wie in der konventionellen Landschaft. "Das einzige was zählt, ist der Preis", sagt der Landwirt, der seinen Betrieb vor acht Jahren auf Ökolandbau umgestellt hat. "Ich habe mich damals gefragt, was ist wirtschaftlich interessanter", sagt Großmann, der sich als Vollblut-Landwirt bezeichnet und auch nichts gegen konventionelle Anbaumethoden hat.

Die Ökobranche sei alles andere als romantisch. Kürzlich habe er einen Großabnehmer bei Öko-Pastinaken an einen polnischen Konkurrenten verloren, dabei ist er selbst auf ausländische Saisonarbeiter angewiesen, um sich den aufwendigen Ökoanbau leisten zu können. "Die Polen nehmen dann Ukrainer, die arbeiten dann für einen Euro die Stunde", berichtet der Bauer mit bitterem Grinsen über die Öko-Globalisierung.

Das Problem am deutschen Markt seien laufend steigende Kosten bei sinkendem Ertrag. Die Trockenheitskrise sei zwar in ihrem Ausmaß ein Extrem, liege aber im Trend. "Seit zehn Jahren gehen die Erträge kontinuierlich zurück", sagt Großmann, "auch wir Landwirte müssen uns langfristig auf eine Klimaveränderung einstellen". (mas)