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Wambach: "Die Diskussion ist eröffnet"

Zhang Danhong
18. Mai 2017

Die Ideen von Emmanuel Macron zur Vertiefung der Eurozone stößen in Deutschland auf Skepsis. ZEW-Präsident Achim Wambach sieht die Währungsunion dennoch auf dem richtigen Weg.

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ZEW-Chef Achim Wambach
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

DW: Emmanuel Macron, der neue französische Präsident, will die Währungsunion Schritt für Schritt zu einer politischen Union ausbauen, Deutschland tritt auf die Bremse. Verkehrte Welt, oder?

Prof. Wambach: Zunächst ist das erst mal nur ein Begriff. Was genau macht eine politische Union aus? Macron ist Europäer und sieht  Reformbedarf auf europäischer Ebene. Ich glaube, dass auch die Bundesregierung ihm in einigen Punkten ganz gut folgen kann. Insofern ist jetzt die Diskussion eröffnet.

In welchen Punkten?

Wir haben am ZEW eine Umfrage unter französischen und deutschen Abgeordneten durchgeführt und dabei gefragt, welche Reformvorschläge die Parlamentarier unterstützen würden und welche nicht. Interessanterweise gab es eine hohe Übereinstimmung bei einer stärkeren europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung und im Bereich der Außenpolitik, zum Beispiel bei der Einrichtung gemeinsamer Konsulate. Auch eine gemeinsame Investitionspolitik wird sowohl von französischer als auch deutscher Seite befürwortet. Keine Übereinstimmung gab es mit Blick auf Eurobonds und eine europäische Arbeitslosenversicherung.

Von Eurobonds ist erstmal nicht die Rede, von einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung schon. Kann man den Deutschen dann vermitteln, warum sie mehr arbeiten und später in Rente gehen als die Franzosen?

Die europäische Arbeitslosenversicherung ist schon länger in der Diskussion. Es ist unumstritten, dass andere agieren müssen, wenn ein EU-Mitglied Probleme hat. Dafür wurde zum Beispiel der ESM eingerichtet und die Bundesregierung überlegt, den ESM zu  einem Europäischen Währungsfonds weiter zu entwickeln, der dann in Krisenfällen helfen soll. Die europäische Arbeitslosenversicherung wäre eine Art automatischer Stabilisator, der die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in den Teilnehmerländern im Krisenfall automatisch unterstützen soll. Im Detail ist dieser Mechanismus sehr aufwendig und es ist darauf zu achten, dass es nicht dazu kommt, dass eine solche Versicherung zu einer permanenten Transferunion in Europa führt. Das sehen viele der Konzepte allerdings auch nicht vor.

Macron will ein Euro-Parlament. Der französische Ökonom Thomas Piketty denkt bereits einen Schritt weiter. Es würde in diesem Parlament anders über Schulden diskutiert als bisher, weil Frankreich, Italien und Spanien die Mehrheit hätten. Ist Macron tatsächlich ein teurer Freund, wie ihn Spiegel betitelt?

Dabei handelt es sich zunächst um Überlegungen. Ich halte dieses europäische Parlament mit Entscheidungshoheit über Schulden allerdings nicht für den richtigen Weg. Ich glaube, es ist auch nicht die Antwort auf das, was wir beobachten. Die Briten sind nicht ausgetreten, weil sie der Meinung waren, dass wir zu wenig Brüssel haben. Und mehr als 40 Prozent der Franzosen haben bei den Präsidentschaftswahlen die Kandidaten der Links- und Rechtsparteien gewählt, die sich dezidiert gegen Brüssel geäußert haben.

Zu den Schwierigkeiten in der Währungsunion gehört auch, dass sich Deutschland und Frankreich unter demselben Begriff oft etwas Unterschiedliches vorstellen. Beispiel gemeinsamer Finanzminister.

Das Problem resultiert daraus, dass Begriffe verwendet werden, die nicht präzise definiert sind. Die Bundesregierung hat von einem europäischen Finanzminister gesprochen, aber hat vermutlich im Hinterkopf etwas anderes als der französische Präsident. Wir haben mit Pierre Moscovici bereits jetzt einen EU-Kommissar, der für Finanzen zuständig ist und entsprechende Aufgaben wahrnimmt. Am Ende ist es entscheidend, was das Aufgabenpaket wäre, das ein gemeinsamer Finanzminister für die Eurozone hat.

Was ist mit der gemeinsamen Budgetierung der Eurozone?

Auch hier gilt: Wir haben ein Budget in Europa, das für gemeinsame Projekte eingesetzt wird. Diesbezüglich beginnt jetzt die Diskussion über den nächsten Finanzrahmen. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob die richtigen Projekte verfolgt werden.  Manche Kritiker argumentieren, dass zu viele Gelder in den Agrarbereich fließen. Wenn nun neue Aufgaben und Projekte beschlossen werden, zum Beispiel im Bereich der Verteidigung, dann wird das auch budgetäre Konsequenzen haben. Die Forderung nach einem gemeinsamen Finanzminister mit einem eigenen Budget ist noch sehr grob. Es müssen Details folgen.

Wolfgang Schäuble erwartet von anderen Euroländern, dass sie ihre Hausaufgaben machen. Mit anderen Worten, die anderen sollen ein Stück deutscher werden. Wird das in anderen Ländern zu Recht als die deutsche Arroganz empfunden?

Dass Strukturreformen notwendig sind, ist unbestritten. Emmanuel Macron hat zum Beispiel ein Wahlprogramm vorgelegt, das Reformen auf dem Arbeitsmarkt vorsieht. Er will die Unternehmenssteuer reduzieren, Rentensysteme angleichen und mehr in die Ausbildung investieren. Einerseits fehlt in Frankreich die duale Ausbildung. Auch deswegen herrscht dort eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit. Andererseits müssen wir uns daran erinnern, dass die Europäische Kommission seit Jahrzehnten kritisiert, dass der Dienstleistungssektor in Deutschland nicht ausreichend liberalisiert ist und es Unternehmen aus dem europäischen Ausland somit schwerfällt, ihre Dienstleistung in Deutschland anzubieten. Insofern müssen wir in puncto Reformen auch vor der eigenen Tür kehren.

Wo können sich beide Länder treffen?

Deutschland und Frankreich waren und sind schon immer die starke Achse in Europa. Das hat weiterhin Zukunft. Beide Länder verbinden viele Gemeinsamkeiten. Unsere Industrien arbeiten eng zusammen, gerade hat Peugeot Opel von General Motors übernommen. Wenn diese Achse gut funktioniert, dann funktioniert auch Europa gut.

Die Eurozone besteht aber nicht nur aus Deutschland und Frankreich. Was kann man realistischerweise nach der Bundestagswahl erwarten?

Der Euro ist stark in die Kritik gekommen. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass wir gerade die größte Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg hinter uns gebracht haben. In einer solchen Krise stößt jedes Währungssystem an seine Grenzen. Die Währungssysteme, die wir vorher hatten, sind auch abgelöst worden, denken wir an das Bretton-Woods-System. Auch flexible Wechselkurse hatten in der Vergangenheit ihre Probleme. Im Moment sieht es für den Euro allerdings gar nicht so schlecht aus. Die europäische Wirtschaft wächst wieder. Frankreich wird selbst ohne  Reformen für die nächsten beiden Jahre ein ordentliches Wirtschaftswachstum prognostiziert. Der Weg stimmt.

Prof. Achim Wambach ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Das Interview führte Zhang Danhong.