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Viele Bäume machen noch keinen Wald

Ruth Krause /ke23. September 2015

Die Zerstörung der Wälder soll bis zum Jahr 2020 gestoppt sein. So steht es im neuen Entwicklungsziel Nummer 15. Das klingt beeindruckend, reicht aber noch nicht aus, sagen Umweltschützer.

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Kenia Brandrodung
Bild: picture-alliance/OKAPIA KG

Im Jahr 2020 wird es keine Zerstörung der Wälder durch Abholzung mehr geben. Diese hoffnungsvolle Aussage ist Teil einer langen Liste von globalen Entwicklungszielen. Die meisten anderen Sustainable Development Goals (SDGs) haben eine längere Laufzeit, sie sollen erst 2030 erreicht werden. Dass der Waldschutz schneller umgesetzt werden soll, könnte als klarer Sieg für die Arbeit von Umweltschützern verstanden werden. Doch die sagen, das Vorhaben reiche nicht weit genug. Ganz einfach, weil Wälder mehr sind, als nur eine Ansammlung von Bäumen.

Das Wälder eine bedeutende Rolle in den SDGs haben, ist kaum verwunderlich. Sie bedecken immerhin ein Drittel der Fläche unseres Planeten. "Wälder haben eine Menge zu bieten für die nachhaltige Entwicklung, weil sie so vielseitig sind", sagt Eva Müller von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). "Sie sind wichtig für Klima und Boden, zur Regulierung der Wasserströme, sie bieten Einkommensmöglichkeiten und noch vieles mehr."

Nach Angaben der FAO wurden wichtige Schritte hin zum Schutz der Wälder bereits unternommen. Seit 2009 habe sich die Geschwindigkeit der Abholzung halbiert, schreibt die Organisation in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Im selben Zeitraum seien 110 Millionen Hektar Wald gepflanzt worden. Das entspricht sieben Prozent der weltweiten Waldfläche.

Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht

Die Zahlen sehen auf dem Papier vielleicht gut aus, sie vermitteln aber ein falsches Bild, sagt Isis Alvarez von der Global Forest Coalition, einer Vereinigung von knapp 80 Waldschutz-Organisationen.

"Für die FAO sind auch Plantagen Wälder", so Alvarez. "Wenn man die aber vom biologischen Standpunkt aus betrachtet, wird es kompliziert. Plantagen aus Monokulturen können sehr negative Auswirkungen für die Bevölkerung haben, vom eigentlichen Waldschutz ganz zu schweigen."

Aufgeforstete Gebiete, auf denen Monokulturen wachsen, sind anfälliger für Schädlingsbefall, und bieten dem Boden viel weniger Nährstoffe . Außerdem finden hier wesentlich weniger Arten ein zuhause, als in einem natürlich gewachsenen Wald. Wenn man sich das vor Augen führt, sagt Alvarez, sollte diesen Gebieten nicht die gleiche Einstufung gegeben werden. "Aber für die FAO sind sie das gleiche, nur so können sie behaupten, dass sich die Entwaldung halbiert hat. Aber das stimmt einfach nicht."

"Es gibt mehrere Organisationen, die dafür gekämpft haben, die Wald-Definition zu ändern und Monokultur-Plantagen auszuklammern", sagt sie.

Auch Jonas Hein bestätigt diese Ansicht. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik fordert, dass es keine Schlupflöcher mehr geben dürfe. "Ist eine Monokultur-Plantage mit Fichten am unteren Rand eines deutschen Gebirges tatsächlich das, was wir unter nachhaltiger Waldbewirtschaftung verstehen?"

SDGs vernachlässigen Bedeutung der indigenen Bevölkerung

Heins Sorgen im Zusammenhang mit dem 15. Ziel auf der Entwicklungsagenda gehen noch weiter. "Ich bin überrascht, dass indigene Gemeinschaften nur in den letzten Punkten erwähnt werden und nur im Bezug auf Wilderei", sagte er.

Für ihn ist die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung der Schlüssel für erfolgreiches Waldmanagement. Darauf müsste in den SDGs viel deutlicher hingewiesen werden. "Wenn man einen geschützten Bereich vergrößern möchte, ohne die Bevölkerung zu beteiligen, wird das nicht funktionieren."

Auch Isis Alvarez befürwortet diesen Ansatz. Sie hat sich nachdrücklich dafür eingesetzt, indigene Gruppen und deren traditionelles Wissen in den SDGs zu berücksichtigen. Nicht zuletzt, weil es gerade diese Gemeinschaften sind, die das größte Interesse an der Erhaltung des Waldes haben. "Aber das ist nicht passiert", sagte sie. "Und das ist furchtbar. Man sollte Menschen mehr Beachtung schenken, die besonders von der Entwicklung betroffen sind, gerade weil sie von den Ressourcen abhängen."

Ab wann ist ein Ziel zu ehrgeizig?

Kann man also dem Anspruch gerecht werden, und in den kommenden viereinhalb Jahren den Waldverlust tatsächlich beenden? "Das Ziel ist sehr ehrgeizig und es ist schwer vorauszusagen, ob es erreichbar ist, oder nicht", so Hein. Er glaubt, die, die einzige Möglichkeit für eine erfolgreiche Umsetzung liegt darin, der der Bevölkerung vor Ort, ein geregeltes Einkommen zu verschaffen. Nur dann, sagt er, könnten die Menschen aufhören, den Wald abzuholzen und das Holz zu verkaufen.

"Es könnte funktionieren, wenn wir vernünftige Anbausysteme integrieren können", fügt er hinzu. "Der Wald könnte zum Beispiel Holz liefern, Obstbäume sorgen für Ernährungssicherheit und Nutzpflanzen wie Kaffee und Kakao gleichzeitig für ein geregeltes Einkommen." Eine solche Mehrfachnutzung würde mehr Geld bedeuten und die Wälder auf die gleiche Stufe stellen, wie landwirtschaftliche Flächen. Ganz ohne Risiko ist die kurzfristige Einführung solcher Projekte allerdings auch nicht.

Selbst wenn es nicht gelingen sollte, das ambitionierte Ziel zu erreichen, Hein und Alvarez sind froh, dass es überhaupt diskutiert wird. Nur so werden Menschen darauf aufmerksam, können aktiv werden und ihre Regierungen auffordern, etwas zu tun. Und das ist, was am Ende zählt. Der Druck, den die Öffentlichkeit erzeugen kann, ist immer noch die stärkste Waffe, den Wald zu schützen.

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