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Wahre Freunde

Daniel Scheschkewitz 20. Mai 2002

Während Präsident Bush in Berlin mit zahlreichen Protestkundgebungen begrüßt wird, erwartet ihn in Moskau ein freundlicherer Empfang, schreibt DW-Korrespondent Daniel Scheschkewitz aus Washington.

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Bush kommt nach Europa. Beim Pressebriefing für die Auslandskorrespondenten treibt es vor allem die deutschen Journalisten um. Macht man sich im Weißen Haus keine Sorgen wegen der angekündigten Gegendemonsrationen in Berlin? Die hohen Regierungsbeamte zucken milde lächelnd mit den Schultern. Das gehöre eben zur Demokratie heisst es. Auf den Gängen raunen sich Auslandskorrespondeten die Webseite der radikalen Bushgegner zu . “So what? “ ist die Reaktion der US-Kollegen. Haben wir nicht jahrzehntelang auch dafür die Freiheit im Westen Berlins verteidigt? Natürlich weiß man in der Bush-Regierung, dass Amerika nicht nur Freunde hat auf dieser Welt. Doch die Wertgemeinschaft, so wird betont, sei ein ausreichend stabiles Fundament für die transatlantischen Beziehungen.

Ich habe da so meine Zweifel. Wenn man mit Deutschen redet, und die Mikrofone augeschaltet bleiben, hat man häufig den Eindruck, Bush sei zum Synoym für einen schiesswütiges, eigensinniges Amerika geworden, dass dem Rest der Welt seinen Cowboyhut aufzwingen will.

Szenenwechsel. Beim Hintergrundgespräch in der deutschen Botschaft wird ein noch rosigeres Bild vom deutsch-amerikanischen Verhältnis gemalt. Von A , wie Afghanistan, über B wie Balkan, bis zum T wie in Terrorismusbekämpfung - derzeint scheint kein Blatt zwischen Deutschland und die USA zu passen, so eng sei der Schulterschluss, will man uns glauben machen.

Erfahrene USA-Korrespondenten reiben sich verwundert die Augen. Denn dies ist nur die eine, die offizielle Seite der Medaille. Trotz der uneingeschränkten Solidarität des Kanzlers, die natürlich Eindruck gemacht hat, sind auch auf dieser Seite des Atlantiks häßliche Artikel erschienen, gerade in jüngster Zeit. Von schlappschwänzigen Europäern, mit denen im Krieg gegen die Terroristen kein Staat zu machen sei. Und von Antisemiten die wegen ihrer Kritik an Israel gleich in den Verdacht geraten, den Holocaust vollenden zu wollen. Das feindliche Amerikabild auf dem alten Kontinent hat durchaus sein Echo in der neuen Welt.

Wenn es in Berlin zu häßlichen anti-amerikanische Szenen kommen sollte, werden die Fernsehnetworks diese Bilder auch in die USA zurücksenden und die Bushworte von der unverbrüchlichen Freundschaft im Reichstag werden vor dieser Kulisse schal klingen. Tags darauf wird die russische Bevölkerung dem amerikanischen Präsidenten einen vergleichsweise freundlichen Empfang bereiten. Könnte sein, dass sich die Amerikaner langsam zu fragen beginnen, wer ihre echten Freude in Europa sind.