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Wahlkampf mit Schaschlik und Würstchen

23. Mai 2002

– Tschechiens größte Oppositionspartei leitet heiße Wahlkampfphase ein

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Prag, 22.5.2002, PRAGER ZEITUNG

Nach außen hin stehen die Zeichen voll auf Sieg. Doch ob es reichen wird, ist mehr als fraglich. In den jüngsten Meinungsumfragen haben die Sozialdemokraten (CSSD) die bürgerliche ODS überholt. Das weiß auch Vaclav Klaus. Der unangefochtene Parteichef der Konservativen gibt sich deshalb auch kämpferisch. "Die Wahlen sind noch nicht entschieden", verkündet der ehemalige Premierminister am Ende seiner halbstündigen Rede am unteren Ende des Prager Wenzelsplatzes.

Hier hat sich die Parteispitze am vergangenen Montag (20.5.) versammelt, um öffentlich die heiße Phase des Wahlkampfes einzuleiten. Knapp vier Wochen bleiben noch, um die Wähler zu überzeugen. Die Stimmung im Wahlvolk ist unentschieden. Die Rede vom "kleineren Übel" macht die Runde. Gerade jetzt sind gestandene Wahlkämpfer gefragt.

Klaus gehört eigentlich nicht zum Typus Politiker, der durch mitreißende Reden die Massen beeindruckt. Seine weiche, fast schon feminine Stimme vermittelt Nachsicht und Geduld. Doch gerade diese Eigenschaften haben ihm in den frühen 90er Jahren das Vertrauen der Massen und den Spitznamen "Herr Professor" eingebracht. Auf der anderen Seite gilt der 61-Jährige als arrogant und nachtragend. (...)

Klaus gehört zu den altbekannten Gesichtern in der tschechischen Politik. Nach der Samtenen Revolution übernahm der studierte Ökonom zunächst das Finanzministerium, ehe er von 1992 bis 1997 Ministerpräsident war. Seit 1998 ist Klaus Parlamentspräsident. Ihm werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. Doch zunächst will er die Wahlen gewinnen und auf den Premierministersessel zurückkehren. Dazu verteilt die Partei eine Broschüre, in der Klaus erklärt: "Warum ich nochmals dorthin gehe." Diese Broschüre wird kostenlos verteilt. Auch heute am unteren Ende des Wenzelsplatzes. Gern wird sie von den mehreren Hundert ODS-Anhängern genommen.

Die ODS-Wahlveranstaltung ist recht gut besucht, lange Schlangen stehen vor den Ständen, an denen kostenlos Würstchen oder Schaschlik ausgegeben werden. "Wie unter den Kommunisten", witzelt ein älterer Mann. Doch erntet er dafür böse Blicke. Nein, mit den Kommunisten wollen sie hier wirklich nichts zu tun haben. "Die ODS wählt das Ende der alten Zeiten", heißt die jüngste Wahlkampagne.

"Der Sozialismus kann christdemokratisch oder sozialdemokratisch sein", warnt Klaus vor den politischen Gegnern. Schluss müsse jetzt sein mit der "sozialistischen" Regierung, "die tschechischen Sozialisten haben eine einmalige Chance bekommen." Das Ergebnis sei eine kollektivistische Welt voller Vorschriften.(...) "Wir haben fünf Jahre verloren. Diese fünf Jahre müssen wir jetzt nachholen." (...)

Die Menschen hören Klaus zu, hier und dort klatschen sie ein wenig anerkennenden Beifall. Klaus ist in seinem Element und verteilt in seiner Ansprache Seitenhiebe, zum Beispiel auf die Demonstrationen, die am oberen Ende des Wenzelsplatzes stattfinden, wie etwa vor einem Jahr zur Unterstutzung der Rebellen beim Tschechischen Fernsehen. "Freiheit ist nicht Anarchie, sondern Ordnung", wirft er diesen Demonstranten vor.

Viel Neues hat Klaus den Menschen nicht mitzuteilen. Vielmehr bestätigt er diejenigen, die schon von der ODS überzeugt sind, und versucht gegen die anderen Parteien zu polarisieren. Doch ist der Ton eher gemäßigt - so als wüsste man, dass man den politischen Gegner von heute morgen noch einmal benötigen könnte. (ykk)