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Wahlkampf in Brüssel

Gerda Meuer, Brüssel5. September 2002

Es ist Wahlkampfzeit in Brüssel - und da geht es nicht um die belgischen Parlamentswahlen. Nein, in Brüssel werben die Auslandsverbände der großen deutschen Parteien um Stimmen.

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Auch hier wird um Stimmen geworben: das EU-Viertel in BrüsselBild: AP

Gut 20.000 Deutsche leben in der belgischen Hauptstadt. Und wie ihre Landsleute in der Heimat organisieren sich auch die sogenannten Expatriots in deutschen Parteien, um sich weiter am politischen Entscheidungsprozess in Deutschland zu beteiligen. Wie Angelika Wilhelm: Die Vorstandsvorsitzende der SPD in Brüssel ist von Beruf Tierärztin und arbeitet bei EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne. "Wir sind zu institutionslastig", beschreibt sie selbstkritisch die Mitgliederstruktur der Parteien in Brüssel.

Denn wie Wilhelm sind die meisten SPD-Mitglieder im Auslandsverband Beamte der EU-Kommission oder vertreten als Lobbyisten die zahlreichen Verbände, die sich in Brüssel niedergelassen haben. Aber eigentlich hätte man bei allen Parteien, ob nun SPD, CDU, FDP oder den Grünen, gerne mehr Menschen aus dem wirklichen Leben.

Zu viele Beamte

So war man bei der CDU richtig froh, als Rainer Bierwagen seinen Mitgliedsantrag unterschrieb. Denn Bierwagen ist kein Beamter, sondern Rechtsanwalt in einer renommierten Brüsseler Kanzlei und auf Europarecht spezialisiert. Seit drei Jahren ist der Jurist Parteimitglied, und sehr viel länger gibt es diesen einzigen Auslandsverband der CDU auch noch nicht.

Die deutschen Liberalen hingegen sind stolz darauf, schon seit mehr als 30 Jahren vor Ort zu sein. Ihre Vorsitzende, Silvana Koch-Mehrin, bewies unlängst, dass man auch aus dem Ausland für Karriereposten im Inland in Frage kommt. Koch-Mehrin war als Nachfolgerin des damaligen FDP-Generalsekretärs Guido Westerwelle im Gespräch.

Enger Kontakt zur Mutterpartei

Aus dem Job wurde dann doch nichts, die 32-Jährige blieb in ihrer Unternehmensberatung. Dennoch hält sie weiterhin engen Kontakt zur Mutterpartei. "Die starke Anbindung an die FDP ist uns wichtig, auch, weil wir zur Zeit leider keine Europaabgeordnete haben und deshalb Europapolitik in der Auslandsgruppe läuft."

Doch wer im EU-Parlament sitzt, ist nicht automatisch Mitglied im Auslandsverband. Im Gegenteil: Um dem Auslandsverband einer Partei beizutreten, muss man sich im deutschen Ortsverein abmelden. Und das tun die EU-Abgeordneten, die zu Hause ja wiedergewählt werden wollen, in der Regel nicht. Deshalb ist aktives Einmischen in deutsche Politik von Brüssel aus auch schwierig, gleichgültig um welche Partei es sich handelt.

Weit weg, doch im Zentrum der Politik

"Brüssel ist eben weit weg", betont die SPD-Vorsitzende Wilhelm. "Brüssel ist nicht deutsche Politik und Brüssel wird deshalb innerparteilich leicht mal etwas als Ausland gesehen. Obwohl es vielleicht mehr mit nationaler Politik zu tun hat, als man in der Regel meint."

Die Schwierigkeit im Ausland für eine deutsche Partei zu werben, wird momentan besonders deutlich. Denn natürlich wollen sich auch die Brüsseler Parteimitglieder am Wahlkampf beteiligen. "Wir können uns nicht einfach vor der deutschen Kneipe aufstellen und Wimpel schwenken", sagt die FPD-Vorsitzende Koch-Mehrin und fügt hinzu. "Deutsche, die hier sind, haben meist schon eine politische Meinung. Die meisten sind ja im politischen Kontext hier tätig. Wirkliche Neuwähler gewinnen wir hier nicht."

Wahlkampf im Netz

Statt Wahlkampf auf der Straße, in Gemeindehäusern oder in Kneipen haben die Ortsverbände im Ausland deshalb das Internet für sich entdeckt. Hier informieren sie über Veranstaltungen und andere Aktivitäten. Am originellsten ist dabei der Netz-Auftritt der Grünen: schön bunt, schön fröhlich, schön kreativ. Und auch noch frech: "Für den bedauerlichen Fall, dass Sie wirklich falsch bei uns sein sollten", so heißt es auf der Homepage, "so finden Sie hier den Link zur Konkurrenz in Brüssel."