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Wahlkampf für Scharon

Peter Philipp6. Januar 2003

Mit zwei verheerenden Selbstmordanschlägen kurz vor der Wahl unterstützen die Attentäter den Wahlkampf von Ariel Scharon, kommentiert Peter Philipp die Ereignisse in Israel.

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Das makabre Szenario kommt einem bekannt vor: In Israel beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes und die Hardliner um Ministerpräsident Ariel Scharon erhalten massive Unterstützung von Seiten palästinensischer Extremisten. Anders können die Anschläge von Tel-Aviv am Sonntag-Nachmittag gar nicht interpretiert werden, bei denen zwei Dutzend Tote und rund Hundert Verletzte zu beklagen sind.

Denn solche Bluttaten fordern nicht nur die israelische Regierung zu neuen, harten Repressalien heraus, sie machen auch unentschlossene Wähler immun gegen konziliante Parolen, wie sie von Scharon-Gegenkandidat Amram Mitzna, dem neuen Chef der Arbeiterpartei, verbreitet werden: Verhandlungen mit den Palästinensern und erst Recht Konzessionen ihnen gegenüber, werden für die meisten Israelis vor dem Hintergrund solcher Bluttaten undenkbar. So, wie es nach der Ermordung des damaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin geschah. Während des Wahlkampfes im Frühjahr 1996 kam es zu einer Kette blutiger Anschläge in Jerusalem und Tel-Aviv und statt des Mitinitiators der Oslo-Verträge, Schimon Peres, wurde "Likud"-Führer Benjamin Netanjahu gewählt, der Oslo ablehnte und in der Folge derart verwässerte, dass schließlich nichts mehr davon übrig blieb.

Zwar rappelten die Israelis sich dann auf und lösten Netanyahu durch Ehud Barak ab, aber wieder löste dies eine neue Welle palästinensischer Gewalt aus: Im Herbst 2000 brach die zweite "Intifada" aus, die Barak dazu verleitete, mit großer – oft auch übertriebener – Härte gegen die Palästinenser vorzugehen. Eine Härte, an der der eigentlich gemäßigte Barak schließlich scheiterte: Er unterlag Ariel Scharon – einem Mann, der nie ein Hehl daraus gemacht hatte, wie wenig er von den Oslo-Abkommen hielt und wieviel weniger von PLO-Chef Yasser Arafat.

Scharon hatte seinen Wählern Ruhe und – vor allem – Sicherheit versprochen, aber er ist ihnen beides schuldig geblieben. Statt dessen verstrickte er die Region in einen ebenso unsinnigen wie verlustreichen Kampf gegen Arafat und dessen Autonomie-Behörde. Und die Palästinenser waren auch nicht in der Lage, dem mit Vernunft und Bedacht zu begegnen. Zwar hat man längst eingesehen, dass die Intifada ein Fehler war und der eigenen Sache nur geschadet hat, aber man ist weiterhin unfähig, die Konsequenzen zu ziehen und eine drastische Kehrtwende zu machen.

Immerhin: Die Verurteilung der Anschläge von Tel-Aviv durch Yasser Arafat und die Autonomie-Behörde ist ein Schritt in die richtige Richtung. Solange aber radikale Gruppen weiterhin ihr Unwesen treiben können, werden solche Erklärungen kaum den erhofften Effekt haben – nämlich Vertrauen auf israelischer Seite aufzubauen. Genau das aber wäre jetzt dringend nötig, um den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und – vor allem bei den Wahlen Ende des Monats die Weichen neu zu stellen. Es ist schon mehr als makaber, aber: Obwohl sie einander hassen wie die Pest, arbeiten die Radikalen auf beiden Seiten einander immer wieder zu. Auf der Strecke bleibt – wieder einmal - die Hoffnung auf Ruhe, Frieden und Gerechtigkeit.