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Wahlkampf auf ungarisch

8. April 2002

- Hassreden und Proteste, Strick und Pistole gegen Andersdenkende

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Budapest, 8.4.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Pal Papp

Die Aussagen des Fidesz-Vizepräsidenten Laszlo Köver, der auf Wahlveranstaltungen vor Ostern den politischen Gegnern im linken Lager Selbstmord empfohlen haben soll, sorgte vergangene Woche für heftige Diskussionen. Während der Fidesz nur dementierte und abwiegelte, nutzte die Opposition die verbalen Entgleisungen des Fidesz-Politikers geschickt für Wahlkampfzwecke.

So vertrat MSZP-Vorsitzender Laszlo Kovacs gleich nach Bekanntwerden der Zitate die Ansicht, Köver habe mit seinen Sprüchen Millionen Menschen tief in ihrer Würde beleidigt. Er forderte Köver auf, sich für seine Worte zu entschuldigen. "Das Land warte nicht auf hochnäsige Kampagneparolen, sondern auf eine menschliche Antwort", begründete Kovacs die Aufforderung an Köver und betonte, eine angemessene Reaktion wäre nicht für die kampferprobten politischen Parteien wichtig, sondern "für die verletzlichen Menschen, die auch nach der Kampagne noch leben wollen. Warum fällt es einem so schwer, zu sagen: "Es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint?"

Der MSZP-Vorsitzende brachte auch sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass Premier Viktor Orban und Fidesz-Vorsitzender Zoltan Pokorni keine Stellung zum Vorfall bezogen. Dabei habe Orban noch vor kurzem keine Minute gezögert, vor die Presse zu treten, nachdem ein MIEP-Kandidat, unter bis heute nicht geklärten Umständen, auf der Straße tätlich angegriffen worden war. Jetzt, wo über zwei Millionen Menschen in ihrer Würde tief beleidigt wurden, hülle er sich jedoch in Schweigen. (...)

Nachdem alle Versuche der Opposition, dem Fidesz eine Entschuldigung abzuringen, scheiterten, hielten am Dienstag (4.4.) der vergangenen Woche die Jugendorganisationen der MSZP und des SZDSZ auf dem Hősök ter, nahe der Fidesz-Parteizentrale eine Protestdemo ab. (...) Nach Schätzung der Veranstalter nahmen 10.000 bis 15.000 Menschen an der Kundgebung teil. Viele von ihnen trugen, in Anspielung auf die Worte Kövers Stricke um den Hals.

Unter den Demonstranten waren auch zahlreiche Politiker der Opposition, Repräsentanten des öffentlichen Lebens und namhafte Künstler. "Die Vergangenheit hat begonnen", "Orban! Schweigen heißt einverstanden sein!" - stand auf vielen Transparenten. "Im Interesse der Beseitigung von Risiken und Nebenwirkungen suchen Sie die Wahllokale auf!" war unter Bildern von Orban und Csurka zu lesen.

Istvan Ujhelyi, Vorsitzender der Jungen Linken formulierte die Frage, ob diejenigen wirklich Demokraten sind, die ihre Träume mit Milliarden öffentlicher Gelder verwirklichen wollen. Die Mitbegründerin und ehemalige Fidesz-Abgeordnete Klara Ungar warf ihrer früheren Partei vor, statt Wahlkampf zu betreiben einen Krieg begonnen zu haben. "Wir haben dennoch keine Angst vor euch, wir werden euch besiegen!" formulierte die heutige SZDSZ-Politikerin. Filmregisseur Miklos Jancso ermahnte die Fidesz-Politiker, erst zu denken und dann erst zu sprechen und zu handeln, im Gegensatz zum Slogan auf ihren Wahlplakaten, die das Primat der Tat betonen. (...) (ykk)