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Wahlkampf am Strand

Klaudia Prevezanos 11. August 2002

Bislang galt der Tourist für Wahlveranstaltungen als tabu. Das ist vorbei. Einige Parteien haben vor den Wahlen am 22. September Werbeaktionen an Urlaubsorten gestartet.

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Kein Weg ist ihm zu weit: FDP-Kanzlerkandidat Guido Westerwelle besucht auch deutsche UrlauberBild: AP

Mancher Tourist, der Ende Juli am Strand von Rimini auf dem Badelaken sass und sich sicher fühlte vor dem Wahlkampf zuhause, wird nicht schlecht gestaunt haben, als er eine Werbebroschüre für Edmund Stoiber in die Hand gedrückt bekam. Die Junge Union Bayern (JU), Jugendorganisation der CSU, und die Initiative "Jugend für Stoiber" hatten sich mit dem eigenen Stoiber-Truck auf den Weg nach Italien gemacht, um für den Unions-Kanzlerkandidaten zu werben.

"Wir wollten deutsche Urlauber auf originelle Weise erreichen und für unseren Kandidaten werben", sagt Florian Hahn, Mitarbeiter der Initiative "Jugend für Stoiber" und CSU-Mitglied. Ausser nach Rimini an der Adria ging es noch in die italienischen Touristenhochburgen Jesolo und Bardolino. Tagsüber wurden Sonnenschutztücher verteilt, abends gab es eine Politparty mit dem Vorsitzenden der JU Bayern Markus Söder auf der eigens aufgebauten Bühne.

Dass die Wahlkampfstrategen der Berliner CDU-Zentrale solche Aktionen nicht geplant haben, weil man potenzielle Wähler im Urlaub weder belästigen noch verprellen möchte, hat die jungen CSU-Mitglieder nicht weiter interessiert. "Wir waren ja nicht aufdringlich", sagt Hahn im Gespräch mit DW-WORLD. Und: "Wahlkampf findet eben auch im Sommer statt."

Werbung auf dem Campingplatz

Auch Jürgen Möllemann, Landeschef der FDP in Nordrhein-Westfalen, hofft, Wählerherzen im Urlaub zu gewinnen. Anders als die Junge Union beschränkt sich der Liberale allerdings auf deutsche Erholungsgebiete. Ab Mitte August ist er an der Nord- und Ostseeküste unterwegs und springt mit dem Fallschirm über Feriengebieten ab. Auch in Süddeutschland muss mit derlei Glück von oben gerechnet werden, ist sich der FDP-Mann für besondere Auftritte doch sicher: "Uns schickt der Himmel."

Der Kanzlerkandidat der FDP, Guido Westerwelle, besucht die Deutschen ebenfalls im Urlaub. Mit seinem Wahlkampfbus, dem Guidomobil, ist der Liberale seit Ende Juli in Deutschland unterwegs. Dabei läßt er auch manches Feriengebiet nicht aus. Am Bodensee war er schon, zum Steinhuder Meer und an die Nordsee fährt er noch. Dass sich erholungsbedürftige Wähler davon gestört fühlen könnten, glaubt man bei der FDP nicht. Allerdings sind die Wahlkampftermine auf dem Campingplatz auch dem frühen Datum der Bundestagswahl am 22. September geschuldet. "Ein Teil der heissen Wahlkampfphase liegt nun einmal in der Urlaubszeit", sagt FDP-Sprecher Christoph Steegmans.

Wähler nicht belästigen

Bei Bündnis 90/Die Grünen übt man etwas mehr Zurückhaltung: "Wir machen keinen Wahlkampf an Urlaubsorten", heisst es bei der grünen Partei. Ähnlich handhaben es die Sozialdemokraten. Im Urlaub wollen die Deutschen nicht mit Wahlen belästigt werden, sagt ein SPD-Sprecher. Trotzdem haben einige wenige Ortsvereine der SPD im Ausland ihr ganz eigenes Programm zur Unterstützung von Kanzler Gerhard Schröder auf die Beine gestellt. Neben dem Ortsverein Luxemburg machen die Brüsseler Sozialdemokraten Wahlkampf im Ausland. Sie laden zu politischem Kabarett, einem Sommerfest und zur Wahlparty am 22. September ein.

"Wir wollen vor allem Deutsche erreichen, damit sie wählen gehen, Freunde zum wählen animieren und am Besten natürlich ihr Kreuz bei der SPD machen", sagt Angelika Wilhelm vom Brüsseler SPD-Ortsverein. Anders als die Wahlkämpfer, die sich auf Campingplätzen und an Stränden tummeln, trifft die SPD-Frau bei ihren Werbeveranstaltungen allerdings vor allem auf Deutsche, die wie sie in der europäischen Hauptstadt leben und nicht im Urlaub sind.

Die politischen Stiftungen der Parteien wie Konrad-Adenauer- oder Friedrich-Ebert-Stiftung, die auch mit zahlreichen Büros im Ausland vertreten sind, haben zwar gute Möglichkeiten, Deutsche vor Ort mit Wahlveranstaltungen der Parteien zu erreichen. Nur: Die parteinahen Stiftungen dürfen keine Parteienwerbung machen.