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Ein Wahlkampftraum

21. September 2009

Barack Obama hatte es vorgemacht, wie man durch das Internet Wähler aktivieren kann. Auf diesen Mobilisierungseffekt hoffen auch deutsche Parteien und versuchen User in ihren Wahlkampf einzubinden - mit wenig Erfolg.

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Symbolbild Wahlkampf im Internet (Foto: DW)
Bild: dpa

"Herzlichen Dank, dass Sie mich im Bundestagswahlkampf unterstützen wollen. Ich verspreche Ihnen, es lohnt sich mitzumachen!" Frank-Walter Steinmeier wirkt etwas ungelenk und steif, während er in die Kamera schaut und sich in seinem Videopodcast in staatstragendem Ton an die Internetnutzer wendet. Er bedankt sich bei all denen, die sich auf der Kampagnenwebsite der SPD "wahlkampf09.de" als so genannte Unterstützer angemeldet haben.

"team2009.de" heißt die Kampagnenplattform bei der CDU, "Mitmacharena" bei der FDP, "Linksaktiv" bei den Linken und "Meine Kampagne" bei den Grünen. Seit Barack Obama scheint der Wunsch nach einer neuen Art der Wählermobilisierung bei allen Parteien gleichermaßen groß zu sein. Das Internet als direkter Channel zum Wähler soll Sprungschanze für eine neue politische Bürgerbewegung und Wahlkampf von unten sein.

Screenshots www.team2009.de / www.wahlkampf09.de (Quelle: DW)
Bild: Screenshots www.team2009.de / www.wahlkampf09.de

I-Phone-Reporter gesucht

Wer sich einmal auf den Webseiten registriert hat, wird mit Mitmachangeboten per E-Mail förmlich überschüttet. Mal geht es darum, als Gesichtsmodel für ein Unterstützerplakat zu werben. Ein anderes Mal soll man bei einem TV-Spot mitmachen oder mit einer neuen iPhone-Applikation zum "Wahlkampfreporter" werden, indem man eigene Fotos und Texte auf die Kampagnenseiten im Internet hoch lädt. Manchmal geht es auch nur darum, sich Wahlkampfmaterialien aus dem Internet runter zu laden und diese als freiwilliger Wahlkampfhelfer auf der Straße zu verteilen. Doch wer macht so etwas?

Für den politischen Journalisten Thomas Leif ist diese Art der Mitmach-Kampagne nur eine vorgetäuschte Form der politischen Partizipation. Wirkliches Engagement laufe nicht über Symbolik, sondern über Inhalte. "Mein Eindruck ist, dass die vielen Internetaktivitäten am Ende nur einen modischen Habitus spiegeln sollen. Schaut her, wir sind auf eurer Kommunikationswelt", meint Leif. Eine politische Bewegung von unten komme dadurch noch lange nicht in Gang.

Kein Obama-Wahlkampf ohne Obama

Wahlkampfbüro von Obama (Foto: AP)
Obama funktionierte als MarkeBild: AP

In der Tat: Die Anzahl und das Engagement der Unterstützer auf den Internet-Seiten bleiben gering. Meist sind es eigene Parteimitglieder oder Mitglieder der Jugendorganisationen, die sich von diesen Mitmachangeboten im Internet angesprochen fühlen. Neue Anhänger werden dadurch kaum gewonnen.

Für den Politikberater Michael Spreng ist die Sache klar: "Wenn ich keine charismatischen Politiker habe, die ein Feuer der Demokratie entzünden können, weil sie rhetorisch unbegabt sind und eine beamtenhafte politische Tarnsprache haben, dann bekomme ich auch keine Anhänger im Internet."

Marken brauchen Marketing

Doch Charisma allein führte auch bei Obama nicht zum Sieg. Das Marketing der Kampagne spielte eine ebenso große Rolle. "Obama war eine Marke und bei Markenkommunikation nutzt man zielgerichtete Werbung", weiß Politikblogger Markus Beckedahl. Dafür kaufte sich das Obama-Team Daten von Wählern auf dem freien Markt unter anderem von Kreditkartenunternehmen.

Eine arbeitslose Mutter mit zwei kleinen Kindern bekam beispielsweise per E-Mail Informationen über Programme für mehr Jobs, während ein 60-Jähriges Pärchen mit einem Haushaltseinkommen von 500.000 Dollar auf Rhode Island Informationen über Programme zur Steuersenkung bekam.

Bis zu 900 Datensätze pro Person soll es gegeben haben, weiß Beckedahl. "Das lief dann teilweise so ab, dass sie in den Datenbanken erkennen konnten, wann jemand seine Mail checkt." Und diese Information wurde dann genutzt. "Wer die Obama-Mail die letzten drei Male morgens um 10 Uhr angeklickt hatte, bekam sie dann immer um 10 Uhr zugeschickt."

Eine E-Mail zum richtigen Zeitpunkt, mit dem richtigen Thema und dem roten Spendenbutton: Auf diesem Weg hat Obama nicht nur Scharen von freiwilligen Helfern mobilisieren können, die alle zu Wahlkampfbotschaftern wurden, sondern auch einen Spendenrekord in Höhe von 750 Millionen Dollar erzielt.

In Deutschland schwierig

Auch in Deutschland ist das Sammeln von Wählerdaten inzwischen Gang und Gäbe. Im Rahmen des so genannten Citizen-Relations-Managements versuchen Parteien, Wähler direkt über das Internet anzusprechen. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den USA: Das Kaufen von Wählerdaten auf dem freien Markt, um danach Kommunikation auszurichten, ist in Deutschland verboten. "Wir arbeiten mit den Daten von Wählern, die sich bei uns melden", versichert Stefan Hennewig, verantwortlich für den Onlinewahlkampf der CDU.

Wer sich für ganz bestimmte politische Themen interessiert, kann sich auf den Kampagnenseiten der Parteien einen eigenen Newsletter zusammenstellen. Doch das machen nur die wenigsten. Mobilisierung und vor allem Begeisterung für Politik erzielt der Internetwahlkampf in Deutschland im Wahljahr 2009 nicht. Somit wirken auch die vielen Mitmachangebote und zahlreichen Videobotschaften, in denen Politiker im Internet bei Wählern direkt um Geld und Unterstützung werben, wie ein Wunschkonzert, das von kaum jemandem gehört wird.

Autorin: Eleni Klotsikas

Redaktion: Kay-Alexander Scholz