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Wahlbeobachter im Irak: "Eine große logistische Herausforderung"

Das Interview führte Steffen Leidel14. Dezember 2005

Von der deutschen Friedrich-Ebert Stiftung ausgebildete Wahlbeobachter sind bei den Wahlen im Irak aktiv. Die Leiterin des Stiftungsbüros in Amman, Gisela von Mutius, erklärt deren Aufgaben im DW-WORLD-Interview.

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Wahlvorbereitung im IrakBild: AP

DW-WORLD: Sie haben im vergangenen Jahr unabhängige Wahlbeobachter für die Parlamentswahlen im Irak ausgebildet. Werden die auch diesmal wieder im Irak tätig sein?

Gisela von Mutius: Wir haben damals zwischen 220 und 240 Personen ausgebildet, vom September 2004 bis Ende Januar 2005. Diese Personen werden bei den jetzt anstehenden Wahlen alle wieder aktiv sein. Wir haben zudem auch noch Train-the-Trainer-Seminare gemacht, das heißt, manche Personen sind ein zweites Mal bei uns gewesen, um sich die Fähigkeiten anzueignen, um andere in die Thematik einzuführen. Insgesamt werden in diesem Jahr somit etwa 7500 Wahlbeobachter im Irak tätig sein, die durch unsere Schule gegangen sind. Das sind also Leute, die wiederum von den von uns Ausgebildeten unterrichtet worden sind. Es ist eine große logistische Aufgabe, die alle an den Wahlstationen aufzustellen.

Inwiefern unterstützen sie die Wahlbeobachter bei dieser logistischen Aufgabe?

Die Gelder, um die Wahlbeobachter in materieller Hinsicht zu unterstützen, mit Telefonen, mit Laptops, Transportmöglichkeiten, etc., kamen von der UNO und die haben wir weitergereicht an unsere Beobachter-Netzwerke. Die Ausbildung und zwei weitere vertiefende Seminare in diesem Jahr wurden aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

Was muss ein Wahlbeobachter an Fähigkeiten mitbringen, damit er gute Arbeit leistet?

Er muss ein klares Verständnis von der Rolle haben, die er zu spielen hat. Er darf seine Aufgabe nicht mit der eines Wahlhelfers durcheinanderbringen. Seine Aufgabe ist, nach bestimmten Standards diese Wahl neutral zu beobachten. Er muss sich aus allem heraushalten und darf auch nicht einschreiten, selbst dann nicht, wenn er schwere Verstöße gegen das Wahlrecht beobachtet. Er muss außerdem in der Lage sein, seine Beobachtungen in sinnvoller Weise aufzuschreiben. Dafür muss er bestimmte Formblätter ausfüllen.

Nehmen wir an, er beobachtet schwere Verstöße: Was passiert dann mit seiner Beobachtung?

Diese Beobachtungen werden alle zusammengeführt und daraus wird ein längerer Bericht erstellt, der nicht nur an unser Büro weitergegeben wird, sondern auch an die offizielle irakische Wahlbehörde.

Was für Leute sind diese Wahlbeobachter, die Sie ausgebildet haben?

Das sind ganz normale irakische Bürger quer durch alle Berufe: Lehrer, Arbeiter, Rechtsanwälte. Diese Leute arbeiten aber alle als Freiwillige in irakischen Nichtregierungsorganisationen. Diese verschiedenen NGOs wiederum haben sich in verschiedenen Wahlbeobachter-Netzwerken zusammengeschlossen. Das sind engagierte Iraker, die sich dafür einsetzen, dass diese Wahlen gerecht, frei und fair ablaufen.

Auch diesmal werden nur wenige internationale Wahlbeobachter im Irak sein. Sehen Sie das als Problem?

Nein. Es ist ja so, dass unsere Wahlbeobachter eine gute Ausbildung bekommen haben und auch einen guten Job machen werden. Sie arbeiten neutral, effizient und sorgfältig. Die internationalen Wahlbeobachter sind ja so wenige, dass sie gar nicht flächendeckend arbeiten können. Dagegen kommen unsere Beobachter aus allen 18 Provinzen des Irak und insofern können sie fast flächendeckend arbeiten. Wir haben zudem immer darauf geachtet, dass in diesen Netzwerken alle ethnischen, politischen und religiösen Gruppen des Irak vertreten sind. Dass da Sunniten, Schiiten und Kurden dabei sind und wir haben auf eine angemessene Repräsentanz von Frauen geachtet.

Sie sind nicht die einzigen, die Wahlbeobachter stellen. Wer noch?

Zunächst muss man feststellen, dass alle Wahlbeobachter bei der staatlichen Wahlbehörde akkreditiert sein müssen. Sie müssen anerkannt sein. Wer jetzt alles Beobachter entsendet, kann ich nicht genau sagen. Ich weiß jedoch, dass die amerikanischen NGOs, die im Irak arbeiten, auch Wahlbeobachter ausbilden. Die kommen nach meiner Schätzung auf rund 10.000 Personen.

Wie unabhängig sind denn die amerikanischen Beobachter? Kamen die bei den letzten Wahlen zu anderen Ergebnissen als Ihre Beobachter?

Bei den letzten Wahlen konnte man sich nicht auf gemeinsame Wahlbeobachtungs-Formblätter einigen. Das hat dazu geführt, dass die Amerikaner zu einer etwas optimistischeren Sicht der Wahlen im Vergleich mit unseren Netzwerken gekommen sind. Allerdings war auch unsere Wahlbeobachtergruppe der Meinung, dass im Großen und Ganzen und angesichts der Lage im Irak die letzten Wahlen ein Erfolg waren. Es lagen sicherlich keine Meilen zwischen den Einschätzungen. Unsere Gruppe hat schlicht mehr Fehler aufgedeckt als die Amerikaner.

Zum Beispiel?

So hatten unsere Beobachter festgestellt, dass in manchen Wahlstationen noch am Wahltag Wahlwerbung hing, obwohl das verboten ist. Sie haben außerdem beobachtet, dass Polizeiautos in bestimmten Regionen herumgefahren sind und die Menschen zur Wahl bestimmter Listen aufgerufen haben. Oder dass ganze Familien gemeinsam in die Wahlkabine gegangen sind, um dann gemeinsam die Wahlzettel auszufüllen.

Werden diese Wahlen dem Irak mehr Frieden und ihn nach vorne bringen?

Ich halte diese Wahlen für wichtiger als die im Januar. In diesen Wahlen geht es jetzt um die Wahl des Parlaments und der Regierung für vier Jahre, nicht nur für eine Übergangsregierung. Ein zweiter Grund ist: Die Wahlen finden vor dem Hintergrund einer angenommenen Verfassung statt – wie rudimentär und lückenhaft diese auch sein mag. Im Augenblick sieht es außerdem so aus, dass die Sunniten, die im Januar ja noch die Wahlen boykottiert hatten, jetzt bereit sind, trotz der Sicherheitsbedenken teilzunehmen. Das erhöht die Chance, dass das neue Parlament und die neue Regierung repräsentativer sind, als die neue Regierung.

Gisela von Mutius, Leiterin des Büros Amman der Friedrich Ebert Stiftung
Bild: FES

Gisela von Mutius leitet zusammen mit ihrem Mann Hans-Reimar von Mutius das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Amman (Jordanien)