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Waffenstillstand und Freiheit für politische Gefangene

Rodion Ebbighausen19. Juli 2013

Myanmars Präsident Thein Sein hat bei seinem Besuch in England große Versprechen gemacht: Ein landesweiter Waffenstillstand und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Wie glaubwürdig ist er?

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Myanmars Präsident Thein Sein und der britische Premierminister David Cameron.
Bild: picture-alliance/dpa

Mit der Ankündigung, alle politischen Gefangenen bis Ende 2013 freizulassen und einen landesweiten Waffenstillstand mit allen bewaffneten Gruppen auszuhandeln, geht Myanmars Präsident Thein Sein auf die Hauptforderungen der westlichen Staatengemeinschaft ein. Die Freilassung der politischen Gefangenen ist eine vergleichsweise einfache Entscheidung, die die Regierung alleine fällen kann. Bei der Aushandlung des Waffenstillstands sind andere Parteien eingebunden, die Thein Sein nicht kontrolliert.

Aung Naing Oo, der als Verhandlungsführer am Myanmar Friedenszentrum (MPC) arbeitet, bestätigt die Aussage Theins Seins aber grundsätzlich: "Der Präsident hat sich sehr für den landesweiten Waffenstillstand engagiert, das Parlament und die bewaffneten Gruppen sind eingebunden, so dass es sehr wahrscheinlich ist, dass das Abkommen bald unterzeichnet wird." Das MPC wurde im November 2011 eröffnet, um den Friedensprozess im Land unter Einbeziehung aller ethnischen Minderheiten zu unterstützen.

Waffenstillstand ist nur ein Anfang

Sollte ein landesweiter Waffenstillstand abgeschlossen werden, wäre das ein außerordentlich wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Landes, so Aung Naing Oo. Es wäre das erste Mal seit der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien im Jahr 1948, dass kein bewaffneter Konflikt in Myanmar wütet. Dennoch wäre der Waffenstillstand nur ein erster Schritt.

Soldaten der Karen-Splittergruppe "Democratic Karen Buddhist Army", die sich kurz nach den Parlamentswahlen im November 2010 Gefechte mit Myanmars Regierungstruppen in und um Myawaddi im Osten des Landes geliefert hatten, in deren Folge mehr als 20.000 Karen über die Grenze nach Thailand geflohen waren.
Die Karen-Splittergruppe "Democratic Karen Buddhist Army" ist nur eine von vielen Dutzend bewaffneten GruppenBild: Holger Grafen

Das sieht auch Phil Robertson von Human Rights Watch so, wenn auch mit kritischerem Unterton: "Das Hauptproblem ist, dass alle bisherigen Einigungen nicht weiter gehen als bis zu einem Waffenstillstand. Die Frage ist, ob die Regierung bereit ist, mit den ethnischen Minderheiten nachhaltig zu verhandeln." Der Waffenstillstand ist nämlich nur die Grundvoraussetzung, um viele drängende Fragen des Vielvölkerstaates zu diskutieren: Wie wollen die verschiedenen ethnischen Minderheiten zusammenleben? Kann die Zentralregierung ein föderales System akzeptieren? Welche Zugeständnisse machen sie bei der Selbstverwaltung?

"Die zweite Frage ist, ob es der Regierung gelingt, die birmanische Armee zu kontrollieren", so Robertson. Die Armee ist ein Staat im Staate mit weitreichenden finanziellen Interessen, die oft in den Minderheitengebieten liegen, wo Myanmar reich an Ressourcen und Bodenschätzen wie Öl, Jade, Rubinen und Holz ist. "Der Waffenstillstand betrifft den Kern des Selbstverständnisses der Armee", sagt Robertson.

Nicht zuletzt müssten auf die Waffenstillstände echte Friedensabkommen folgen, so Robertson. Er fragt: "Wird es Friedensverträge geben, die die Sicherheit und den Schutz der Menschenrechte garantieren?" Auf die letzten beiden Fragen kann auch Aung Naing Oo, der direkt in den Prozess involviert ist, keine Antwort geben: "Der Prozess ist hoch kompliziert und es sind viele Parteien beteilt. Details kann ich leider nicht preisgeben, da die Gespräche noch andauern. Aber es ist alles sehr vielversprechend."

Freilassung der politischen Gefangenen

Die zweite zentrale Forderung des Westens betrifft die politischen Gefangenen. Zurzeit gibt es nach Aussage von Human Rights Watch noch etwa 200 politische Gefangene in Myanmar. Seit 2010 wurden in mehreren Wellen die meisten politischen Gefangenen freigelassen. Am Montag (15.07.2013) sagte Thein Sein in London: "Ich garantiere, dass es bis zum Ende dieses Jahres keinen politischen Gefangenen in Birma mehr geben wird."

Zarganar Komödiant aus Myanmar (Foto: EPA/NARONG SANGNAK)
Zarganar, ein berühmter Kommödiant Myanmars, war ebenfalls ein politischer Gefangener. Seit 2011 ist er frei.Bild: picture-alliance/dpa

Robertson bleibt skeptisch: "Ein echter Reformer hätte sie in Monaten nach seiner Machtübernahme entlassen, aber Thein Sein brauchte Jahre." Das Zugeständnis erfolge nur, weil die internationale Gemeinschaft das Spiel der birmanischen Regierung durchschaut habe: "Bisher haben die Machthaber politische Gefangene als Schachfiguren genutzt, um auf der internationalen Bühne Unterstützung von Europa und Nordamerika zu erhalten." Das funktioniere nun nicht mehr und so biete Thein Sein die Freilassung der Gefangenen an.

Fehlendes Problembewusstsein des Westens

Problematisch an der Freilassung ist vor allem das Verfahren, mit dessen Hilfe politische Gefangene als solche identifiziert werden. Aung Aung, ein ehemaliger politischer Gefangener, berichtet gegenüber der Deutsche Welle, dass vielfach gewöhnliche Kriminelle zu politischen Gefangenen erklärt würden. So würden die Zahlen manipuliert. Die Regierung behaupte zum Beispiel, zehn politische Gefangene freizulassen, von denen aber nur sechs tatsächlich politische Gefangene seien.

Um das zu verhindern, wurde ein Komitee eingesetzt, in dem sowohl Regierungsmitglieder als auch zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten sind. "Aber es gibt einen ausgeprägten Unwillen an Schlüsselstellen der Regierung bei der Zusammenarbeit", sagt Robertson. Es sei zu befürchten, dass die Regierung weiter Spiele spielen werde. Bevor die Liste der Namen nicht vorliege und die Gefangenen freigelassen seien, gebe es keinen Grund zur Zufriedenheit.

Der Westen, insbesondere Deutschland, sei oft zu leicht zufriedenzustellen. "Die westlichen Regierungen haben Thein Sein zu oft davonkommen lassen, wenn es um die Einhaltung von Verabredungen ging. Deutschland war in Myanmar in der letzten Zeit immer sehr zurückhaltend, wenn es um Menschenrechte ging."