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Wachsender innerparteilicher Druck auf Merkel

24. Oktober 2015

Angesichts der Flüchtlingskrise hat Bundesfinanzminister Schäuble die CDU vor einer Zerreißprobe gewarnt. Unterdessen mehren sich die Warnungen vor Rassismus und rechter Gewalt in Deutschland.

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Angela Merkel 2014 bei einer Wahlkampfveranstaltung (Foto: dpa)
Angela Merkel 2014 bei einer WahlkampfveranstaltungBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

In der Union gerät die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage zunehmend unter Beschuss. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe in der jüngsten Sitzung des CDU-Präsidiums darauf hingewiesen, dass die Stimmung der Parteimitglieder in der Flüchtlingsfrage "dramatisch" schlecht sei, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Den insbesondere von CDU-Generalsekretär Peter Tauber geschilderten großen Rückhalt in der Partei für den Kurs von Bundeskanzlerin Merkel sehe er nicht, sagte Schäuble. Wenn das neue Asylpaket nicht bald Wirkung zeige, werde das Verhältnis der Parteispitze zur Basis Schaden nehmen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: dpa)
Bundesfinanzminister Wolfgang SchäubleBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Nach Einschätzung des bayerischen Finanzministers Markus Söder, einem der bekanntesten Vertreter der bayerischen CDU-Schwesterpartei CSU, ist der Umgang mit der Flüchtlingskrise von "fundamentaler Bedeutung für die Zukunft und den Bestand der Union". Söder sagte der "Bild"-Zeitung: "Die innere Sicherheit ist ein Kern- und Herzthema der Union. Wir wollen keine Variante der Grünen werden, sondern klare bürgerliche Alternative bleiben. Wenn wir an der Stelle versagen, werden sich AfD und andere auf Dauer etablieren. Das kann keiner wollen. Deshalb müssen CDU und CSU wieder zusammenkommen."

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte Merkel gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Für die Flüchtlingskrise gebe es keine einfache Lösung. "Deshalb macht es Angela Merkel richtig: Schrittweise geht sie voran - mit verschärften Maßnahmen im Inneren und mit Verhandlungen auf internationaler Ebene", sagte die Christdemokratin dem Nachrichtenmagazin "Focus". Widerstand gegen Merkels Kurs dürfe nicht überbewertet werden: "Es gibt in der Tat diese kritischen Stimmen in der Union, aber eben auch sehr, sehr viele, die den Kurs der Vorsitzenden unterstützen."

Der Großteil der über Slowenien anreisenden Flüchtlinge - hier am Freitag auf dem Weg zu einer Unterkunft - will nach Deutschland oder Schweden (Foto: Getty)
Der Großteil der über Slowenien anreisenden Flüchtlinge - hier am Freitag auf dem Weg zu einer Unterkunft - will nach Deutschland oder SchwedenBild: Getty Images/J. Mitchell

Unterdessen äußerte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker besorgt über Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. "Wenn bei Demonstrationen Hass-Parolen zu hören sind und solche Hetze dazu führt, dass engagierte Menschen wie die künftige Kölner Oberbürgermeisterin angegriffen werden, dann bereiten mir diese so genannten besorgten Bürger ernsthafte Sorgen", sagte Juncker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Gleichzeitig hob Juncker aber hervor, dass die große Mehrheit in Deutschland "Herz statt Hass" zeige.

Forderungen nach mehr Polizei

Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte den Staat zu einem entschlossenen Vorgehen gegen Rechtsextremismus auf. "Die Bekämpfung des wachsenden Rechtsextremismus muss jetzt bei Politik und Sicherheitsbehörden oberste Priorität haben", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Mitteldeutschen Zeitung". Den Rechtsextremisten dürfe es nicht gelingen, "die Menschen so sehr einzuschüchtern, dass bürgerschaftliches Engagement zum Erliegen kommt". Deutschland müsse in der Lage sein, sowohl Asylbewerber wie auch ehrenamtliche Helfer zu schützen. Die jüngsten Warnungen des Bundeskriminalamtes (BKA) vor zunehmender rechter Gewalt müssten ernst genommen werden. Schuster forderte auch mehr Personal für die Polizei.

Rund 500 Übergriffe auf Flüchtlingsheime - hier eine geplante Unterkunft in Weissach, Baden-Württemberg - zählte das Innenministerium seit Jahresbeginn (Foto: dpa)
Rund 500 Übergriffe auf Flüchtlingsheime - hier eine geplante Unterkunft in Weissach, Baden-Württemberg - zählte das Innenministerium seit JahresbeginnBild: picture-alliance/dpa/SDMG/Friebe

Nach Angriffen von Gewalttätern auf Einsatzkräfte forderte der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme, mehr Polizeischutz für Flüchtlingshelfer. "Wir brauchen für unsere Einsätze in der Flüchtlingshilfe in einigen Fällen eine stärkere Begleitung durch die Polizei", sagte er der Tageszeitung "Welt". Künftig müsse die Polizeipräsenz vor den Unterkünften so stark sein, dass die THW- und Rotkreuz-Helfer in Ruhe und Sicherheit arbeiten könnten. "Wir können nur in einer sicheren Umgebung helfen."

Bis zum 19. Oktober wurden nach BKA-Zählung bundesweit 576 "Straftaten gegen Asylunterkünfte" registriert. Rechte Täter würden für 523 dieser Übergriffe verantwortlich gemacht, bei den restlichen 53 könne eine politische Motivation noch nicht sicher ausgeschlossen werden. Allein im dritten Quartal 2015 wurden mit 285 Straftaten mehr einschlägige Vergehen verzeichnet als im gesamten letzten Jahr mit 198.

stu/wl (afp, dpa)