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Vorrath: "Politik im Fahrwasser Frankreichs"

Stefanie Duckstein3. April 2014

Auf dem EU-Afrika-Gipfel üben Deutschland und Frankreich den Schulterschluss. Sein Profil sollte Deutschland in Afrika eher mit politischem als militärischem Engagement stärken, meint Judith Vorrath im DW-Interview.

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Staatschefs auf dem EU- Afrika-Gipfel 2014
Bild: Reuters

DW: Judith Vorrath, haben Sie den Eindruck, es gibt eine "gemeinsame" europäische Afrika-Politik?

Judith Vorrath: Sicher gibt es Ansätze einer europäischen Afrika-Politik. Vor allem in der Form der Kooperation zwischen Europäischer und Afrikanischer Union. Das ist allerdings weitgehend im deklaratorischen Bereich. Es gibt auf Ebene der EU und der Afrikanischen Union auch starke Interessenunterschiede. Nehmen wir den Bereich Frieden und Sicherheit: Es ist offenkundig, dass in der Europäischen Union Staaten eine unterschiedliche Historie in Afrika haben und auch einen anderen Blick auf die Probleme. Auch die Auseinandersetzungen in einzelnen Ländern, was denn eigentlich die eigenen Interessen sind in Afrika, sind sehr unterschiedlich.

Zum Beispiel? Wer will denn genau was?

Es ist ganz klar, dass die Debatte, die in Deutschland losgetreten worden ist über ein stärkeres Engagement in Subsahara-Afrika, sich besonders auf den Bereich Frieden und Sicherheit bezieht. Das hat aber weniger mit einem gewachsenen Interesse an der Region zu tun. Sondern es hat sehr viel damit zu tun, dass es von französischer Seite Druck gibt, sich bei Krisen wie in der Zentralafrikanischen Republik, in Mali und auch im Südsudan, stärker zu engagieren und andere zu entlasten, vor allem was militärisches Engagement angeht.

Judith Vorrath, SWP
Judith Vorrath, Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der SWPBild: SWP

Dann ist Deutschlands aktuelles Engagement eher eine Form der Europa-Politik als eine Afrika-Politik?

Man kann sagen, dass Deutschland sich im Bereich Frieden und Sicherheit stark im Fahrwasser von anderen, vor allem Frankreich, bewegt. Es gäbe jetzt die Möglichkeit, sich in der aktuellen Debatte stärker zu positionieren. Ein Ansatz ist die so genannte "Ertüchtigungsinitiative", hinter der auch Deutschland steht. Das zielt ab auf die Stärkung afrikanischer Partner, selbst für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent zu sorgen. Das ist aber im Grunde genommen schon weitgehend in der EU-Afrika-Strategie, wie sie derzeit existiert, angelegt. Das ist kein neuer Ansatz.

Welche eigenen Akzente könnte denn Deutschland innerhalb einer europäischen Afrika-Politik setzen?

Dafür müsste man sich selbst erst einmal über die eigenen Interessen im Klaren sein. Aber man muss darüber hinaus auch weiterdenken, was sind die Interessen afrikanischer Partner? Das wird oft ausgeblendet. Bezogen auf den Bereich Frieden und Sicherheit, der gerade im Fokus steht, heißt das, dass man deutlich stärker die zivilen Komponenten ins Auge fassen muss. Wie verhält man sich bei sich anbahnenden Krisen, wenn afrikanische Partner noch nicht fähig sind, das allein zu regeln? Das darf nicht auf militärische Ansätze reduziert werden. Da gäbe es als Ansatz, wenn man die Situation in Mali nimmt, was hätte man tun können im Zeitfenster zwischen Putsch und Eroberung Nord-Malis durch verschiedene bewaffnete Gruppen und der französischen Intervention? Ich glaube, eine Profilschärfung Deutschlands läge eher nicht darin, sich stärker militärisch zu engagieren, sondern politische Initiativen zu forcieren.

Welche Interessen werden denn von afrikanischer Seite an Deutschland herangetragen?

Es ist natürlich im Interesse afrikanischer Staaten, auch militärisch und im zivilen Bereich "befähigt" zu werden. In Afrika gibt es bereits einige Nationen, die dabei eine Führungsrolle spielen wollen. Das ist auch längst der Fall. Beispielsweise in Somalia sind das Uganda, Kenia und Burundi und auch Äthiopien als Nachbarland. Aber an diesem Beispiel sieht man auch gut: Diese Länder haben auch Interessen in Somalia. Und Friedenssicherung ist nicht immer das vorrangige Interesse.

Gibt es denn andere Schwerpunkte, neben der Sicherheitspolitik, auf die Deutschland setzt?

Traditionell hat Deutschland ja stark über die Entwicklungszusammenarbeit Partnerschaften mit afrikanischen Ländern aufgebaut. Ungefähr die Hälfte der bilateralen deutschen Gelder der Entwicklungszusammenarbeit geht nach Afrika.

Erkennen Sie neue Akzente in der Afrika-Politik der aktuellen Bundesregierung?

Bislang sind die noch nicht deutlich. Neu sind die Aufmerksamkeit und der Anspruch, sich stärker zu engagieren, vor allem außen- und sicherheitspolitisch. Das ist aber aus meiner Sicht noch nicht wirklich mit Substanz gefüllt. Es gibt jetzt aber eine Gelegenheit und eine Debatte. Und im Zuge dieser Debatte ist es natürlich möglich, dass sich auch stärkere Positionen entwickeln.

Welche zentralen Konfliktfelder gibt es zwischen der EU und afrikanischen Staaten auf dem Gipfel?

Einerseits ist das die Frage der Handelsabkommen, die afrikanische Staaten mit der Europäischen Union abschließen sollen. Dann ist das die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH). Viele afrikanische Staaten haben das Gefühl, dass besonders afrikanische Staaten in den Fokus geraten sind bei den Untersuchungen des IStGH und dass Europa das auch forciert. Gleichzeitig gibt es die Debatte um die Kriminalisierung von Homosexualität in einigen afrikanischen Staaten, die auf europäischer Seite sehr kritisch gesehen wird. Das sind alles Punkte, die letztlich darauf verweisen, dass es auf afrikanischer Seite das Gefühl gibt, dass man in neokolonialer Manier ihnen Standards aufdrücken will.

Angela Merkel und Francois Hollande beim EU Afrika Gipfel in Brüssel (Foto: Reuters)
Suchen inzwischen den Schulterschluss: Frankreich und Deutschland.Bild: Reuters

Judith Vorrath ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Das Interview führte Stefanie Duckstein.