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Kommt der Papst nach Deutschland?

Christoph Strack8. Juli 2015

Papst Franziskus denkt "sehr konkret" über einen Besuch in Deutschland nach. Vieles spricht dafür, dass er 2016 in das Heimatland seines Vorgängers reisen wird.

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Papst Franziskus 14.01.2015 Colombo
Bild: Reuters/D. Liyanawatte

Der Zeitpunkt ist unklar, über Zielorte wird nicht einmal spekuliert. Und doch haben die vergangenen Tage eins deutlich gemacht: Papst Franziskus will in absehbarer Zeit Deutschland besuchen. Erste Hinweise auf einen Besuch des Kirchenoberhaupts hatte es im Februar gegeben. Da hatte Franziskus die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Privataudienz empfangen, bemerkenswerterweise bereits zum zweiten Mal. Bei der knapp 50-minütigen Unterredung lud die protestantische CDU-Politikerin ihren 78-jährigen Gastgeber nach Deutschland ein, wie Vatikansprecher Federico Lombardi später bestätigte.

Nun sprechen die meisten offiziellen Besucher im Vatikan solche Einladungen aus. Wenn der Papst jeden Wunsch berücksichtigen würde, bräuchte er kaum mehr einen festen Wohnsitz. Doch die Einladung nach Deutschland schien vor Februar auf diversen Kanälen bereits vorbereitet. So kamen in diesen Tagen weitere Signale. Zunächst bestätigte der Botschafter des Vatikan in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, das Vorhaben. "Das Datum und ein konkretes Programm stehen noch nicht fest", so der Nuntius Ende Juni bei einem Besuch in Regensburg. "Aber Deutschland ist ja nicht weit entfernt von Rom."

Statement vom Chef selbst

Und dann äußerte sich der Chef selbst. Während seines Fluges nach Ecuador, der ersten Station seiner Lateinamerika-Reise: "Ja, die Reise nach Deutschland…, noch ohne Termin, aber schon mit einem Thema – "Frieden in Europa". Die Einladung sei jedenfalls eine "sehr gute Sache". Ludwig Ring-Eifel, der Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), der im Flieger dabei war, sagte, Franziskus denke "sehr konkret" nach über diese Visite. Im Nachgang versicherte das Bundespräsidialamt in Berlin, Bundespräsident Joachim Gauck habe Franziskus bereits vor Wochen offiziell eingeladen. Damit war dann auch protokollarisch alles in trockenen Tüchern: Denn offiziell lädt immer noch ein Staatsoberhaupt ein anderes Staatsoberhaupt ein. Der Weg ist also bereitet.

Portrait Papst Franziskus I. FOTO: Pressefoto ULMER/ Alberto Lingria
Einladung nach Deutschland beschäftigt Papst FranziskusBild: picture-alliance/dpa/A. Lingria

Nur: Für welchen Termin? Das laufende Jahr 2015 ist vollgepackt mit päpstlichen Terminen. Unter anderem reist Franziskus im September noch nach Kuba und in die USA, im Oktober steht in Rom für drei Wochen eine hochspannende Familiensynode zum heißen kirchlichen Eisen Sexualität an, im November will Franziskus zum ersten Mal nach Afrika, und Anfang Dezember eröffnet der Papst im Vatikan ein "Heiliges Jahr" zum Thema Barmherzigkeit. Das übernächste Jahr 2017 wird in Deutschland ganzjährig geprägt sein durch den 500. Jahrestag des Beginns der Reformation durch den Mönch Martin Luther 1517. Da wäre jeder Besuch eines römisch-katholischen Papstes allzusehr mit Erwartungen überfrachtet. Außerdem stehen in 2017 die Wahl des Bundespräsidenten im Frühjahr und des Bundestages im Herbst an. Beides schränkt die Terminmöglichkeiten gehörig ein.

Im Jahr 2016

Also 2016. Auch für das kommende Jahr hat Franziskus, der im "Heiligen Jahr" noch mehr als üblich Verpflichtungen in Rom hat, das ein oder andere internationale Projekt bereits zugesagt. Er will nach Argentinien, Chile und Uruguay. Im Juli 2016 ist Weltjugendtag im polnischen Krakau; die Stadt erwartet Millionen Jugendlicher aus aller Welt, die an den größten Sohn der Stadt, den mittlerweile heilig gesprochenen Johannes Paul II., erinnern und dessen Nachfolger Franziskus erleben wollen. Ein Flug von Rom nach Krakau könnte gut über Deutschland (und vielleicht zuvor über Frankreich) führen. Dann wäre eine europäische Prägung des (Zwischen)Stopps in Deutschland rasch erkennbar.

Doch ein weiterer Termin bietet sich an. Vom 25. bis 29. Mai 2016 begehen Deutschlands Katholiken im ostdeutschen Leipzig den nächsten Katholikentag. Nicht einfach den nächsten nach 2014, sondern ihren 100. Das Jubiläum einer Geschichte, die 1848 begann und die letztlich für die Bedeutung der Laien in der Klerikerkirche steht. Und seit vielen Jahrzehnten gibt es zur Eröffnung ein Grußwort – des Papstes. Von Leipzig ist es nicht weit nach Berlin zur offiziellen Etappe eines "Staatsbesuchs".

Papst Franziskus und Angela Merkel 2013 Foto: GREGORIO BORGIA/POOL/dpa
Verstanden sich offensichtlich gut - Papst Franziskus und die deutsche Kanzlerin im Jahr 2013Bild: picture-alliance/dpa/Gregorio Borgia

Menschen am Rande

Nun fügt sich, dass Franziskus sich informieren ließ über das größte katholische Kirchbauprojekt in Deutschland nach dem Mauerfall. Das fand vor einigen Wochen mit der Einweihung der Leipziger Propsteikirche seinen Abschluss. Hinzu kommt, dass Papst Franziskus gerade den Dresdener Bischof Heiner Koch, zu dessen Bistum Leipzig gehört, als Erzbischof nach Berlin befördert hat und dass er diese seine Entscheidung mit Koch besprach und dessen Engagement wertschätzt, auf konfessionslose Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören, sie ernstzunehmen. Menschen am Rande – auf sie schaut Franziskus immer. Menschen am Rande der Gesellschaft, auch am Rande der Kirche. Jenseits des Randes einer Kirche in Deutschland, die sich noch schwer tut mit ihrer Offenheit gegenüber einer säkularen Gesellschaft. „Seht, da ist der Mensch“, lautet das Leitwort des ökumenisch geprägten Christentreffens in Leipzig. Es passt zu diesem Papst, zu seiner steten Mahnung, auf die Leidenden, die Ausgegrenzten, die Heimatlosen zu schauen.

Ganz gleich, ob Franziskus Ende Mai nach Leipzig oder erst im Juli - auf seinem Weg nach Krakau - an irgendeinem anderen Platz in Deutschland kommt. Der Besuch steht doch für eine Wertschätzung, die bemerkenswert ist. Franziskus reiste – sieht man von einem Kurztrip zum Europaparlament und Europarat nach Straßburg im November 2014 ab – in Europa allein nach Albanien (im September 2014) und nach Sarajevo, in die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas (im Juni 2015). Es sind die Ränder Europas, die für Armut stehen und übrigens auch für die Existenz der Kirche als Minderheit neben anderen Konfessionen, Religionen, neben Religionslosigkeit. Wann auch immer Franziskus nach Deutschland kommen wird – seine Botschaft wird sicher die katholische Kirche im Lande auf Jahre beschäftigen und herausfordern.

Ausdruck der Wertschätzung

Die Wahl des argentinischen Jesuiten Jorge Mario Bergoglio zum Kirchenoberhaupt im März 2013 steht für die schleichende Abkehr der Weltkirche von Europa. Jenem Kontinent, der sie über so viele Jahrhunderte geprägt und dominiert hatte. Betont konservative deutsche Kritiker verbanden den Befund gerne damit, einen Niedergang der katholischen Kirche in Deutschland zu beschwören. Sie ergänzten gelegentlich, wohl nie werde der Papst in das Land der Reformation reisen, dessen Katholiken glaubensschwach wären, deren Kirche finanzstark, aber nicht mehr am Puls der neuen römischen Zeit sei. Nun kommt es anders. Franziskus wird 2016 nach Deutschland kommen. Das spricht für seine Wertschätzung. Und es sagt etwas aus, über die Bedeutung einer Kirche, die über seit vielen Jahrzehnten den Gläubigen auf allen Kontinenten längst nicht nur finanziell hilft. Übrigens auch in Bergoglios Argentinien, auch in den dunklen Zeiten der Diktatur.

Papst Franziskus in Turin Foto: ALBERTO PIZZOLI, AFP
Der Reisekalender von Franziskus ist für 2015 ausgefülltBild: Getty Images/AFP/A. Pizzoli