Vorentscheidung bei Ackermann-Nachfolge?
10. Juli 2011Die Debatte über die künftige Führung der Deutschen Bank scheint konkreter zu werden. Wie mehrere Agenturen am Sonntag (10.07.2011) berichten, sind Aufsichtsratschef Clemens Börsig und weitere einflussreiche Mitglieder des Gremiums für eine Doppelspitze mit Top-Investmentbanker Anshu Jain und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen. Der von Börsig geführte dreiköpfige Nominierungsausschuss, in dem neben Börsig das Aufsichtsratsmitglied der Robert Bosch GmbH, Tilman Todenhöfer, und Ex-Bayer-Chef Werner Wenning sitzen, werde dieses Modell wohl dem Aufsichtsrat vorschlagen, heißt es. Der kommt Ende Juli zur nächsten regulären Sitzung zusammen.
Ob diese Lösung für die Nachfolge von Vorstandschef Josef Ackermann aber vom gesamten Kontrollgremium getragen wird, ist offen. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters ein Mitglied des Aufsichtsrats. Zwar ist Fitschen in Wirtschaft und Politik bestens vernetzt und mit der wechselvollen Geschichte des Geldhauses gut vertraut. Es gebe aber nach wie vor Vorbehalte gegen Fitschen als Jains Partner, da er mit 62 Jahren relativ alt sei. "Viele wollen einen Generationswechsel", heißt es bei Insidern. Daher seien andere Modelle für eine Doppelspitze noch nicht vom Tisch.
Kollisionskurs
Wie aus dem Umfeld der Gespräche verlautete, war auch Ackermann bei den Beratungen des Nominierungsausschusses dabei. Im Gegensatz zu Börsig bevorzugt der Schweizer den 55-jährigen Risikovorstand Hugo Bänziger als Co-Chef für Jain. "Das Duo soll die gesamte Bank repräsentieren können - und das nicht nur für ein oder zwei Jahre", sagte ein Insider. Damit sind Börsig und Ackermann einmal mehr auf Kollisionskurs: Der Konzernchef wollte eigentlich Ex-Bundesbankchef Axel Weber als Nachfolger, stieß damit aber bei Börsig auf Skepsis. Weber ging daraufhin zur Schweizer UBS.
Doppelspitze verzweifelt gesucht
Jain gilt mittlerweile als gesetzt. Der Bereich des 48-jährigen gebürtigen Inders erwirtschaftet den Löwenanteil der Gewinne - in guten Zeiten steuert er rund 80 Prozent zum Ergebnis bei. Als 100-prozentiger Investmentbanker und mit nur geringen Deutsch-Kenntnissen ist er aber als alleiniger Vorstandschef des größten deutschen Geldhauses kaum vorstellbar. Daher sucht Börsig nach einem Partner, der die Bank im politischen Berlin vertreten kann und den Heimatmarkt gut kennt. Deshalb sind auch noch der 47jährige Privatkundenvorstand Rainer Neske und der 48jährige Finanzvorstand Stefan Krause im Gespräch. Beide stünden für einen Generationenwechsel.
Beispielloser Machtkampf
Zuletzt hatten große Aktionäre den Druck auf die Deutsche Bank erhöht, die Nachfolge Ackermanns schnell zu klären. "Das bisherige Vorgehen schadet nicht nur möglichen Kandidaten, sondern insbesondere auch dem Unternehmen Deutsche Bank", sagte Hans-Christoph Hirt von "Hermes Equity Ownership" in London der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Hermes versammelt der Zeitung zufolge mehr als 20 große Pensionsfonds mit einem Vermögen von 90 Milliarden Euro hinter sich. Hirt sagte, er habe große Zweifel, "ob der Aufsichtsrat seinen Job bisher gut gemacht hat".
Laut "Welt am Sonntag" soll es bis hinter den Kulissen einen beispiellosen Machtkampf gegeben haben, der weite Kreise in Wirtschaft und Politik gezogen habe. Mehrere Vorstands- und Aufsichtsratschefs aus der Industrie sollen bei einflussreichen Kontrolleuren der Bank angerufen und sich für einen Verbleib Ackermanns in der wichtigsten Bank des Landes eingesetzt haben, schreibt die Zeitung.
Autor: Rolf Wenkel (mit rtr, dpa, dapd, afp)
Redaktion: Marko Langer