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Vorbild Österreich

Rolf Wenkel28. Januar 2003

Auf der weltgrößten Süßwarenmesse (ISM) in Köln führen fair gehandelte Produkte ein Nischendasein. Dennoch sind die deutschen Anbieter optimistisch und blicken ins europäische Ausland.

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Nebenrolle auf den Weltmärkten: fair gehandelte KakaobohnenBild: TransFair

Der deutsche Lebensmittelhandel hat ein Tal der Tränen hinter sich - im vergangenen Jahr musste er einen Umsatzrückgang von 0,3 Prozent hinnehmen. Doch trotz dieser schwierigen Marktsituation rennen nicht alle Kunden zum Discounter - im Gegenteil, bei fair gehandelten Süßwaren gibt es sogar leichte Zuwächse. So meldet die Organisation Transfair zusammen mit ihren Partnern gepa und der Bodeta Süßwaren GmbH einen Umsatz von rund neun Millionen Euro. Auch für die Zukunft ist Thomas Speck, Geschäftsführer des weltgrößten Handelshauses für Fairtrade-Produkte Gepa, für einige Produktgruppen durchaus optimistisch: "Bei unseren Tafelschokoladen - konventionell und biologisch zusammen genommen - rechnen wir bis zum Ende des Geschäftsjahres der Gepa im März 2003 mit einer Absatzsteigerung von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr."

Fair und süß

"Geiz ist geil", versuchen die Werbestrategen für konventionelle Produkte dem deutschen Verbraucher einzuhämmern - "fair und süß ist besser", halten Transfair und gepa dagegen - mit zunehmendem Erfolg. Sie versuchen nicht nur, ihre Produkte im hochpreisigen Premium-Segment zu etablieren, sondern auch gleichzeitig die Geschichte hinter dem Produkt zu erzählen.

Eine Tafel Schokolade lässt sich meistens in 24 Stückchen teilen - dem einzelnen Kakaobauern in Belize, Bolivien, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Ghana, Kamerun oder Nigeria bleibt davon gerade einmal der Gegenwert eines einzigen Stückchens. Auch das Los der Zuckerproduzenten in Costa Rica, Ecuador, Malawi, Paraguay oder auf den Philippinen ist nicht besser - die Weltmarktpreise erlauben zurzeit nicht einmal eine kostendeckende Produktion. Transfair vergibt deshalb ein Siegel an alle Produzenten, die einen festen Aufschlag auf die Weltmarktpreise zahlen. "Es hängt von dem Fair-Trade Anteil ab, wieviel an konkreter Einkommensverbesserung für die Kleinbauern ausbezahlt wird und wieviel nach gemeinschaftlicher Entscheidung für Projekte ausgegeben wird", erläutert Dieter Overath, Geschäftsführer von Transfair. So sei es beispielsweise in Ghana gelungen, die Trinkwasserversorgung zu verbessern und Brunnen zu bauen.

Modellprojekt in Ghana

Ohne den Transfair-Aufschlag sind die Kleinproduzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika den Großhändlern und den Launen des Weltmarktes ausgesetzt. Auch die politischen Unruhen in der Elfenbeinküste, die zu einer Verknappung des Kakaos und zu einem drastischen Anstieg der Weltmarktpreise geführt haben, kommen bei den Kleinproduzenten nicht an, betont Overath. In den vergangenen Monaten seien dort sogar Kindersklaven aus anderen afrikanischen Staaten zur Kakaoernte eingesetzt worden. "Unter Fair Trade gibt es solche Formen der Ausbeutung von Kinderarbeit nicht, und Sie werden sie zum Beispiel bei Guapa-Kokoo in Ghana nicht finden."

Doch es gibt nichts, was nicht noch verbessert werden könnte. So ist Transfair davon überzeugt, dass sich in Deutschland der Marktanteil fair gehandelter Produkte langfristig verfünffachen lässt. In Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz sind diese Marktanteile bereits erreicht, und selbst auf dem österreichischen Markt, auf dem Transfair bislang ein Schattendasein führte, werden zur Zeit Zuwachsraten von 600 Prozent verzeichnet. Aber dort haben die Entwicklungsministerien auch Geld für eine Werbekampagne im Fernsehen locker gemacht - davon können die deutschen Transfair-Strategen angesichts der Sparpolitik in Berlin nur träumen.