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Sanfte Außenpolitik

24. Juli 2009

Teure Geschenke auf Kosten der Steuerzahler, Exportförderung oder subtile Interessenpolitik – Vorwürfe, die der Entwicklungspolitik gemacht werden. Dabei bekennt sie sich längst zu ihrer außenpolitischen Bedeutung.

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Ein deutsches Wiederaufbauteam stellt im April in Kundus ein Straßenbauprojekt vor (Foto: dpa)
Ein deutsches Wiederaufbauteam stellt im April im afghanischen Kundus ein Straßenbauprojekt vorBild: picture-alliance/ dpa

Dass Entwicklungspolitik eng mit außenpolitischen Interessen verknüpft ist, ist eine Binsenweisheit, die so alt ist wie die Entwicklungshilfe selbst. Nach der Unabhängigkeit der ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika und Asien bemühten sich die beiden Supermächte USA und Sowjetunion, die neuen Staaten mit Entwicklungsgeldern an sich zu binden und weiteten so den kalten Krieg bis in die entlegensten Winkel der Welt. Anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich wurde vorgeworfen, sich mit großzügigen Hilfszahlungen an dubiose Diktatoren die Loyalität ihrer ehemaligen Kolonien zu sichern.

Junge Männer in Havanna gehen an einem Plakat vorbei, dass die amerikanische Freiheitsstatue mit einem schockierten Gesichtsausdruck zeigt (Foto: AP)
Als kommunistischer Staat vor der US-Küste erhielt Kuba - hier eine Straßenszene in Havanna - jahrzehntelang massive Finanzhilfen aus der SowjetunionBild: AP

Selten aber bekannte sich die Entwicklungspolitik - auch die deutsche - so offen zu ihrer außenpolitischen Rolle wie heute. Bernd Eisenblätter, Geschäftsführer der deutschen Entwicklungsagentur GTZ, sieht sein Unternehmen auch als Instrument der Sicherheitspolitik. "Wir stellen fest, dass die Zahl von instabilen Regimes nicht unbedingt abnimmt", sagt er . "Die Anzahl der Konflikte ist hoch." Seine Schlussfolgerung lautet, dass "klassische Sicherheitspolitik" - also etwa Militärinterventionen - nicht ausreiche, um diese Konflikte zu bekämpfen. "Die Ursachen müssen in erster Linie durch nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit bekämpft werden."

Experimentierfeld Afghanistan

Als am 11. September 2001 eine kleine Gruppe Terroristen der Supermacht USA ihre Verwundbarkeit vorführte, da zeigte sie dem Westen auch: Die neuen Bedrohungen kommen nicht so sehr aus aufstrebenden, konkurrierenden oder verfeindeten Staaten, sondern aus schwachen, zerfallenden Staaten. Afghanistan, der Zufluchtsort von El-Kaida, wurde nicht nur zu einem militärischen Ziel, sondern auch zu einem der wichtigsten Empfängerländer westlicher Entwicklungsgelder. Und es wurde zum Experimentierfeld für eine neue Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Einweihung eines Wasserversorgungs-Systems im afghanischen Herat (Foto: AP)
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Einweihung eines Wasserversorgungs-Systems im afghanischen Herat (2008)Bild: AP

Entwicklungsorganisationen, Militär und Polizeieinheiten arbeiten dort in so genannten PRTs zusammen: Provincial Reconstruction Teams. Nicht selten übernehmen Soldaten klassische Aufgaben der Entwicklungshilfe. Am liebsten würden die westlichen Regierungen auch Nichtregierungsorganisationen einbinden. Doch die Hilfsorganisationen wehren sich dagegen. Jürgen Lieser von VENRO, einem Zusammenschluss der deutschen Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit, glaubt, dass die zunehmenden Sicherheitsprobleme, mit denen Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zu kämpfen haben, aus dieser Vermischung von militärischen und zivilen Aufgaben entsteht. "Die Widerstandskämpfer gehen davon aus, dass Hilfsorganisationen gemeinsame Sache mit den westlichen Besatzungsmächten machen."

Umdenken in der Afrika-Politik

Ob das Beispiel Afghanistan mit seiner engen Verquickung von Außenpolitik, Militäreinsatz und Entwicklungshilfe mehr Modell oder Sonderfall ist, ist allerdings noch schwer zu sagen. Traditionell fließt der größte Teil der deutschen Entwicklungsgelder nach Afrika - ein Kontinent, auf dem die Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade durch ihre Interessenpolitik aufgefallen sei, sagt Dennis Tull, Afrika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die deutsche Afrika-Politik sei im Wesentlichen auf Entwicklungszusammenarbeit beschränkt gewesen. "Wenn es gegenüber einem Land keine Entwicklungspolitik gab, dann gab es vermutlich überhaupt keine Politik."

Ein Bundeswehr-Lastwagen fährt durch Kinshasa an einem Wahlplakat vorbei (Foto: dpa)
Bundeswehr-Lastwagen in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa (2006)Bild: picture-alliance/ dpa

Inzwischen allerdings hat sich auf dem afrikanischen Kontinent vieles geändert. In einigen Ländern hat in den letzten Jahren ein zartes Wirtschaftswachstum eingesetzt. Es ist zwar in der weltweiten Krise wieder eingebrochen, hat aber dennoch viele Unternehmen aufhorchen lassen. Mit China und zuletzt auch Indien sind neue Wettbewerber auf den afrikanischen Markt gedrängt. Zugleich hat der Kontinent in den letzten zwei Jahrzehnten eine beispiellose Phase von blutigen Konflikten und Instabilität erlebt. Auch Deutschland habe auf diese Entwicklungen reagiert, sagt Tull und nennt als Beispiel den Bundeswehreinsatz 2006 im Kongo. Damals sicherte eine UN-Mission die Präsidentenwahlen in dem Bürgerkriegsland ab. "Da werden Kooperationen durchgeführt, die doch stark von dem abweichen, was man unter klassischer Entwicklungspolitik versteht."

Deutschland stehe zwar erst am Beginn einer neuen - umfassenderen – Afrika-Politik, glaubt Tull. Doch das Umdenken habe begonnen. Die Entwicklungsagentur GTZ jedenfalls vermeldet in der letzten Zeit steigende Auftragszahlen aus dem Auswärtigen Amt.

Autor: Mathias Bölinger

Redaktion: Dеnnis Stutе