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Vom Kader zur Karriere

Marcus Bösch6. Januar 2009

Bis 1990 wurde hier die Ökonomie des Sozialismus gelehrt. Die HHL: Deutschlands älteste Handelshochschule in Leipzig. Heute studiert an der privaten Business School die internationale Wirtschaftselite. Auf Englisch.

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HHL Campus
Ehemals Goldschmiede - jetzt Graduate SchoolBild: HHL

Die schwere Holztür lässt sich nicht direkt öffnen. Als Besucher der HHL - der Leipzig Graduate School of Management - muss man einen Nummerncode eintippen, dann darf man den Gebäudetrakt betreten. Bis zur Wende residierte hier die Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport - eine der Goldmedaillen-Schmieden der DDR. Wahrscheinlich hingen damals auch Fotos an den Wänden im Flur. Wahrscheinlich sahen die jungen Menschen auf den Fotos ähnlich jung und dynamisch und gut aus. Ganz sicher aber hatten sie keine Talare und keine schwarzen Doktorhüte auf. Ganz sicher sahen sie nicht aus wie amerikanische College-Studenten.

Harvard statt Lenin

HHL-Studenten aus der ganzen Welt (Foto: HHL)
Viele HHL-Studenten kommen aus dem AuslandBild: HHL

Ein 15-monatiges Vollzeit-Studium zum Master of Business Administration an der HHL kostet 22.500 Euro. 70 Prozent der Studenten kommen aus dem Ausland. Unterrichtssprache ist Englisch. Die Lerngruppen bestehen aus 25 bis 40 Personen. Das Auswahlverfahren ist trotz der Gebühr aufwändig. Wird man genommen, darf man die Bibliothek 24 Stunden am Tag benutzen. Teil der Ausbildung sind ein Praktikum, ein Auslandsaufenthalt und neuerdings auch ein Negotiation-Event - eine Art Verhandlungs-Weltmeisterschaft mit Teilnehmern aus Harvard und Yale.

Die HHL beruft sich stolz auf eine lange Tradition. 2008 hat man den 110. Geburtstag der nach eigenen Angaben ältesten Wirtschaftshochschule Deutschlands gefeiert. Teil der Geschichte der HHL sind auch die Jahre der Lehre in der DDR. Als hier ausschließlich Deutsch gesprochen wurde. Als auf dem Lehrplan "Politische Ökonomie" und "Wissenschaftlicher Kommunismus" standen und "Marxistisch-Leninistische Philosophie" gelehrt und gelernt wurde.

Das brachte alles nichts

"Von der Handelshochschule der DDR ist außer mir und zwei Bürokräften niemand übrig geblieben. Das ist eine völlige Neugründung", erzählt Professor Hans Göschel. Er war damals Kanzler der Staatlichen Handelshochschule, hat die turbulente Zeit der Wende hautnah miterlebt und erzählt gerne. "Und als das dann im September 1989 so los ging mit den Montagsdemos, da bekamen wir die Anweisung, mit den Studenten zu der Zeit Seminargruppenbesprechungen einzuberufen, damit die nicht zu den Demonstrationen gehen konnten. Das brachte aber eigentlich alles nichts", sagt Göschel und blättert im Jubiläumsband der Uni. 304 Seiten, gut 400 Abbildungen. Den schweren Band hat Göschel nach ausgiebiger Recherche selbst verfasst.

Ein Wegweiser zur HHL (Foto: HHL)
Zur Karriere bitte hier langBild: HHL

Der Mauerfall, die Wende, die Wiedervereinigung - das alles ist auf dem Campus der HHL heute auf den ersten Blick ganz weit weg. Studierende aus der ganzen Welt strömen aus den Türen, schlendern durch den Innenhof, raus und rein, in Richtung Straßenbahn oder Seminarraum. Gesprochen wird – auch privat - Englisch. So verständigen sich Inder in Sandalen und Amerikaner in rahmengenähten Lederschuhen. Junge Gesichter sind das. Gesichter, die die Vergangenheit nur als Randnotiz wahrnehmen, ganz einfach weil die Welt noch vor ihnen liegt. "Nach der Ausbildung hier werde ich in Nordamerika bei einer Unternehmensberatung arbeiten. Das ist der Plan", sagt zum Beispiel Fabian Schaaf aus der "MBA Class of 2009". Der junge Mann mit gut gebügeltem Hemd und Brille erzählt eloquent von Plänen und Konzepten.

Befreit und entkernt

HHL-Studenten beim Studieren (Foto: HHL)
Arbeiten in kleinen GruppenBild: HHL

Auf seinem Lehrplan stehen neben "Business Study with Elective Modules in Finance und Accounting" noch eine ganze Menge englischer Vokabeln. Aber nicht alles ist neu: "Der Witz ist eigentlich: Wenn man das alles von seinem ideologischen Ballast befreit und entkernt, da kommen drunter Strukturen hervor die durchaus verallgemeinerungswürdig und sinnvoll sind", sagt Professor Göschel. Er meint damit einige der Veranstaltungen damals in der DDR. "Marketing" zum Beispiel. Das gab es nämlich damals auch schon. Es hieß "Werbung".