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Ein steiniger Weg

Sola Hülsewig18. Februar 2014

Noch nie gab es in Deutschland so viele Professoren mit Migrationshintergrund. Doch eine neue Studie zeigt: Forscher aus Einwandererfamilien haben es schwer. Für Ahmet Toprak war der Weg zum Professor steinig.

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Professor Ahmet Toprak in der Bibliothek der Fachhochschule Dortmund. (Copyright: FH Dortmund)
Bild: FH Dortmund

Vor einiger Zeit hat Professor Ahmet Toprak im Radio ein Interview gegeben. Als das Gespräch vorbei war, rief eine Frau bei dem Sender an und wollte unbedingt mit Toprak sprechen. Der Grund ihres Anrufs war, dass sie bezweifelte, Toprak könne wirklich Professor sein. Die Dame kannte Ahmet Toprak von früher: In den 80er Jahren hatte sie das Kind türkischer Gastarbeiter in einer Kölner Hauptschule unterrichtet.

Toprak erinnerte sich sofort an seine ehemalige Klassenlehrerin und sprach sie mit ihrem Namen an. "Doch sie wollte mir einfach nicht glauben", erzählt der Wissenschaftler, "und meinte schließlich, es müsse sich um einen Systemfehler handeln." Heute sitzt der "Systemfehler" Ahmet Toprak in einem hellen Büro an der Fachhochschule Dortmund mit Blick über den Campus. Seit sieben Jahren arbeitet er hier als Pädagogikprofessor.

Elternhaus entscheidend für Uni-Karriere

Topak ist gerade mal 43 Jahre alt - und damit recht jung für einen Professor in Deutschland. Verglichen mit den rund 5000 anderen Professoren mit Migrationshintergrund, die in der Bundesrepublik arbeiten, liegt er altersmäßig allerdings im Durchschnitt. Einer neuen Studie zufolge sind die Wissenschaftler zwischen 40 und 55 Jahre alt, arbeiten meistens an deutschen Universitäten und sind am stärksten in der Mathematik und den Naturwissenschaften vertreten, etwa ein Fünftel sind Sprach- und Kulturwissenschaftler.

Während die internationalen Wissenschaftler, die von den Unis angeworben werden, schnell Karriere machen, haben es Bewerber aus Einwandererfamilien immer noch schwer. "In unserer Studie haben wir zum ersten Mal alle Professoren mit Migrationshintergrund untersucht", erklärt Studienleiterin Ayla Neusel im Interview. Rund 200 Fragebögen wertete die Forscherin am Hochschulforschungszentrum Incher in Kassel aus. Dabei zeigte sich, dass 64 Prozent Kinder von Akademikern sind. Bei den deutschen Professoren sind es "nur" 45 Prozent. "Als Kind türkischer Einwanderer auf einen Lehrstuhl zu kommen, ist immer noch absolut ungewöhnlich", so Neusel.

Zwei junge ausländische Studierende sitzen in einem Seminarraum und lernen. (Foto:DW)
Jung, mehrsprachig und ehrgeizig - Ausländische Forscher haben meist Akademiker als Eltern.Bild: picture-alliance/dpa

Schlosser oder Schule in der Türkei

Viele Jahre lang hätte Ahmet Toprak selbst nicht geglaubt, dass er eines Tages Professor sein würde. Als er 10 Jahre alt war, kam er zusammen mit seinem Bruder aus der Türkei nach Köln. Die Eltern und vier weitere Geschwister waren bereits dort. Sohn Ahmet schlug die typische Karriere eines Gastarbeiter-Kindes ein. Er landete automatisch auf der Hauptschule. "Man hat ein bisschen Deutschunterricht gehabt, aber die generelle Erwartung war, dass man ja wieder dorthin zurückgehen würde, wo man herkam." In Topraks Fall also in die Türkei.

Und so war es zunächst auch. Nach dem Hauptschulabschluss hatte Ahmet Toprak das Angebot, eine Schlosserlehre bei den Ford-Werken anzufangen, wo auch der Vater arbeitete. Eine sichere Bank. Er lehnte ab. Stattdessen beschloss der 15-Jährige, in die Türkei zurückzukehren, um dort weiter die Schule zu besuchen. Trotz aller Bedenken ließen ihn die Eltern gewähren. Wie sich herausstellte, war das die richtige Entscheidung. Toprak absolvierte in der Türkei das Gymnasium und schaffte schließlich die Aufnahmeprüfung zur Universität. Die Durchfallquote lag damals bei etwa 82 Prozent, er gehörte zu den erfolgreichen 18 Prozent.

Professor Ahmet Toprak arbeitet am Computer in seinem Büro an der Fachhochschule Dortmund. (Foto: Sola Hülsewig)
Wissenschaftler statt Schlosser - Toprak arbeitet lieber am Schreibtisch als an der Werkbank.Bild: DW/S. Hülsewig

Mut zur Promotion

In Ankara begann er, Anglistik zu studieren. Nach einem Semester zog es ihn jedoch wieder nach Deutschland - auch, um wieder näher bei den Eltern zu sein. Die Universität Bonn wurde zur nächsten Station, dann wechselte Toprak jedoch nach Regensburg, um dort Pädagogik mit Schwerpunkt Psychologie zu studieren. Die Promotion folgte - und schließlich die Professur an der Fachhochschule Dortmund. Dabei setzte er sich gegen 109 Mitbewerber durch.

Von sich aus wäre Toprak nicht auf die Idee gekommen, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen. Nach seinem Studienabschluss arbeitete er zunächst als Sozialarbeiter. Bei einer Zusatzausbildung zum Anti-Gewalttrainer lernte er einen Hamburger Professor kennen. Dieser ermutigte ihn zu promovieren. Er selbst, so gibt Toprak zu, hätte sich das nicht zugetraut.

Der Professor redet offen über die Zweifel, die er an sich selbst hatte. Damit wird er für Studierende mit Migrationshintergrund wie Fatma zum Vorbild. Die Studentin hat türkische Eltern, die Mutter ist Hausfrau, der Vater Arbeiter. Sie studiert im sechsten Semester Soziale Arbeit und möchte ihre Bachelorarbeit auf jeden Fall bei Professor Toprak schreiben. "Ich glaube, ich könnte bei jeder Kleinigkeit zu ihm hin rennen", meint sie. "Bei ihm traue ich mich das eher als bei anderen Professoren."

Die Studentin Fatma sitzt mit einer Kommilitonin im Seminarraum. Beide studieren bei Ahmet Toprak. (Foto: Sola Hülsewig)
Studentin Fatma (vorne) macht Ahmet Topraks Karriere Mut.Bild: DW/S. Hülsewig